Die Mobilfunker übernehmen immer mehr Funktionen der klassischen Musikindustrie. Eine der ersten Expeditionen ins fremdes Territorium, Electronic Beats, wurde zehn Jahre alt. Der Mit-Initiator Ralf Lülsdorf im Interview.
Es geht um die Marke. Und nicht um die Musik. Die ist ein hübscher Nebeneffekt. Wenn Mobilfunker Geld für Popmusik hergeben, ist das immer Teil einer größeren Strategie. Wohltätig sein, einen Beitrag zur Gesellschaft leisten, Mäzen spielen, das geht vielleicht noch bei den großen Kulturfestivals oder Kunstsammlungen. Bei Popmusik aber geht es um das Image. Darüber spricht der Chef des internationalen Musiksponsorings von T-Mobile, Ralf Lülsdorf, relativ offen, auch wenn man das zwischen den verklausulierten Begriffen des Marketings nicht immer heraushört. Das heißt nicht, dass man unter dem pinken Logo nicht auch tolle Interviews im hauseigenen Magazin und auf den Slices-DVDs findet oder man nicht sehr gute Konzerte sehen kann. Aber es passiert aus einem anderen Interesse heraus. Die Marke, nicht die Musik, ist das, worum es den Firmen geht. Locations, freie Medien, Veranstalter agieren da anders, auch wenn sich die Grenzen auch dort zunehmend durchlässig werden. Sie agieren immer mehr wie Unternehmen, sind auf Profit aus, während umgekehrt bei den Firmen das Verständnis für Musik gewachsen ist. Ralf Lülsdorf spricht im Interview darüber wie Unternehmen wie T-Mobile zunehmend in die Musikindustrie hineinwachsen.
Welche Stellung hattest Du damals und war es leicht die Verantwortlichen davon zu überzeugen, dass Electronic Beats eine gute Idee ist?
Ich war damals im Team für das Jugendmarketing der deutschen Telekom und wir haben nach Maßnahmen gesucht, einen besseren Zugang zur jugendlichen Zielgruppe zu finden. Der Auftrag kam damals direkt vom Vorstand. Wir sollten im Bereich Jugend und Sport ein Thema entwickeln. 2000 ist dann Electronic Beats gestartet.
Hat der Vorstand das so einfach akzeptiert? Electronic Beats ist ja schon eher ein spitzes Programm für Musikinsider.
Wir machen neben Electronic Beats noch mehrere, andere Kampagnen bei der T-Mobile wie etwa im Bereich Mass Market die große internationale Kooperation mit Katy Perry. Die Opinion Leader erreichen wir jedoch primär mit dem EB Programm, welches über die Jahre gereift ist. Neben verschieden Live Events umfasst das EB Program den Media-Bereich (DVD, Magazine, Online) sowie auch Social Online Aktivitäten.
Man würde annehmen, dass allgemeine Festivalsponsorings leichter durchzubringen wären…
Leicht war das nicht, wobei wir auch große Artists wie Moby, Faithless oder Underworld hatten. Wir haben aber gezielt nicht nur auf bekannte Artists gesetzt. Große Sponsorings adressieren den Mass Market. Markenbildend sind sie deshalb noch nicht. Und in bestimmten Märkten hatten wir ein echtes Imageproblem. Es war insofern wichtig, dass wir etwas gemacht haben, das authentisch war.
Gilt Electronic Beats als Erfolgsgeschichte bei der Telekom/ T-Mobile?
Ja, wobei natürlich auch mit den klassischen Ups and Downs, weil unser Markt ja auch speziell unruhig ist und man sich neu adaptieren muss. Teilweise gab es auch die Umstrukturierungen des Konzerns, was dazu führt, das man so ein Projekt immer wieder neu überdenken und weiterentwickeln muss. 2005 wurde Electronic Beats dann internationalisiert und startete auch außerhalb von Deutschland.
Was hatte adaptiert werden müssen?
Für einen großen Konzern schon ungewöhnlich so etwas zu betreiben. Bei Red Bull würde niemand die Music Academy hinterfragen – bei uns ist das schon etwas anders. Wir müssen den Erfolg des Programms immer wieder darlegen, sei es durch die positiven Auswirkungen auf die Markenattribute, Reichweiten oder die Kredibilität in der Musik- Branche. Leider konnten wir daher nicht immer jeden Markt bedienen. Eine andere Veränderung war, dass es mit dem aufkommenden Historismus in der elektronischen Musik Sinn machte, etwa mit Donna Summer und Yello zusammen zu arbeiten. Wir können damit unsere Zielgruppe sowie auch unsere Zielmedien erweitern.
Wie misst man bei der T-Mobile was so eine Veranstaltung bringt?
Abgesehen von einer klassischen Befragung mit Schulnotensystem machen wir auch implizite Marktforschung. Da geht es um Bauchentscheidungen, was man mit einer Marke verbindet, was dazu passt und was nicht. Da wird dann zum Beispiel gefragt, ob Leute eine bestimmte Stimmung mit der Telekom verbinden oder nicht. In Graz hatten wir etwa sehr gute Werte. Langfristig, über mehrere Veranstaltungen hinweg, bekommen wir dadurch einen Eindruck von der allgemeinen Stimmung. Auch im Bereich Social Media, bzw durch die Interkation mit unserer Community, Friends and Followern ist diese Entwicklung ganz deutlich ablesbar. Für uns ist das ein erheblicher Vorteil.
Ab 2006 haben wir dann angefangen begleitend zu der Slices DVD, dem Magazine und den Events auch unsere Website auszubauen, Wir haben auf Electronicbeats.net sehr hohe Zugriffszahlen, was uns in Deutschland bereits unter die Top Ten der Musikseiten gebracht hat. Wir haben dann auch zügig die anderen Channels auf Facebook uns Twitter aufgebaut. Social Media ist aber generell bei der Telekom ein sehr, sehr großes Thema.
Gibt es eigentlich ein sogenanntes Electronic Beats Gesicht?
In diesem Sinne nicht. Wir hatten zwar anfangs Ill-Young Kim als Moderator von Electronic Beats – unserem TV Format auf Viva 2. Nun ist es aber so, dass eine Zielgruppe der Opinion Leader sich nicht gern von einer einzelnen Person etwas vorreden lässt. Wir haben daraufhin die ursprüngliche Idee unseres Electronic Beats TV Formats auf die Slices-DVDs übertragen. Dort stehen jetzt die Künstler im Vordergrund. Generell ist also das Programm das zentrale Element und nicht mehr der Moderator.
In Sachen Erfolg oder Misserfolg – ich nehme nicht an, dass ihr kostendeckend arbeiten müsst?
Naja, Sponsoring ist ja immer auch eine Investition in die Marke. Electronic Beats ist ja aus einem Festival entstanden, das es schon 1999 in Köln gegeben hat. Das war damals ein ganz klassisches Sponsoring. Indem wir Tickets verkaufen, haben wir den entscheidenden Vorteil, dass wir von Künstlern und Booking Agenturen als Veranstalter ernst genommen werden. Die finanziellen Möglichkeiten sind im Vergleich zum Sport überschaubar, was uns dazu nötigt effizient zu arbeiten.
In den letzten vier, fünf Jahren hat jeder vom boomenden Livemarkt geredet. Worauf würdest du es zurückführen, dass der Livemarkt 2010 erstmals stagniert?
Es gab eine massive Zunahme von Gigs, der Druck auf die Artists wird immer größer. Und es gibt aber vor allem ein Überangebot und eine Sättigung, die nicht nur in der Wirtschaftskrise begründet ist. Abgesehen von den etablierten Veranstaltungen, denen das wohl nichts anhaben kann, kann das Publikum nicht überall gleichzeitig sein.
Sind kleine Sponsorings tot?
Würde ich tausend Clubsponsorings machen, fehlt da natürlich der rote Faden. Bei den ganz großen Festivals ist das noch mal anders, wenn ein schlüssiges Kommunikationskonzept dahinter steht. Wir haben uns ja auch konsolidiert und einige Dinge in eine multisensorische Ansprache zusammengefasst. Wenn ich aber ein tolles Konzept auf den Tisch bekomme, dann leite ich das schon auch weiter, weil da Ideen dabei sein können, die man selber nicht hatte. Es reicht aber jedenfalls nicht einen Banner auszurollen und diesen aufzuhängen – sondern ich muss eine Geschichte erzählen. Selbst bei Katy Perry haben wir das gemacht und ein schlüssiges Konzept zu ihren Auftritten entwickelt.
Gibt es bei euch auch erfolgreiche Kleinprojekte?
Auf der Popkomm oder C/O Pop hatten wir kleine Electronic Beats Soirées für cirka 300 Gäste veranstaltet, weil wir auch nicht mehr nur großer Sponsor sein wollten. Wir präsentieren dort unbekannte Talente, was teilweise großen Anklang gefunden hat. Wir sind mittlerweile zum Glück in der Lage, dass wir selbst einen Künstler empfehlen können. Wie im Fall von The Astroids Galaxy Tour oder Caribou konnten wir dadurch nach der Soirée auch die Tour unterstützen.
Was kann ich unter dem 360 Grad Programm verstehen?
Schon 2000 waren wir uns einig, dass es nicht reicht nur ein Konzert zu machen, sondern wir brauchen eine vollumfängliche Betreuung und Aktivierung. Wir haben da einen Blick in die Glaskugel gewagt und fast alles von dem, was wir uns vorgenommen haben, mittlerweile umgesetzt, ohne dass wir uns aber dazu zwingen mussten. Wesentlicher Kern ist, dass wir Dinge verknüpfen. Künstler sind bei uns deshalb oft auf DVD, im Magazin, der Website, bei einem Konzert und in der Radioshow.
Kann man das sogar generell über Electronic Beats sagen: statt Logofläche lieber 360 Grad Events?
Auf jeden Fall.
Ende der Neunziger Jahre ist noch breit über Sponsorings diskutiert worden – ob und wann sie ok sind. Mittlerweile kann sich kaum noch ein Musiker leisten ohne Sponsoring auszukommen. Ist es dadurch leichter geworden mit Artists zusammen zu arbeiten?
Ja, genau. Damals hatte das ja an zwei Punkten gehakt. Die Künstler wollten maximal ein Plakat und dass man auf diesem mit seinem Logo erstmal nur „zu Gast“ ist. Die Unternehmen hatten ein Problem, weil es für Kultursponsorings keine einheitlichen Strukturen gab. Im Sport gibt es Trikots, Bandenwerbung und so weiter. Aber jedes Festival und jeder Club ist anders und allein das Einbuchen war sehr schwierig. Die Einheitlichkeit der Regularien hat gefehlt. Dadurch haben sich Firmen, aber auch gerade die großen Künstler bewegt. Die Rolling Stones wollten vor einigen Jahren zum Beispiel noch lediglich ein Branding haben, während Katy Perry jetzt viel mehr zugelassen hat. Die Artists schaffen uns jetzt Möglichkeiten, die früher nur über die Plattenfirmen zu realisieren waren.
In Österreich ist Graz eigentlich das stärkere Standbein für euch. Welche Pläne habt Ihr dort?
2008 haben wir das erste Mal das Elecronic Beats Festival auf dem Grazer Schlossberg auf den Kasematten veranstaltet – mit einem sensationellen Erfolg. Der eigentliche Grund uns hier zu engagieren, war das Spring Festival. Dieses hat sich seit nunmehr 10 Jahren international etabliert. Ansonsten konzentrieren wir uns eigentlich auf die Metropolen wie Wien, Berlin, Prag etc.
Und wie soll es mit dem Electronic Beats Magazin und Slices weitergehen?
Bei beiden überlegen wir uns inwieweit sie auf das Kommunikationsverhalten einer Jugendzielgruppe hinarbeiten. Wir denken über eine Ipad-Version und eine Smart Phone Applikation nach. Und wir diskutieren, ob es Sinn macht, so eine DVD jedes Mal per Post zu verschicken; denn sicher ist auch schön, wenn man einmal eben nicht den Bildschirm anmachen muss. Hier holen wir uns immer auch die Meinung von Leuten, die „jünger“ sind und Trends und Innovationen im Multimediabereich frühzeitig aufgreifen – die sogenannte digitale Avantgarde. Ich bin selbst mit Vinyl aufgewachsen und lege ganz klassisch auch noch mit Vinyl auf. Wenn man dann allerdings bei Hans Nieswandt liest, wie selbst Leute in der letzten Pampa im Nahen Osten mit Final Scratch die neusten digitalen Tracks auflegen, beginnt man zu grübeln.
Warst Du schon immer Musikliebhaber?
Ich hab vor meinem Studium natürlich viele Platten gekauft, was mit Studium und Job immer weniger wurde. Als ich dann beim Jugendmarketing der deutschen Telekom angefangen habe, war ich das erste Mal wieder im Plattenladen und habe viel Musik gekauft bis dann meine Tochter geboren wurde und sich die Prioritäten wieder verschoben haben. Es gibt mittlerweile so viel mehr Musik als noch vor zwanzig Jahren und es ist nicht immer leicht hier auf dem Laufenden zu bleiben, wenn man das nicht professionell betreibt. Ich bin Diplom-Betriebswirt und war immer auch ein Marketingmensch, kann aber auch in der Sprache von Musikern sprechen.
Die Logofläche funktioniert ja nicht mehr. Gibt es andere vielversprechende Ansätze?
Wohin die Reise geht, kann man manchmal nur spekulieren. Auch das Thema was heute Kultur und was Sponsoring ist, wird immer schwieriger zu beantworten sein. Die Unternehmen fühlen sich der Gesellschaft verpflichtet und es tut sich v.a. viel im Bereich Sustainability und Diversity. Kultur wird nicht mehr nur staatlich finanziert sondern braucht andere Unterstützung. Die Frage ist dann wie teilweise sehr konträre Zielsetzungen ineinander greifen können. Die Vermischung von Kultur und Content – wir sind ja selbst im Bereich Corporate Publishing unterwegs – führt zu immer mehr Eigeninitiativen von Unternehmen. Ein gutes Beispiel ist Red Bull, die sehr aktiv in diesem Bereich sind. Durch Facebook und Youtube gibt es auch praktisch keine Grenzen mehr. Früher waren wir dazu gezwungen eine Kooperation mit MTV zu machen. Jetzt geht MTV in Deutschland ins Pay-TV, während wir an die Öffentlichkeit gehen. Das funktioniert natürlich nicht mit jeder Marke. Mit Autos wäre das etwa eine ganz andere Herangehensweise.
Bist du auch in die Frage nach neuen Musiktarifen involviert?
Wir sind nicht mit jedem Produktmanager der jeweiligen Märkte in Kontakt, aber grundsätzlich mit den Verantwortlichen aus dem Bereich Product Innovation. Diese sind für Musikprodukte und Services verantwortlich. Wir arbeiten hier bestmöglich zusammen und unterstützen mit Electronic Beats die Musik Propositions der Telekom.
Es gibt diese Theorie dass mittlerweile ein guter Teil der Wertschöpfungskette bei Geräteherstellern oder bei Providern hängenbleibt…
Im Vergleich mit dem restlichen Business ist die Musik bei uns natürlich noch kein Riesending, sondern eher ein Marketinginstrument. Das Einkommen mit Musik ist ja leider nicht mehr so hoch wie es mal war.
Das "10 Jahre Electronic Beats Festival" fand am 19. November 2010 im Wiener Gasometer statt. Noch ist nicht klar, ob es den Abend im kommenden Jahr in Wien geben wird.