Festivalleiterin und -mitbegründerin Waltraud Grausgruber im Interview über die heurige Online-Ausgabe des Festivals, antifeministische Backlashes und ihre Highlights aus 20 Jahren Tricky Women/Tricky Realities.
Euer Festival existiert nun seit 20 Jahren. Hat sich an eurem Anliegen, das Filmschaffen von Frauen* sichtbarer zu machen, durch die gesellschaftlichen Entwicklungen in dieser Zeit Wesentliches geändert?
Waltraud Grausgruber: Unser Anliegen, die Geschichten und die künstlerische Arbeit von Frauen* sichtbarer zu machen, ist heute genauso wichtig wie vor 20 Jahren. Angesichts des antifeministischen Backlashes, der ja während der Corona-Pandemie so richtig sichtbar geworden ist, sogar wichtiger denn je. Animationsfilmerinnen*, Filmemacherinnen* und Künstlerinnen* allgemein sind im Kunst- und Kulturbetrieb nach wie vor unterrepräsentiert, Filmemacherinnen* werden seltener (ausreichend) finanziert und Frauen* sind seltener in Jurys vertreten.
Genau deswegen stellt Tricky Women/Tricky Realities seit 20 Jahren Bilder und Geschichten von Frauen* ins Rampenlicht. Tricky Women/Tricky Realities ist ein Statement. Allein schon durch diesen Fokus ist bei jeder Präsentation das Thema Gleichstellung zentral. Überall, wo wir mit unseren Programmen hinkommen, sei es in China, Südkorea, Norwegen, New York oder Sankt Pölten, wir sind sofort mitten in der Debatte um Geschlechtergerechtigkeit – und das ist gut so.
Eine Jubiläumsausgabe in Zeiten der Pandemie – das geht naturgemäß nur unter Einschränkungen. Wie wird das Festival 2021 konkret aussehen?
Wir feiern heuer online. Und bereiten die virtuelle Bühne für Filmprogramme, Talks, Lectures, Workshops und Masterclasses. Auf diese Weise können auch Menschen, die nicht in Wien leben, aber schon immer zu Tricky Women/Tricky Realities gehen wollten, daran teilhaben. Die Ausstellung, die das Festival begleitet, wird hoffentlich ganz physisch im Bildraum 07 stattfinden. Zu sehen sind hier Arbeiten von Flavia Mazzanti und Magdalena Pfeifer.
Findet die Pandemie auch inhaltlich Eingang bei einzelnen Filmen oder Spezialprogrammen?
Wir haben kein Covid-19-Programm zusammengestellt. Es sind aber heuer Themen wie Transformation, Zwischenwelten, Ablösung, Abschied und Resilienz, aber auch Absurdes und Groteskes in den Filmen präsent. Das ist sicherlich ein Abbild der Welt im Wandel.
Welche Programmhighlights könnte ihr uns schon verraten?
Große Themen sind heuer neue Möglichkeitsräume und andere Narrationen. Mit wohl kaum einem anderen Genre lässt sich ein alternatives (visuelles) Vokabular besser zelebrieren, als mit dem Animationsfilm. Animation erweitert das filmische Vokabular und erinnert uns daran, dass es alternative Möglichkeiten gibt, sich zu engagieren und eben tricky realities miteinzubeziehen. Die Filme, die beim Festival 2021 zu sehen sind, spiegeln das wider.
Drei Geburtstagsprogramme laden außerdem zur Begegnung mit Weggefährtinnen des Festivals ein. Publikumslieblinge, Preisträgerinnenfilme und andere wichtige Meilensteine aus der Festivalhistorie sind ebenso in den Geburtstagsprogrammen zu finden.
Ein weiteres Programmhighlight ist der Langfilm im Programm: »My Favorite War«. Die Filmemacherin Ilze Burkovska Jacobsen blickt hier auf ein Stück Zeitgeschichte zurück und schildert ihr Aufwachsen in der ehemaligen russischen Teilrepublik Lettland auf eine informative, sehr bewegende und persönliche Art.
Ihr versteht euer Festival als Ort des Austauschs über Feminismus und Zivilgesellschaft. Wie lässt sich diesem Anspruch in einer Online-Version gerecht werden?
Die Möglichkeit zum Austausch und zur Diskussion bietet traditionell unser internationales Forum Best Practice, das heuer auch online stattfindet. Unter dem Motto »Change the Narrative« beleuchten hier Vorträge und Masterclasses neue Wege (filmischen) Erzählens, abseits patriarchaler Erzählstrukturen. Hier gibt es für die Teilnehmer*innen die Möglichkeit aktiv mitzudiskutieren. Auch bieten wir Livetalks mit Filmemacherinnen* und freuen uns über Fragen und Diskussion von Seiten der Zuschauer*innen.
Zum Abschluss ein Blick zurück: Welche Momente in der Geschichte des Festivals waren für dich besonders erinnerungswürdig? Und warum?
Jedes Festival ist etwas ganz Besonderes für uns. Die Stimmung, die Filmemacherinnen* aus der ganzen Welt, die zum Festival nach Wien reisen, die Begeisterung der Zuschauer*innen – es ist uns ehrlich jedes Jahr ein Fest. Gerne erinnern wir uns aber daran, als wir im Jahr 2009 zum ersten Mal unsere Festivaleröffnung zusammen mit 700 Besucher*innen im vollbesetzten Gartenbaukino gefeiert haben. Oder als wir 2010, zu unserem zehnten Geburtstag unser Buch »Tricky Women. Animationsfilmkunst von Frauen«, herausgebracht haben. Weitere Highlights waren auch unsere Länderschwerpunkte Japan, Südkorea und China – große Animationsfilmnationen also, die wir zum ersten Mal mit Frauen*fokus und mit unabhängigen Produktionen präsentiert haben.
Das Festival Tricky Women/Tricky Realities findet heuer von 10. bis 14. März statt, dank Corona online.