Keiner glaubt dran, alle schreiben darüber. Wie selbst gute Berichterstattung ein Nicht-Ereignis fördert. Oder: It Is The End Of The World As We Know It (And I Feel Fine).
Ich habe keinen einzigen dieser blödsinnigen Artikel über den Weltuntergang gelesen. Maximal den Titel, aber spätestens beim ersten Maya-Blabla bin ich ausgestiegen. Nicht dass ich mich nicht für frühe Hochkulturen begeistern könnte. Doch welchen Erkenntnisgewinn, welchen Mehrwert kann einem die massenmediale Aufbereitung antiker Weissagungen über das angebliche Ende aller Tage im Jahr 2012 bieten, der es ernsthaft wert wäre, dafür Lebenszeit zu opfern? Eben.
Ich weiß: Wäre ich konsequent, dürfte ich selbst kein Wort darüber verlieren. Dennoch beschäftigt mich das. Da ist ein Thema, das keines ist, das niemand ernst nimmt (außer ein paar wirklich bedauernswerte Angsthasen vielleicht), das keinem etwas bedeutet und das trotzdem alle Welt nachbetet. Beängstigen muss einen das nicht, nein. Denn dazu ist es viel zu egal. Und die Argumentation, dass dadurch Brisantes und Entscheidendes aus dem Blickfeld verdrängt würde, ist spätestens mit der 1.0-Weltsicht untergegangen. Es ist nicht mehr so, dass ein Weltuntergang die Kanäle fürs wirkliche Weltgeschehen verstopft. Befremden tut mich das alles aber dennoch.
Denn er war nicht nur flächendeckend präsent. Es erscheint sogar ein eigenes Magazin – 2012: das vielleicht letzte Magazin. Ja, ich habe es durchgeblättert. Professionelle Notwendigkeit halt und natürlich auch Neugier. Erster Eindruck: Passt eh alles. Schönes Layout, teure Autoren, wertige Haptik, ein ordentlicher Ziegel, Herzblut: null. Zweiten Eindruck wollte ich mir gar keinen mehr machen. Einfach nicht konsequent obskur genug. Wer’s braucht, greift gleich zu Peter Moosleitners interessantem Magazin (PM) mit seinem trashigen Zugang zwischen »Jackass« und »Curiosity Show«. Und das hab ich nicht zufällig das letzte Mal mit 14 in der Hand gehabt.
Bekömmlich ist er ja, der Weltuntergangs-Hype: Als lauwarmes Wellness-Gruseln ermöglicht er es einem, sich beim Überblättern und Zappen vom Alltag abzulenken. Ganz schön absurd: ein Weltuntergang zum Wohlfühlen. Man kennt das von Roland Emmerich. Neu ist daran nur, dass jetzt nicht Hollywood, sondern sogar die »seriösen« Medien darauf setzen und ganz billig auf Pop machen.
Vielleicht bin ich aber auch nur nostalgisch und manches – zumindest so ein Weltuntergang – war früher einfach wirklich besser? Das vielleicht letzte Wörterbuch, das es in meinen Bibliotheksbestand geschafft hat, ist der »Millenniums-Langenscheidt«. Den gab’s kurz nach der Jahrtausendwende bei Libro: einen glänzend folierten Folianten Deutsch / Englisch – Englisch / Deutsch mit einem Appendix, der Begrifflichkeiten wie Y2K (year two kilo) oder Millennium-Baby dem Vergessen entreißt und absonderliche Akronyme auflöst: TEOTWAWKI etwa, das verrät einem mittlerweile auch Wikipedia, steht für The End Of The World As We Know It, das irgendwann einmal Nostradamus prophezeit hatte. Sogar eine »Pre-Millennium Tension« meinte ein finsterer Geselle namens Tricky schon 1996 zu spüren – und widmete ihr ein gar nicht ganz schlechtes Album. Kreative Geschäftemacherei, damals wie heute. Nur, wo heute ohnehin alles messbar ist, würde mich interessieren: Liest diesen ganzen Scheiß auch irgendwer, oder wird er bloß geschrieben?
Thomas Weber, Herausgeber, @th_weber