Martin Fritz hatte den FM4-Wettbewerb Worlaut 09 gewonnen. Über #unibrennt hat er nun ebenfalls einen Text verfasst.
„Mein Favorit hat sich durchgesetzt.“, so Klaus Nüchtern in seinem Vorwort zur Wortlaut 09 – Publikation. Den damit angesprochenen und mit Gold prämierten Text verfasste Martin Fritz, worin er die Gedanken eines Typen niederschrieb, der mit Goldhuhneiern in Zeitungspapier auf die Straße geht. Andere „Bühnen“ für seine Texte sind Poetry Slams, die Lesebühne „Text ohne Reiter“ oder auch das Netz, das er mit assotsiationsklimbim versorgt; oder diese Kolumne, der er dankenswerterweise folgenden Text zur Verfügung gestellt hat:
Geschichte wird gemacht: Unsere Uni brennt sogar in Innsbruck. Ein subjektiver Bericht aus dem besetzten SoWiMax.
Zuhause während der Revolution
Als der größte Hörsaal der sozialwissenschaftlichen Fakultät in Innsbruck nach Wiener Vorbild besetzt und in SoWiMax umbenannt wurde, war ich zuhause – aus dem einfachen Grund, dass ich krank war. Zu diesem Zeitpunkt war ich darüber nicht besonders traurig, weil ich nie im Leben daran geglaubt hätte, dass das länger als eine Nacht dauern würde. Im Laufe der vielen Semester und folgenlos verebbenden Protestbewegungen schon teilverzynischt, dachte ich, es würde immer so weitergehen.
Und dann kamen die Berichte aus dem besetzten SoWiMax an mein Krankenbett: Schon einen Tag nach dem wohl obligatorischen Über-die-Stränge-schlagen, der sinnlosen Rauchverbots-Debatte und ähnlichen Kinderkrankheiten hätten sich schon die üblichen Strukturen herausgebildet: Agrus, alternatives Vorlesungs-Programm, Forderungen, Webpräsenz und Plena mit einem Diskussionsniveau, wie mensch es in Innsbruck so noch nicht erlebt habe.
Sobald mein Fieber nachließ, setzte ich mich ans Notebook und las nach, schaute zu und stellte fest: Hier passiert tatsächlich etwas Größeres. Auch in den folgenden Tagen vor Ort hielt der euphorisierende Eindruck: Irgendwie hatten diese SoWiMax-Leute (Teil derer Jugendbewegung ich natürlich sofort sein wollte und wurde) es geschafft, einen Raum zu schaffen, in dem vieles möglich scheint. Und jeden Tag kamen neue Fähnchen auf der Landkarte unserer Unis hinzu.
Die Mehrheit will das nicht hören?
Doch das Provinznest wäre nicht Innsbruck, wenn da nicht sofort welche gefragt hätten: „Ja dürfen’s denn das?“ und die Antwort auf die rhetorische Frage sofort parat hatten: Die Geschichte mit den Besetzungs-GegnerInnen und deren gescheiterten Versuch, die Besetzung mittels Basisdemokratie aufzulösen, ist bereits erzählt worden.
Was wir den GegnerInnen der Besetzung zu verdanken haben, ist weniger die „jetzt erst recht“-Mobilisierung neuer BefürworterInnen, sondern das Eintreten der Bewegung in eine selbstreflexive Phase. Durch die die Verhärtung der Positionen mussten und müssen wir uns fragen: Wer sind wir überhaupt und wofür stehen wir? Was ist mit unserem Anspruch, einen herrschaftsfreien, basisdemokratischen Freiraum zu schaffen, in dem alle Meinungen und Stimmen gleich gelten können? Flugblätter gingen herum mit harscher Kritik an den sich einschleichenden Formen der informellen Machtausübung und Hierarchien. Denn klar, alle Arbeitsgruppen stehen für alle offen und jede Wortmeldung im Plenum ist erwünscht – aber die seit Anfang an zusammenarbeiten, haben ihre Abläufe schon gefunden, in denen Neulinge nicht immer vorgesehen sind und sag erst einmal in einem Plenum vor 700 Leuten etwas, das den meisten nicht in den Kram passt. Diese Probleme sind bis heute nicht gelöst und vielleicht gar nicht endgültig lösbar, aber immerhin wird jetzt darüber geredet und nachgedacht.
Wir werden siegen
Die Universitätsleitung hat inzwischen angeboten, konkrete in Innsbruck selbst zu bewältigende Maßnahmen zu ergreifen, die unserem Forderungskatalog entsprechen, wenn wir das SoWiMax räumen. So erfreulich dieses Entgegenkommen ist, macht es doch die bisher vermiedene Realo/Fundi-Schere auf. Denn einerseits wären das wirksame Ergebnisse unserer Besetzung, aber andererseits hat die Bewegung auch eine gesamt-österreichische und -europäische Dimension – und wer weiß wie groß Unibrennt noch wird und was wir dann bewirken können. Jedenfalls wird wie über alles auch über das Angebot („die ausgestreckte Hand“) derzeit heftig diskutiert.
Möglicherweise ist dieser Text bei seinem Erscheinen also diesbezüglich schon überholt. Was sich aber gewiss nicht ändern wird: Wir haben schon jetzt mehr erreicht, als je zuvor. Wir haben Aufmerksamkeit für unsere Anliegen erreicht und gezeigt, dass wir im Stande sind, einen wahren Raum im Falschen zu schaffen. Wir haben in zwei Woche mehr gelernt als in den vielen Semestern zuvor. Das hätte ich zuvor im Leben nie geglaubt.
7 Tage zu Fuß bedankt sich bei Martin Fritz und auch bei Simon Welebil für sein Foto vom Plenum am 3.11. und wird sich nun dem „Zeitwohlstand“ widmen.
Näheres zu Wortlaut 09 – dem FM4 Literaturwettbewerb