Zwischen Luftgitarrensoli und Playlists-Erstellen rast der „Baby Driver“ durch Atlanta. Die neue Actionkomödie des „Shaun Of The Dead“-Schöpfers Edgar Wright.
Nein, „Baby Driver“ ist kein Prequel von Nicolas Winding Refns elegischem Kultthriller „Drive“ (2011), obwohl gewisse Parallelen zwischen den Filmen nicht von der Hand zu weisen sind. In beiden Fällen chauffiert die Hauptfigur als begnadeter Fluchtwagenfahrer Gangster durch die Stadt und legt sich letztlich mit diesen an, um seine große Liebe zu retten. In beiden Fällen ist der Soundtrack integraler Bestandteil der Handlung. Refn lagerte die Emotionen seines nie die Miene verziehenden Protagonisten in basslastigen Synthiepop aus; Edgar Wright („Shaun Of The Dead“) macht die Mucke zur Grundvoraussetzung für die Funktionsfähigkeit seines Helden.
Die Grundidee von „Baby Driver“ ist folgende: Den besten Fluchtwagenfahrer der Welt plagt seit einem Unfall in seiner Kindheit ein Tinnitus. Der Bursche therapiert sich selbst mittels Dauerbeschallung durch seine Kopfhörer und lebt im Takt der Musik. Die Songs sind die pulsierende Hauptschlagader des Films – vom Titel (bei Simon & Garfunkel entlehnt) über die Dialoge (Wie viele Lieder wurden Mädels namens Debora gewidmet?) bis hin zu den fetten Beats der Verfolgungsjagden (Highlight: „Hocus Pocus“ von Focus). Wright feilte seit Mitte der 90er an dem Konzept und bastelte daraus auch das Musikvideo für Mint Royales „Blue Song“, das in „Baby Driver“ kurz über die Leinwand flimmert.
Der Plot des Streifens ist Gangster-Movie-Standardrepertoire: Baby (Ansel Elgort) arbeitet als Fluchtwagenfahrer für den Schurken Doc (Kevin Spacey), der den begabten Knaben nach zahlreichen gelungenen Coups nicht aus seinen Diensten entlassen will. Gewissensbisse ob der Opfer der Raubzüge und frisches Liebesglück mit Kellnerin Debora (Lily James) veranlassen Baby zur Gehorsamsverweigerung. Als Docs Handlanger Buddy (Jon Hamm) und Bats (Jamie Foxx) davon Wind kriegen, setzen sie bei Baby die Daumenschrauben an.
Edgar Wrights Filme zeichnen sich vor allem durch das kreativ-humorvolle Abwatschen populärer Filmkonventionen aus. „Baby Driver“ enttäuscht in dieser Hinsicht zwar nicht, wirkt im Vergleich zu den früheren Arbeiten des Regisseurs und Drehbuchautors aber etwas klobig und unnahbar. Hauptsächlich liegt das an Babys Antagonisten: Sehenswert sind die raubeinigen Bösewichte allemal, aber zu beliebig in den Plot gestreut. Im Rahmen der Handlung macht das Sinn (Doc arbeitet nie zweimal mit der gleichen Crew), würgt ein Mitfiebern aber zügig ab. Übrig bleibt rasantes Entertainment mit viel Witz und vielfältigem Soundtrack, Kultstatus wird „Baby Driver“ aber nur schwer erreichen können.
„Baby Driver“ läuft am 28. Juli 2017 in den österreichischen Kinos an.