Auf »Niente« entscheiden sich Wanda gegen ihre größte Waffe, die Hymne. Kann das gut gehen?
Nicht die Lederjacken, nicht die Austropop-Masche, nicht die Bühnenshow und auch nicht ihre klischeehafte Überheblichkeit haben Wanda groß gemacht, sondern die fast schon unerträgliche Eingängigkeit des Refrains. Wanda haben Hymne, so wie Böhmermann Polizei; Amore wurde zum Lebensgefühl, Bussi zur Parole und selbst unscheinbare Zahlen waren auf einmal in Pathos getränkt. Auch auf »Niente« wird wieder fleißig gezählt, doch statt »1, 2, 3, 4« heißt es nun »0043«. Wer sich schon den Reim drauf gemacht hat – Adabei, letzter Schrei, oder zumindest Frühstücksei – muss jetzt ganz stark sein. Die erste Single kommt ganz ohne aus, »Traurig-schöne Kindheit in 0043« ist mehr Gesamtkonzept als Chorus, die Struktur des Songs, die hohen Vocals, die Stimmung – alles äußerst untypisch für Wanda. Die Wiener Bubenband hat auf »Niente« ihr aufreizendes Hüftkreisen größtenteils gegen Kontemplationen über die Kindheit und Nostalgiemelancholie als Zeichen des Erwachsenwerdens eingetauscht.
Im Limbo der Belanglosigkeit
»0043« ist ein großartiger und programmatischer Song, der aber ob seiner Unmitschunkelbarkeit bei eingefleischten Fans eher weniger anzukommen scheint, sieht man sich Kommentare oder Spotify-Streams an. Diese Menschen werden es auch mit »Niente« im Ganzen schwer haben; jene, die sich »Wanda neu« wünschen aber auch. »Niente« macht Verletzlichkeit zwar nicht mehr nur zum im Alkohol zu ertränkenden Topos, bietet aber auch noch keine ausgeklügelte Alternative zum besseren Kinderlied an. Die komplexeren Inhalte finden selten eine musikalische Entsprechung. Zu oft verliert sich Wandas dritter Longplayer im Limbo der Belanglosigkeit, weil er sich nicht zwischen textlichem Tiefgang und musikalischer Niederschwelligkeit entscheiden kann – die Lücke, die durch das Wegfallen der Hymne entsteht, wird also nicht gefüllt.
Songs wie der Opener »Weiter, weiter« oder die zweite Singleauskopplung »Columbo« sind vergessen, bevor man sie noch zu Ende gehört hat. »Wenn du schläfst«, »Das Ende der Kindheit« oder auch »Einfacher Bua« haben großes Potenzial, hätten aber ein Fünkchen mehr Mut vertragen. Bei »Lascia mi fare« kann man zum ersten Mal mitgrölen und das sogar auf Italienisch – kitschig, aber ist schon recht so. Insgesamt beweisen Wanda mit »Niente«, dass sie spannende Ideen haben können. »0043« ist dafür das beste Beispiel. Doch ob diese Richtung – selbst wenn gut umgesetzt – Leuten gefallen wird, die »Bussi Baby« für eine Offenbarung halten, ist sehr fraglich.
»Niente« von Wanda erscheint am 6. Oktober 2017 bei Vertigo. Live zu sehen ist die Band beim Bergfestival von 8. bis 10. Dezember in Saalbach Hinterglemm, am 7. April 2018 in Wien (Stadthalle), am 14. April in Innsbruck (Dogana) und am 19. Mai in Graz (Kasematten).
Update: Das Konzert am 19. Mai 2018 in Graz ist mittlerweile ausverkauft. Es gibt aber einen Zusatztermin am 18. Mai.