Experimente mit Superlativen – Jon Hopkins »Singularity«

Ein Spiel der Gegensätze und Superlative: die Musik von Jon Hopkins beruhigt und wühlt gleichzeitig auf. 

© Steve Gullick

Zerstörerische Energie und zerbrechliche Schönheit: Jon Hopkins experimentiert mit Superlativen, mit Gegensätzen und den Spannungsfeldern dazwischen. Über 15 Jahre lang habe er das Album mit sich im Kopf herumgetragen, sagt der britische Produzent: »Singularity«, ein musikalisches Universum in dem alles möglich ist.

Cinematisch anmutende Klanglandschaften, schwerelos umschwebt von glasdünnen Chorälen, gipfeln im Titeltrack »Singularity« sowie der bereits veröffentlichten Single »Emerald Rush« in gewaltigen Peaks. Aus einem sanften Pulsieren wird schnell ein brachiales Tosen, alles läuft aus dem Ruder, droht zu explodieren. Im nächsten Augenblick wird diese unendliche Energie wieder gezügelt, in geordnete Bahnen gelenkt, die Kraft nach vorne gebündelt – mühelos hält eine fragile Pianomelodie der kolossalen Wucht stand, die gerade noch wild um sich geschlagen hat. Dieses Spiel der Gegensätze ist es, das Jon Hopkins beherrscht wie wenige andere. Seine Musik beruhigt und wühlt gleichzeitig auf, umhüllt warm und weich, überfordert im selben Moment.

Dieses Konzept hat Jon Hopkinsauf seinem letzten Album »Immunity« perfektioniert. »Singularity« knüpft klar dort an, und ist auch in der Umsetzung stark an das 2013 erschienene Vorgängeralbum angelehnt: viele Sounds sind eindeutige Referenzen an Tracks wie »Open Eye Signal« und »Collider«, oft wird auf bewährte Stilmittel wie unerwartete Tempowechsel oder bewusstes Übersteuern zurückgegriffen, überhaupt gleicht sich die Ästhethik der beidenAlben in ihrer Gesamtheit. Ausreißer in alle Richtungen gibt es dabei auch: auf »Luminous Beings«, einem Track mit Laufzeit von fast zwölf Minuten, zeigt Jon Hopkins auf halbem Weg keine Berührungsängste mit der locker-flockigen Welt der Mittelmäßigkeit. Darüber rettet dann auch der nächste und letzte Track »Recovery« nicht ganz, der die klassische Klavierausbildung des Produzenten widerspiegelt.

»Singularity« ist in sich sehr stimmig, eine solide Umsetzung eines bewährten Konzepts, ein guter Einstieg in die Musik von Jon Hopkins. Gemessen am hohen Maßstab des vorigen Albums vermisst man leider die gewohnte Rigorosität und Kompromisslosigkeit, letzten Endes vor allem aber die Innovation.

»Singularity« erscheint am 4. Mai via Domino Records. 

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