Im vergangenen Halbjahr wurde mit »Unten« eine Venue für Experimente rund um Clubkultur geschaffen, nun bekommt Linz ein vom Buzzword »Digitalisierung« geprägtes neues Festival. Hinter der Kuratierung steckt Markus Reindl, der seit Jahren die Linzer Szene prägt.
Knapp sechs Monate ist es her, dass Markus Reindl zum Kurator des neu ins Leben gerufenen Stream Festivals in Linz bestellt wurde, das künftig alle zwei Jahre stattfinden soll und thematisch gewissermaßen eine Brücke zum im Herbst stattfindenden Ars Electronica Festival schlägt. Im Gegensatz zum Linzfest, das ebenfalls von der Stadt finanziert wurde, aber musikalisch viel breiter aufgestellt war, will man sich mehr auf digitale Musik konzentrieren. Als Reindl vom Kulturquartier zur Stadt wechselte, hatte der von ihm in Zusammenarbeit mit Julia Ransmayr und Clemens Bauder konzipierte Pop-Up-Club »Unten« gerade erst aufgesperrt, die Vorbereitungszeit für das Festival war kurz, die Arbeit nebenbei nicht gerade wenig. Trotzdem wirkt er fast entspannt und durchaus zufrieden, wenn er über seine Arbeit spricht. Dass Projekte wie die beiden genannten trotz der politischen Veränderungen im Bundesland, die die Kulturszene in Oberösterreich andernorts fast ausbluten lassen, überhaupt umsetzbar sind, wirkt zunächst überraschend und hängt wohl nicht zuletzt auch an seiner Person.
Vorarbeit für Clubkultur
»Markus ist ein Mensch, der ein Ziel vor Augen hat, lange bevor irgendjemand weiß, ob man es überhaupt erreichen kann. Es hatte niemand geplant, dass das Solaris ein Club wird, aber er hat glaube ich schon lange vorher gewusst, was möglich ist und die Weichen gestellt«, erzählt Klara Pötscher, langjährige Mitarbeiterin im Solaris, die von Reindl später das Booking in der Bar im Offenen Kulturhaus übernahm. Dass ein Projekt wie »Unten« umgesetzt werden konnte, hängt stark mit der langjährigen Zusammenarbeit zwischen Reindl und dem Kulturquartier und letztendlich auch mit dem Erfolg des Solaris zusammen.
»Dass Unten in der Form funktioniert hat, geht eigentlich auf zehn Jahre Arbeit zurück. In einer öffentlichen Einrichtung Clubkultur zu etablieren, funktioniert nur, wenn man immer wieder erklärt, dranbleibt und hart arbeitet«, erklärt Reindl. Während seines Studiums an der Linzer Kunstuniversität profitierte er gewissermaßen von einer Linz-Freistadt-Kulturconnection, denn die BetreiberInnen der Local Bühne Freistadt, für die er recht früh viele Veranstaltungen organisierte, haben auch die Geschäftsführung im Programmkino Moviemento inne, das wiederum Teil des Linzer Kulturquartiers ist. Mit diesem Startbonus begann er ganz langsam und vorsichtig, Clubkultur in einer öffentlichen Einrichtung zu etablieren und bekam immer mehr Freiräume. Den Grundstein legte dabei das Solaris, das sich zum Kleinod für Freunde elektronischer Musik in Linz entwickelte und zu einem fixen Bestandteil der Linzer Fortgehszene wurde, der von Anfang an solch einen Andrang fand, dass man sich zunächst arrangieren musste. »Der Raum war eigentlich nie für einen clubähnlichen Betrieb ausgelegt. Wir haben dieses kleine Café innerhalb weniger Monate fast zum Einstürzen gebracht«, erinnert sich Reindl. Gemeinsam mit Florian Hackl bekam er mehr oder weniger freie Hand, was die Bespielung des Solaris betrifft, und das ambitionierte DJ-Line-up brachte dem Lokal schnell mehr Zuspruch als gedacht. Nach kurzer Zeit wurde das erste Mal nachgebessert, irgendwann eine größere und für eine Bar eigentlich überdimensionierte Anlage eingebaut. Beliebt war das Lokal nicht nur bei den Gästen, sondern auch bei DJs in ganz Österreich, obwohl man bei den Gagen mit größeren Clubs nur schwer mithalten konnte. Die Idee: Wenn sich die MusikerInnen wohl fühlen, fühlen sich auch die Gäste wohl. »Florian Hackl, der Barchef, und ich haben entschieden, dass es einfach kein Getränkelimit gibt. Das hat ganz gut funktioniert und uns einen gewissen Ruf beschert«, erklärt Reindl lachend. Dass elektronische Tanzmusik im Museumskontext gut funktioniert, war schnell klar – rund zwei Jahre später übernahm Reindl die Kuratierung der Veranstaltungsreihe »La’Do«, bei dem sich Museums- und Clubpublikum am letzten Donnerstag im Monat näherkommen können. Während der Museumsbetrieb bis kurz vor Mitternacht geöffnet bleibt, laden ein Club-Talk und eine DJ-Line am Mediendeck im obersten Stockwerk zur theoretischen und praktischen Auseinandersetzung mit Clubkultur ein.
Verdientes Privileg
Eine solche Auseinandersetzung erfolgte im letzten halben Jahr im Rahmen von »Unten«, einem Konzeptclub, der jedes Wochenende ein nicht nur für Linzer Verhältnisse ansehnliches Musik- und Performance-Programm bot. »Ich hatte im Vergleich zu einem kommerziellen Betrieb eine extreme Freiheit. Unten war praktisch vom Land Oberösterreich veranstaltet – das ist schon sehr privilegiert und würde in der Form, wenn wir heute starten würden, auch nicht funktionieren«, erklärt Reindl. Das Wort »Privileg« fällt in der Unterhaltung nicht selten und auch wenn er immer wieder betont, dass viel Überzeugungsarbeit hinter seinen Projekten steht, relativiert er immer wieder, dass auch andere hart arbeiten und mehr Anerkennung verdienen würden, aber die Situation im Kulturbereich eben schwierig sei.
Man merkt ihm an, dass seine Position keine ganz einfache ist und er sich wahrscheinlich in der oberösterreichischen Kulturszene durch seinen Erfolg nicht nur Freunde gemacht hat. Dabei stammt Reindl selbst aus der freien Kulturszene in Freistadt, wo er seine Leidenschaft für elektronische Musik früh ausleben konnte. Mit 12 begann er im Kulturverein mit ersten Gehversuchen als DJ, mit 17 organisierte er die ersten Veranstaltungen für einen Kulturverein in Freistadt, später bespielte er als DJ Aka Tell und mit der Elektro-Band A.G.-Trio (später Ages) zahlreiche österreichische Bühnen und betrieb mit »Etage Noir Special« einen Elektro-Ableger von Parov Stelars Eigenlabel. Für die Musik zog es ihn letztlich auch nach Wien, dabei hatte er aber immer eine gewisse Liebe für die oberösterreichische Hauptstadt, wie er erzählt: »Ich hatte immer eine enge Verbindung zu Linz. Die Weggeh-Szene ist viel persönlicher und es gibt mit der Kapu oder der Stadtwerkstatt eine unglaublich starke freie Szene. Man kann mit den Leuten viel machen, die lassen sich auf etwas ein, auch auf experimentelle Sachen. Das funktioniert in Wien auch, aber vielleicht eher über die Masse.« Gemeinsam mit Freund und DJ Jakob Bouchal rief er von Wien aus die Veranstaltungsreihe »Lost in Linz« im Solaris ins Leben, als »eine Art Fremdenverkehrswerbung für das Fortgehen in Linz«, wie er lachend erklärt.
Werbung für Linz musste er auch bei seinem jüngsten Projekt, dem Stream Festival, machen. Als Reindl seinen Job als fixer Kurator im Kulturquartier aufgab und zum von der Stadt organisierten Stream Festival wechselte, war noch sehr wenig auf Schiene, und das Line-Up für ein gänzlich neues Festival in nicht ganz sechs Monaten zu fixieren durchaus eine Herausforderung, wie er zugibt. Einerseits aufgrund des kurzen Zeithorizonts, andererseits weil die ein oder andere angefragte Band per se nicht spielen wollte, wie Reindl erzählt: »Es gab Musiker, die lieber einen Tag zwischen ihren Konzerten frei haben wollten, als bei uns zu spielen. Da ging es nicht mal ums Geld.« Mittlerweile sind Diskurs- und Musikprogramm fixiert, neben den beiden Bühnen auf der Donaulände wird gefühlt jede kleine und größere bespielbare Location der Stadt Teil des Festivals, und auch »Unten« wird ein letztes Mal seine Türen öffnen. Das Konzept für ein Stadtfestival, das neben einem Konzertteil auch eine Diskurs- und eine Clubreihe bietet, hatte Reindl schon länger im Kopf, nicht zuletzt »weil Linz sehr viel Potential hat, das oft übersehen wird«, wie Reindl abermals erwähnt. Genau dieses Potential will er nun in drei Tagen zeigen und den ein oder anderen dazu einladen, sich in der nicht großen, aber durchaus großartigen Hauptstadt nebst elektronischer Musik zu verlieren.
Das Stream Festival findet von 31. Mai bis 2. Juni in verschiedenen Locations in Linz statt, im Rahmen dessen öffnet auch der Pop-Up-Club »Unten« für einen Abend wieder seine Türen. Einen Überblick über das vielfältige Programm gibt es hier.