Fritz Ofner und Co-Regisseurin Eva Hausberger verfolgen in ihrem neuen Dokumentarfilm »Weapon Of Choice« die Spuren der Waffen – von der Produktion bis hin zu den unterschiedlichen AnwenderInnen. The Gap hat den Filmemacher zum Gespräch getroffen.
Feel-good-Themen sind das Seine nicht – bislang zumindest. Dokumentarfilmer Fritz Ofner geht meist dorthin, wo Krieg, Gewalt und Krisen herrschen. In Filmen wie etwa »Evolution Of Violence«, »Libya Hurra« oder »Walking With Cecilia« setzte er sich mit eben jenen Themen auseinander – mit präzisem Blick (Ofner ist studierter Kulturanthropologe) und dem Willen, durch die Zurschaustellung einzelner Biografien große Strukturen sowie gesellschaftliche Veränderungen abzubilden. Im neuen Dokumentarfilm »Weapon Of Choice« gibt er nun – gemeinsam mit Co-Regisseurin Eva Hausberger – einen Einblick in die Welt der (internationalen) Waffenproduktion, an der auch Österreich stärker beteiligt ist, als man vermuten möchte. Zeit für ein Gespräch.
Denkt man an Gewalt und Waffen, denkt man automatisch auch an die USA, aber wohl weniger an Österreich. Wie bist du auf das Thema – vor allem im Bezug auf Österreich – gekommen? Gab es einen ausschlaggebenden Grund, der dein Interesse geweckt hat?
Ich bin Hip-Hop-Fan und wurde in den 1990er-Jahren mit amerikanischem Gangster-Rap sozialisiert. Glock ist eine der häufigsten Marketing-Namen in den Billboard-Charts, weil Glock über den Rap zu einem Synonym für Faustfeuerwaffen wurde. Als ich angefangen habe, Hip-Hop zu hören, war mir dieser Zusammenhang nicht bewusst.
Erst später, als ich für andere Filmprojekte in Kriegs- und Krisengebiete gereist bin, bin ich immer wieder auf diesen Mythos Glock gestoßen. Die Leute haben mich immer auf Glock angesprochen. Wenn ich dann zurück nach Österreich gekommen bin, war ich erstaunt, wie wenig hier darüber bekannt ist. Das hat mich natürlich neugierig gemacht und ich habe zu recherchieren begonnen, wie es passieren konnte, dass ein kleiner österreichischer Familienbetrieb zu einem Global Player der Rüstungsindustrie wird – ohne dass es die österreichische Öffentlichkeit wahrnimmt.
Der Film wird von dir als »investigativer Essay« beschrieben. Wie ist das zu verstehen?
Das Projekt war von Anfang an als investigativer Essay angelegt, ja. Dies ist ja auf den ersten Blick eine Quadratur des Kreises, weil investigativ bedeutet, sehr faktisch und journalistisch zu arbeiten, während Essays assoziativ und offen sind. Für diesen Film wollte ich eben beide Ebenen verbinden: Die investigativen Elemente sind die, die immer ganz nah an der Waffe dran sind. Es war ebenso ein Storytelling-Experiment: Welche Geschichten und welche Zusammenhänge kann man alle über diese schwarze Plastikpistole aus Österreich erzählen? Und assoziativ war es natürlich auch deshalb, weil sich über diese Pistole ganz große Zusammenhänge erzählen lassen.
Im dritten Teil des Films geht es um die ganzen geschichtlichen und politischen Hintergründe, durch die die Firma Glock zu jenem Global Player geworden ist, der sie heute eben ist. Ich wollte diese ganze Bewegung – von 9/11 über den War on Terror, Kriege im Irak und Afghanistan bis hin zum IS – über die Glock erzählen und schauen, wo die Pistole überall vorkommt. Das ist sehr assoziativ. Andere Teile des Films – wie zum Beispiel die über die Hintergründe der Firma Glock – sind wiederum sehr investigativ.
War es das erste Mal, dass du so gearbeitet hast?
Ja, das war auch mitunter der Grund, wieso der Schnitt so lange gedauert hat. Um diese beiden Pole zu vereinen, hat es eben sehr, sehr viele Schnittfassungen gebraucht. Ich habe mit Gerhard Daurer und Karina Ressler, zwei sehr guten Cuttern, zusammengearbeitet. Im Endeffekt war es dann die Version 50, die wir herzeigen konnten. Die Versionen eins bis 49 haben nicht funktioniert. Es war ein sehr schwieriger Prozess, der insgesamt zwei Jahre gedauert hat.
Was waren die weiteren Herausforderungen beim Dreh?
Eine große Herausforderung war natürlich die Recherche. Wir haben sehr viel in den USA und im Irak gedreht, in gewissen Milieus und mit ProtagonistInnen, die sonst sehr kamerascheu sind. Es hat sehr viel Zeit gebraucht, diese Leute zu finden, ihr Vertrauen zu gewinnen und eben ein Verständnis für das soziale Milieu zu bekommen, in dem sie sich bewegen, um sie dann porträtieren zu können, um ihre Lebensrealität und ebenso die Bedeutung, mit der sie diese Waffe aufladen, zu verstehen.
Wie ist es dir als Filmemacher gelungen, deinen ProtagonistInnen so nah zu kommen und diese so frei über kontroverse Themen sprechen zu lassen?
Ich erzähle das am besten am Beispiel des Soldaten, der Saddam Hussein festgenommen und dessen Glock an sich genommen hat. Da war es so: Ich fand im Zuge der Recherche heraus, dass George W. Bush Saddam Husseins Glock eingerahmt im Weißen Haus hängen hatte. Ich dachte sofort, dass ich sehr gerne mit dem Soldaten sprechen möchte, der Hussein festgenommen hatte. Ich recherchierte weiter und stieß auf einen Artikel in der Washington Post, in dem es darum ging, wie schlecht Amerika mit seinen Veteranen umgeht – am Beispiel dieses Soldaten. Dazu war ein Video verlinkt, in dem man sieht, wie der Soldat über eine Straße geht. Ich konnte diese Straße schlussendlich in der Bronx lokalisieren, und anschließend bin ich mit meiner Co-Regisseurin Eva Hausberger von Tür zu Tür gegangen und wir haben alle gefragt, ob sie nicht diesen war hero kennen. Das ist dort eine ziemlich toughe Gegend – ähnlich wie in »The Wire«. Nach einer Weile sind wir schlussendlich auf einen Mann gestoßen, der den Vater des gesuchten Mannes kannte. Wir haben ihm einen Zettel hinterlassen und ein paar Tage später hat er sich bei uns gemeldet. Danach hat es noch eine Weile gedauert, bis wir mit ihm reden konnten, bis er bereit war, seine Geschichte vor der Kamera zu erzählen.
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