»Mehr als eine Million Waffen sind in Österreich im Privatbesitz!« – Fritz Ofner im Interview zu »Weapon Of Choice«

Sie sind weltweit im Einsatz – und werden in Österreich produziert: Glock-Pistolen. Für ihren beklemmenden Dokumentarfilm »Weapon Of Choice« gingen Eva Hausberger und Fritz Ofner dem Exportschlager und »Mythos Glock« nach und fanden Gangster, Irak-Soldaten und ein Unternehmen, das mit dem Anwalt drohte.

© Polyfilm

Österreich und sein Waffenexport. Ein brisantes Thema. Was war euer Antrieb, den Film zu machen?

Ich war für andere Filmprojekte immer wieder in Kriegs- und Krisengebieten unterwegs, und überall stieß ich auf den Mythos der aus Österreich stammenden Glock-Pistole. Egal ob in Syrien, Guatemala oder den USA – Glock gilt als Synonym für die moderne Pistole. Zurück in Österreich war ich dann überrascht, wie wenig hierzulande über dieses Unternehmen bekannt war. Österreich ist doch sonst auf jeden seiner Beiträge zum Weltgeschehen über die Maßen stolz. Schnell erkannte ich, dass dieses Schweigen Methode hat.

Fritz Ofner, der den Film gemeinsam mit Eva Hausberger realisierte, stellte sich unseren Fragen. Es ist sein dritter Dokumentarfilm, mit dem er den Wurzeln der Gewalt nachgeht. © Polyfilm

Man ist natürlich geneigt, die Herstellerfirma und den Menschen dahinter oder grundsätzlich Waffenherstellung und -export zu verteufeln. Welche Kritik wollt ihr mit dem Film ausüben?

Ziel dieses Filmes ist es, Bewusstsein über Österreichs Rolle im internationalen Waffenhandel zu schaffen. Jedes Jahr werden über eine Million Glock-Pistolen in die ganze Welt geliefert. Das Unternehmen beschäftigt hierzulande hunderte Mitarbeiter. Die Waffen werden aber vornehmlich außerhalb unserer Wahrnehmung eingesetzt. Es stellt sich die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung.

Im Presseheft wird der Film mit den Worten »A dark trail of power, money, violence and politics« umschrieben. Das klingt düster und nach einem Filmprojekt, das nicht einfach und womöglich auch gefährlich zu realisieren ist.

Über die Jahre ging die Firma Glock gegen kritische Journalisten und NGOs mit allen möglichen Rechtsmitteln vor, und so haben sie es geschafft, die Firma aus dem öffentlichen Bewusstsein zu halten. Die große Herausforderung war es, einen Film über eine Firma zu machen, die dermaßen die Öffentlichkeit scheut. Wir stellten eine Interviewanfrage an das Unternehmen, geantwortet hat uns ein Anwalt, der gleich mit rechtlichen Konsequenzen drohte.

In einem Interview sagt ihr, dass es euch gegenüber in den digitalen Kanälen auch schon Anfeindungen gab. Spürt ihr, so kurz vor dem Kinostart, auch Gegenwind?

Ich war selbst überrascht, wie viele Waffenfanatiker es in Österreich und in Deutschland gibt. Der Film wird in den Online-Foren angefeindet, hauptsächlich eben von Waffenfans – ohne, dass sie den Film gesehen haben. Das Thema Waffenbesitz polarisiert nicht nur in den USA, sondern immer mehr auch hier. Das bekommen wir schon zu spüren.

Die Pistole, die Saddam Hussein bei sich trug, als er festgenommen wurde: eine Glock. © Polyfilm

Im Film sprecht ihr mit ehemaligen Soldaten, mit Menschen aus dem Gangster-Milieu, mit Glock-Mitarbeitern, die im Gefängnis landeten, … Wie habt ihr diese Menschen gefunden und dazu bewegen können, dass sie euch ihre Geschichten erzählen?

Wir haben fünf Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Wenn man z. B. die Sequenzen mit dem Soldaten Jeans Cruz, der Saddam Hussein festnahm und seine Glock-Pistole an George Bush weitergab, nun im Film betrachtet, dann könnte man annehmen, wir hätten an einem Abend und an einem Vormittag gedreht. Tatsächlich haben wir fast zwei Monate in New York verbracht, zunächst, um ihn zu finden. Dann haben wir mit ihm und seiner Familie viel Zeit verbracht.

Wir legen großen Wert darauf, die Menschen, die wir im Film haben, kennenzulernen, bevor wir die Kamera auspacken. Das tun wir meist erst, wenn wir wiederkommen, und dann ist für den Dreh auch ein Vertrauensverhältnis gegeben. Ähnlich sind wir in Chicago vorgegangen, wo Derick, der Gangster, mit uns gesprochen hat und wo ein Kind erschossen worden ist.

Ist der Status von und Umgang mit Waffen in allen Ländern ähnlich? Wie waren da eure Erfahrungen?

Die USA sind der größte Waffenmarkt der Welt, deswegen spielt auch ein großer Teil von »Weapon Of Choice« dort. Waffen sind in manchen Teilen der USA derart präsent – eine ähnliche Begeisterung für Waffen habe ich sonst nur in den Stammesgebieten Pakistans und in Teilen des Jemens gesehen. Was mich aber überrascht hat, ist wie viele Waffen in Österreich im Umlauf sind: mehr als eine Million Waffen im Privatbesitz!

Die Glock als Kultobjekt im amerikanischen Hip-Hop – am Beispiel Wu-Tang Clan.

Gewalt ist auch in deinen vorherigen Filmen Thema und du gehst ihr im Irak, in Guatemala und Libyen nach. Du bist studierter Journalist und Kulturanthropologe. Was interessiert dich an dem Thema und warum beschäftigst du dich mit ihm filmisch?

Dorthin zu schauen, wo gerne weggeschaut wird, ist sicherlich ein Grundmotiv meiner filmischen Arbeiten. Ich mache immer dann Filme, wenn mich selbst eine Frage tief beschäftigt. Der filmische Prozess ist der Versuch, Antworten zu finden. Meine Filme sind nie so angelegt, dass sie am Ende eine eindeutige Aussage transportieren, sondern sie gehen vielmehr von einer Fragestellung aus, aus der sich ein multiperspektivisches Bild ergibt. Alle drei Filme – »Evolution der Gewalt«, »Libya Hurra«und »Weapon Of Choice«– haben das Grundthema der Gewalt. Einmal ist es die Gewalt in einem bestimmten Land, einmal ein bewaffneter Aufstand, einmal eine Waffe, die in Österreich produziert, meist anderswo abgefeuert wird. Für mich kommt mit »Weapon Of Choice« nun eine Trilogie von Filmen zum Abschluss, die die Frage nach den Wurzeln der Gewalt zum Kernthema hatte und in denen ich in drei verschiedenen Zusammenhängen nach Antworten suche.

»Weapon Of Choice« © Polyfilm

»Weapon Of Choice« läuft ab 28. September 2018 in den öcterreichischen Kinos. Unsere Coverstory zur Rolle der Glock in der Popkultur aus dem Jahr 2012 könnt ihr hier nachlesen.

Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.

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