Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.
Gregor EsKa – »Ein fliegender Mann«
Der Bildende Künstler und Musiker Gregor Esra Sauer alias Gregor EsKa, eigentlich ein Kärntner, der nach langen Jahren in Berlin nun vom tiefsten Bayern aus werkt, dürfte aufmerksamen BeobachterInnen der heimischen Popmusik spätestens mit seinem eigenwilligen Band-Projekt Kartenhauskörper aufgefallen sein. Auf dem empfehlenswerten Label Sarah Bart Records, das von seinem Bruder Paul Ruben – der in den letzten Jahren mit Piano-Pop reüssieren konnte – geführt wird, erscheint nun das Solo-Debüt »Ein fliegender Mann«. Auf acht Stücken, von denen die Mehrheit um die 6-Minuten-Marke kreisen, zelebriert EsKa die Naheverhältnisse von Folk und Indie-Pop, die Gitarre wird gestreichelt, die Musik ist getragen, still und entschleunigt, woanders sagen sie auch »Zeitlupen-Pop« dazu. Man muss zwar Geduld aufbringen, tief hinein lauschen in diese Kleinode, das lohnt sich aber bei jeder einzelnen Nummer: Schließlich strahlen sie eine unheimliche Intimität aus, die unter die Haut geht.
»Ein fliegender Mann« von Gregor EsKa erscheint am 21. April 2021 via Sarah Bart Records. Anberaumte Termine: 14.5. Kunstmuseum Fresach, 15.5. Rhiz Wien.
International Music – »Ententraum«
Die Essener waren 2018 so etwas wie das Ding des Jahres: Ihr Debütalbum, lustigerweise »Die besten Jahre« benannt, war ein Must-Listen für alle, die es mit alternativer Musik zu halten scheinen. Jahresbestenlisten, das ganze Pipapo. Auch das in der Zwischenzeit veröffentlichte »Nenn mich Musik« der Düsseldorf Düsterboys, der Zweitband der Masterminds Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti, fand eine sehr treue HörerInnenschaft im gesamten deutschsprachigen Raum. Der Hype um »Ententraum«, das zweite Album unter dem Namen International Music – hier ist man zu dritt mit Schlagzeuger Joel Roters –, ist dementsprechend hoch, ähnlich wie die Erwartung: Aber, was soll man sagen? International Music liefern. Im gewohnten Harmoniegesang, der mittlerweile auch schon einige Nachahmer auf den Plan rief, geht es zu schwungvoller Gitarrenmusik – manche würden hier Psychedelic, Punk, Krautrock erkennen, historisch Interessierte wieder 60s-Pop, 80s-New Wave, manche würden es einfach »Pop« nennen – auf gleich 17 Nummern und 64 Minuten, die allesamt bockstark sind, ans Eingemachte. Und ja, auch eine Ente spielt eine Rolle, wie der Humor im Allgemeinen allgegenwärtig ist, die Sprachverliebtheit ist ansteckend. Wer jetzt schon beginnt, Alben für die Bestenlisten 2021 zu sammeln, sollte »Ententraum« auf jeden Fall fett mit Textmarker anstreichen. Eine Klasse für sich!
»Ententraum« von International Music erscheint am 23. April 2021 via Staatsakt. Tourdaten stehen noch aus.
Danger Dan – »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt«
Rapper sind an dieser Stelle recht selten gesät, der Zusatz, den Antilope Danger Dan an seinen neuesten Solo-Wurf »Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt« steckt, macht ihn aber auch für andere Zielgruppen interessiert: »Das unerwartete Klavieralbum« nämlich. Gesang, Klavier und ab und an ein paar Streicher oder ein einzelnes Akkordeon bilden das ungewohnte Klangbild, die Texte, und sind wir uns ehrlich, besonders bei Klavieralben geht es darum, sind aber große Kunst: Neben Dramen, Lieder über die Banalitäten des Seins und Liebesliedern gibt es vor allem auch antifaschistische Hymnen, wobei vor allem das Titellied für gehöriges Aufsehen in der deutschen Medienlandschaft gesorgt hat: In einem höchstnotwendigen und -dringenden verbalen Rundumschlag gegen Verschwörungstheoretiker, alte und neue Rechte, gegen die Polizei und den Verfassungsschutz, gegen alle, die nichts unternehmen gegen die braune Scheiße. Gerechterweise rechtfertigt sich Danger Dan – der Name ist auch beim hundertsten Lesen ein Traum – dann mit der Kunstfreiheit. Damit dreht so den Spieß und rammt ihn in den Rücken der Idioten.
»Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt. Das unerwartete Klavieralbum« von Danger Dan erscheint am 30.4.2021 via Antilopen Geldwäsche. Termine: 5.5. Odeon Theater, Wien (sehr cool!).
Minck – »Einsame Inseln«
Der Kölner Songwriter Oliver Minck ist ein echter Wetterfrosch: Sein minimalistisches Piano-Pop-Duo, das zwischen 2005 und 2012 vier Alben veröffentlichte, trug den schönen Namen Wolke, das zweite, eine Rockband, Die Sonne. Auch mit dem nun erscheinenden ersten Album unter eigenem Nachnamen stehen die Aussichten auf Heiteres: Locker-leicht klingen die Gitarren, der Beat groovt sommerlich über die leichtgängigen Melodien, die Texte handeln häufig vom Feiern des Jetzt: »Einsam können wir auch später sein«, heißt es etwa in »Heute«. Stimmt ja auch. Es ist dieser schwebende Pop-Ansatz, der »Einsame Inseln« so spannend macht, die Hypothese, das Glück im Naiven finden zu können. Es ist Album für einen guten Sommer, wo man auf Feste nur Spaß und gute Laune mitbringen soll. Wobei: »Einsame Inseln« von Minck reicht auch als Partygeschenk. Da ist die gute Laune ja quasi inklusive. Nur: Hergeben möchte man es eigentlich nicht.
»Einsame Inseln« von Minck erscheint am 30. April 2021 via Bauturm. Aktuell keine Österreich-Termine.
Mine – »Hinüber«
Die Berliner Songwriterin, Produzentin und Sängerin Mine hat den Lockdown gut genutzt. Aber nicht nur für sich selbst – das Nachdenken über »Hinüber«, das vierte Solo-Album, hat hauptsächlich während der ersten Lockdown-Phase stattgefunden –, auch für ihre Fans hat sie eine recht innovative Beschäftigungstherapie ausgedacht: Noch bevor sie die erste Single »Unfall« veröffentlichte, stellte Mine die Noten und Text auf einer Microsite bereit und lud ihre Fans dazu ein, ihre eigene Version zu gestalten. Am besten macht sie es aber im Endeffekt natürlich doch selbst und auch der Rest von »Hinüber« bietet das gewohnte Erlebnis: Souliger Elektro-Pop mit Message. Politik, Empathie, Liebe, das ganze Ding eben. Auch wenn bereits der Vorgänger »Klebstoff« den Sprung in die deutschen Top 30 geschafft hat, »Hinüber« dürfte definitiv ein Erfolg werden.
»Hinüber« von Mine erscheint am 30. April 2021 via Caroline. Österreich-Termin: 20.11. WUK Wien.
AUSSERDEM ERWÄHNENSWERT:
Zinn – »Zinn«
(VÖ: 16. April 2021)
Über die wunderbare Wiener Gruppe Zinn haben wir schon des Öfteren berichtet, in The Gap 183 war das Debüt-Album der drei Musikerinnen auch das Album der Ausgabe, damals gab’s die Höchstwertung 9/10. Der Veröffentlichungstermin wurde aus wohl bekannten Gründen recht kurzfristig verschoben und steht nun ab Mitte April aus Download und Vinyl zur Verfügung. Das sollte man unbedingt zuhause haben und bei jeder Gelegenheit auflegen.
Ja, Panik – » Die Gruppe«
(VÖ: 30. April 2021)
Das(!) Comeback des Jahres: Nach über sieben Jahren und schon geglaubter Auflösung erscheint das sechste Album der wohl besten österreichischen Band der letzten tausend Jahre und damit endlich ein Nachfolger zu »Libertatia«. Selbstverständlich finden Sie rund um den Release-Termin einigen Content auf thegap.at, hier sei es nur der Vollständigkeit halber erwähnt. Kleiner Spoiler: Es ist wieder sehr gut geworden, wenn auch ein wenig unerwartet.
Marathonmann – »Alles auf Null«
(VÖ: 9. April 2021)
Post-Hardcore und Live-Akustik-Album? Eigentlich zwar völlig unterschiedliche paar Schuhe, im Rahmen der Pandemie aber schon auch irgendwie logisch: Während des Sommers 2020 spielen die Münchner Marathonmann nämlich ein paar Akustik-Konzerte (wer pogt, kann ja keinen Abstand halten), die gut ankommen und nun auf Platte gepresst werden. Auch interessant: Es gibt eine auf 300 Stück limitierte Version, die ein halb-schwarzes und halb-silbernes Vinyl beinhaltet.