»Wiegenlied für den Nachtmahr« von Klaus Karlbauer bedeutet beklemmenden Sound, transportiert durch eine kreative Instrumentierung.
Denkt man an düster verzerrte, experimentelle elektronische Musik von Drone bis Noise, sind es eher Gitarren, Synthesizer oder Bässe, die durch eine Armada an Effektpedalen zu unrühmlichen Übersteuerungen getrieben werden. Zither oder Bassklarinette sind in dieser Assoziationskette für gewöhnlich wohl eher weiter hinten angesiedelt. Klaus Karlbauer verbindet auf dem Album »Wiegenlied für den Nachtmahr« eine ungewöhnliche Instrumentierung mit düsteren Klängen, was unerwartet gut funktioniert.
Nachtmahr ist eine mittlerweile veraltete Bezeichnung für ein Wesen, das heutzutage namensgebend für die eher düstere Seite des nächtlichen Kopfkinos steht. Im Albtraum – oder, Überraschung, nightmare – erscheint der Nachtmahr oft in düsterer Gestalt, um sich fesselnd auf der Brust paralysierter Träumer*innen niederzulassen. Das zehn relativ kurze Tracks umfassende Album hält diese Erwartung stabil. Mit dem Opener »My Rheingold« werden jedenfalls gleich zu Beginn alle Weichen auf Krach gestellt. In dieser Intensität weiterzumachen, wäre für Hörer*innen genauso eine Herausforderung, wie es für den Komponisten eine gewesen wäre. Denn um bei derartigen Fluten musikalischer Gewalt am Ball zu bleiben, müssen die Ideen herausragend sein.
Zarte Lichtschimmer in düsterer Verzerrung
Das Album kommt fast gänzlich ohne Stimme aus, fesselt aber dennoch. Lediglich die Schlussnummer »Orpheus’ Complaint« weist eine längere zusammenhängende Vokalpassage auf, die nach dem restlichen Stücken fast schon entbehrlich und ein bisschen kitschig wirkt. Teils haben die brachialen Gewitter zuvor nämlich eine beklemmende Wirkung, etwa beim unmissverständlich betitelten Track »Blood«. Angenehm sind dabei die zwischengelagerten Auflockerungen, die es erst möglich machen, diese Veröffentlichung im Ganzen durchzuhören, ohne sich in einem Wahnzustand wiederzufinden. Insgesamt ist die Reise durch das Album eine intensive und von Brüchen und Wechseln gekennzeichnete, die trotz mancher Filmmusik-Vibes den Eindruck hinterlässt, selten zuvor Vergleichbares gehört zu haben.
Das Album »Wiegenlied für den Nachtmahr« von Klaus Karlbauer ist soeben bei Karlbauer Records erschienen.