Wienerlied mit starkem Aber – Vereter und sein Debütalbum »Ihr seit alle«

Pete Prison IV aka Vereter verpasst dem Wienerlied einen längst überfälligen neuen Anstrich, der dem staubigen Gstanzl ausgezeichnet steht.

© Amela Ristić

Wien, du grausame Stadt. Seit Jahrhunderten wird zu minimalistischer instrumentaler Begleitung darüber sinniert, wie grindig, schiach, traurig, aber doch schen die Bundeshauptstadt mit all ihren verlorenen Seelen nicht sei. Auch 2025, ein Jahr in dem der liebe Augustin längst hin ist, wird das so sein. Jedoch wird in den gegenständlichen Interpretationen von Vereter radikal – und längst überfällig – die Perspektive gewechselt. Es ist nicht so, als würde Pete Prison IV, Wienerkind der zweiten Generation, das Rad neu erfinden. Für ein willkommenes Update muss das aber auch gar nicht sein.

Wienerlied entstaubt

Während das konventionelle Wienerlied eigentlich untragbare Zustände im Innen und Außen romantisiert, legt Vereter den Finger in die Wunde und weigert sich, diese einfach zuzudecken. Das Ergebnis ist eine musikgewordene lokalkolorierte Hassliebe, die aus ihrer queer-migrantischen Perspektive einlädt, die Stadt, ihre Bewohner*innen und Institutionen durch das ansonsten zwinkernde Auge nüchtern zu betrachten.

Typischerweise ist die Platte »Ihr seit alle« durchzogen von einer schweren Melancholie, die ab der ersten Nummer eine massive Gravitation entwickelt, weil sie am Ende doch Hoffnung transportiert, das Bein zum Mitwippen zwingt und dank Zeilen wie »Und dann nehmen’s an fest, wenn ma ka Topfng’sicht hat / Und net Müller oder Maier heißt oder Hildegard« einen Schmunzler sicher haben.

Aufgenommen wurden die Lieder mal völlig solo, mal mit Unterstützung seiner Begleitband Die Woarmen Semmeln. Ebenfalls auf seiner Seite hat Vereter das Timing des politischen Klimas. Nicht, dass dieses für Menschen außerhalb der Dominanzgesellschaft jemals wirklich gemäßigt gewesen wäre. Dennoch findet die abschließende Frage im »Gürtel Walzer« derzeit wohl eine Resonanz wie seit längerer Zeit nicht: »Wie lang schau ma zua?«

Vereter »Ihr seit alle« (Bild: Amela Ristić)

Das Album »Ihr seit alle« von Vereter erscheint am 21. März bei Unrecords. Live-Termine: 14. Februar, Wien, Einbaumöbel — 14. März, Wien, Reigen — 27. März, Graz, Café Wolf — 28. März, Bad Ischl, Kurdirektion — 29. März, Wien, Das Lot

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