Nach dem Verlust Peter Rehbergs finden sich Christina »Chra« Nemec und Christian Schachinger als Paradiso Infernal auf kompromisslosem Terrain wieder.
Das quasi-neue Duo Paradiso Infernal besteht aus Christina Nemec, bekannt als experimentelle Elektronikerin Chra oder als Teil des feministischen Performance-Quartetts SV Damenkraft, und Christian Schachinger, seines Zeichens wahlweise Indie- oder Noiserocker, Schlager-Coverer oder einfach der Mann, der sich im Standard-Feuilleton in regelmäßigen Abständen erlaubt, die musikalische Zumutbarkeit ganzer Generationen infrage zu stellen. Zuvor traten die beiden mit dem kürzlich verstorbenen Editions-Mego-Labelchef Peter Rehberg als Shampoo Boy in Erscheinung. Dementsprechend haftet dem vorliegenden Album etwas von einem wehmütigem Neuanfang an, was an dieser Stelle völlig wertfrei zu verstehen ist.
Geduld zahlt sich aus
Anfänglich erinnert die Platte an ein Sich-Finden im Proberaum, nachdem alle ihre Wackelkontakte ausfindig gemacht und eliminiert haben. Wobei, einige dürfte es im neblig aufziehenden Klanggewitter schon noch geben, ohne dass sie stören würden. Bald zeigt sich, dass dieses Album – beabsichtigterweise – keines ist, das man sich auflegt, um einander hinter klapperndem Kaffeeservice die Erlebnisse des vergangenen Lockdowns mitzuteilen. »Lack«, der erste Zehnminüter, lädt ein in eine tiefe Höhle, aus der Unheilbringendes ertönt. Him zum albumbestimmenden letzten Track »Frosthart«, der satte 17 Minuten misst, lichten sich die Schwaden und die Krachwände werden deutlicher und kompromissloser. Aufbau und Pannings erlauben dabei die nötige Immersion. Leider werden im unteren Frequenzband weitestgehend Energie und Möglichkeiten verschenkt. Doppelt schade, da dem Medium Vinyl doch so gerne eine deutlichere Sprache im Bassbereich nachgesagt wird.
Empfindet man Musik als interessanter werdend, je mehr sie von der allgemeinen Lehrmeinung abweicht, wird man mit Paradiso Infernal seine Freude haben. Lässt man sich auf diese ungewohnten Pfade ein, ist eine angemessene Belohnung programmiert. Abschließend sei an alle rezensierenden Musiker*innen im Sinne Propagandhis ausgerichtet: Less talk, more rock! Das macht sympathischer.
Das selbstbetitelte Debütalbum von Paradiso Infernal ist am 10. September 2021 bei Trost Records erschienen.