Ein Filmdreh mit 100 Komparsen, zehn Kindern, zwei Hühnern, drei Bands, einer hochschwangeren Schauspielerin, einem großen Filmteam und bei 40 Grad Hitze. »Topfpalmen« ist nicht nur drehtechnisch überwältigend, sondern auch inhaltlich: Bei einer Hochzeit droht alles zu platzen. Der Kurzfilm ist neu in der Cinema Next Series kostenfrei zu streamen. Wir haben die Regisseurin Rosa Friedrich zum Interview gebeten.
»Topfpalmen« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
Cinema Next: In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Topfpalmen«?
Rosa Friedrich: In »Topfpalmen« geht es um die Frage der Verantwortung in der Liebe. Ob nämlich Liebe bedeutet, große Gefühle zu leben oder Verantwortung zu übernehmen – das verhandeln wir in unserer tragisch-komplexen Familienverstrickung, die ein wenig zu kompliziert ist, als sie hier kurz zu erläutern. Mittendrin jedenfalls steht die 17-jährige schwerhörige Betti, die nicht weiß, wohin mit ihrem Babybauch auf dieser viel zu fröhlichen Hochzeitsparty, auf der sich ihre Mutter mit den Kindern der Gäste besäuft.
Am Anfang sagt die Mutter zu Betti: »Du musst jetzt eine starke Frau sein.« Am Ende: »Du bist jetzt erwachsen.« Dazwischen muss Betti mitansehen, wie das Leben um sie herum passiert und sie es ebenso wenig »halten« kann wie ihre Blase. Wie stark und erwachsen kann die hochschwangere und taubstumme Betti denn in diesem Umfeld überhaupt sein?
Oft müssen Kinder vor ihren Eltern erwachsen werden. Auch Betti ist sehr stark; tapfer erträgt sie den Mist, der ihr längst über den Kopf gewachsen ist. Ob sie noch ausreichend Kraft für das Baby in ihrem Bauch übrig hat oder ob das ganze angestaute Drama über ihr einbrechen wird, wird sich bald zeigen. Ihre Blase kann sie nicht mehr halten, aber ihre Emotionen hält sie noch mit Entschlossenheit bei sich.
Du legst euren Film mit einer Extraportion Opulenz und Flamboyanz an. In Topfpalmen urnieren gehört da genauso dazu wie zwei Hühner am Hochzeitsbuffet oder Alkohol sippende Kids. Wie kam es zu diesem überbordenden und überwältigenden Stil?
Abgesehen davon, dass ich persönlich auf Dekadenz und Übermaß stehe, glaube ich, dass manchmal die ärgsten Geschichten hinter den schillernd-buntesten Fassaden verborgen liegen. Ich glaube nicht, dass sich die Tragödie in Wirklichkeit grau und karg zeigt. Das ist viel mehr eine ästhetische Codierung der Kinogeschichte. »Topfpalmen« ist eine bittere Pille überzogen mit Zuckerguss. Das Leid schreit einem nicht sofort ins Gesicht, man kann es sogar besser aushalten, aber es wirkt schleichend und unerwartet.
Im Film ist alles ein wenig »zu viel« oder zu »nahe«, auch die Kamera rückt den Figuren ja regelrecht zu Leibe. Was bewirkt und bedeutet für dich diese »Distanzlosigkeit«?
Jedes Bild wollten wir bis zum Bersten füllen, das ist der unmittelbare Ausdruck von Bettis emotionaler und physischer Überforderung. Auf dieser Hochzeit kommt wirklich alles zusammen und jeden Moment droht alles zu platzen. Auch die Respektlosigkeit von Bettis Mama und ihr kindliches Ausblenden von Konsequenzen werden hier gespiegelt.
Wenn man sich diesen Film anschaut, denkt man automatisch: Der Dreh muss ein Spaß gewesen sein. Trügt der Schein?
100 Komparsen, zehn Kinder, zwei Hühner, drei Bands, 40 Grad, 16-mm-Filmmaterial, eine hochschwangere Schauspielerin und ein großes Filmteam waren schon ziemlich fordernd. Manchmal hat es trotzdem Spaß gemacht. Es kommt wohl immer darauf an, wen man fragt. Unserem lieben Produzenten hat es jedenfalls zu Weilen etwas auf den Magen geschlagen.
Hast du bei »Topfpalmen« eine Lieblingsszene und warum?
Ich finde, dass uns die Szene, als Betti in die Partymeute eindringt, um die Braut – ihre Tante – vergebens um Hilfe zu bitten, inszenatorisch gut gelungen ist. Hier spielen alle Komponenten gut zusammen: Musik, Schauspiel, Auflösung, Farben, Licht, Kostüm, Emotionen. Und natürlich auch der peinliche Schwanenbauchtanz von Betti auf der Bühne ist köstlich anzuschauen. Vor allem ihren Blick mag ich da ganz besonders, er sagt so viel und trotz der Groteske behält sie ihre Würde und Schönheit.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.