Dem Wiener Filmemacher Alexander Peskador ist mit dem Kurzfilm »Märtyrer der Strebsamkeit« eine im Mittelalter spielende Abrechnung mit den Irrungen und Wirrungen der Corona-Politik gelungen. Sein Film ist eine von zwei Pandemie-Satiren, die neu in der Cinema Next Series zum kostenfreien Stream veröffentlicht wurden. Wir haben den Filmemacher zum Interview gebeten.
»Märtyrer der Strebsamkeit« ist die nächste Veröffentlichung in der Cinema Next Series, die regelmäßig auf der Streamingplattform Kino VOD Club kostenlos spannende Filme von heimischen Filmtalenten präsentiert.
In deinen eigenen Worten: Worum geht es in »Märtyrer der Strebsamkeit«?
Alexander Peskador: Wir befinden uns im Europa des 14. Jahrhunderts, genauer gesagt im Jahr 1349, als sich die Pest auf dem gesamten Kontinent ausbreitet. So kommt der Sensenmann eines Tages auch an die Grenze zu Württemberg, um die Seuche in die damalige Grafschaft zu tragen. Dort trifft er allerdings auf die beiden schwäbischen Wachsoldaten Volckel und Utz. Beide sind ausgesprochen pflichtbewusste Gesellen, die sich blöderweise nicht einig werden können, welche Verordnungen und Einreisebestimmungen denn nun mittlerweile gelten. Ein hitziger Streit entbrennt, in den auch der Tod hineinverwickelt wird … aber wie genau, das verrate ich jetzt mal nicht.
Seit Corona ist eine Fülle an Filmen entstanden, die sich mit der Pandemie, den bürokratischen Verwirrungen und psychosozialen Dynamiken auseinandersetzen. Du hast als Setting für deinen Film das Mittelalter gewählt, in dem die Pest wütet. Und als Erzählform die Komödie. Warum?
Als wir den Film im Sommersemester 2021 gedreht haben, war das Thema Corona derart präsent, dass es mir eigentlich unmöglich schien, mich filmisch mit irgendwas anderem auseinanderzusetzen. Ganz egal, ob du die Zeitung aufgeschlagen hast, mit Freund*innen telefoniert hast oder auf die leeren Straßen spazieren gegangen bist – alles schrie »Pandemie« zum Himmel! Das musste einfach irgendwo raus. Allein schon, um nicht völlig den Verstand zu verlieren. Gleichzeitig war mir aber auch bewusst, wie sehr uns diese Thematik irgendwann auf die Nerven gehen wird, und einen solchen Film wollte ich erst recht nicht machen. Meine Hoffnung war: Wenn wir unsere Geschichte ins Spätmittelalter verlagern, die Figuren in einem wildfremden Mix aus Schwäbisch und Mittelhochdeutsch sprechen, den man ohne Untertitel gar nicht verstehen kann, und wir dem Ganzen dann noch eine absurde Komik verleihen, dann ist genug Distanz da, um sich über die Absurditäten unserer Pandemie amüsieren und herzhaft darüber lachen zu können.
Du hast schon früher »komische« und absurde Filme gedreht. In »Märtyrer der Strebsamkeit« lasst ihr Ingmar Bergmans schweigenden und Schach spielenden Arthouse-Tod auf den Sprach- und Spielwitz von Monty Python treffen. Was ist dir wichtig im Umgang mit Humor und der Königsdisziplin des Films, der Komödie?
Mir waren immer schon Menschen (und Bücher und Filme) suspekt, die sich zu ernst nehmen und vor allem anderen Menschen keinen Spaß vergönnen. Komik ist da ein wunderbares Gegenmittel – damit lassen sich ganze Ideologien entwaffnen, wenn man sie richtig einsetzt. Im konkreten Fall von »Märtyrer der Strebsamkeit« ging mir nicht aus dem Kopf, wie im März 2020 an allen Ecken und Enden von einer »neuen Solidarität« gesprochen wurde: Wir seien zwar physisch voneinander getrennt, aber innerlich würden wir stärker denn je zusammenwachsen – ein wunderschöner Gedanke. Es hat allerdings keinen Monat gedauert, bis er völlig beim Teufel war.
Wenn uns die Pandemie eine Sache schmerzhaft vor Augen geführt hat, dann dass wir Menschen uns im Angesicht einer globalen Katastrophe nur noch mehr in Banalitäten verstricken. Nun wird die Pest in Literatur und Film eigentlich fast überall als eine Zeit des großen Umdenkens beschrieben, und genau dieses Geschichtsverständnis wollte ich mit meinem Film hinterfragen. Da gibt’s keine philosophischen Gespräche während des Schachspiels – der Tod kriegt das Brett über die Rübe, und fertig!
Die Figuren in deinem Film merken gar nicht, dass der Tod sie heimsucht – so sehr fürchten sie die Pest und so sehr sind sie im Meinungsstreit verwickelt. Fast könnte man das lesen als: Die Leute haben so viel Angst vor der Seuche, dass sie gar nicht mehr merken, dass sie auch an was anderem sterben könnten. Wenn im Film so etwas wie eine Botschaft steckt: Welche wäre das?
Ich habe beim Schreiben tatsächlich lange überlegt, ob es einen Moment geben soll, in dem Volckel oder Utz merken, wen sie da vor sich haben. Aber das hätte die Geschichte auf genau diese bedeutungsschwere Ebene gehoben, die ich ja eigentlich auseinandernehmen wollte. Es wäre dann zwangsläufig darum gegangen, wie der Tod damit umgeht, dass er erkannt wurde, und ich wollte keinen Tod mit einer Agenda. Irgendwie suggeriert so eine Figur automatisch, dass es eine dunkle, übernatürliche Macht gibt, die ständig aktiv versucht, Böses anzurichten – als ob nicht wir Menschen verantwortlich wären für all den Unsinn, der in unserer Welt passiert. Ich wollte den Tod stattdessen als zurückhaltenden Zuschauer erzählen: Er beobachtet, wie Volckel und Utz miteinander streiten, bis beide tot am Boden liegen. Dann steht er auf und fährt weiter. Wenn sich der Tod überhaupt Gedanken über uns Menschen macht, dann bestimmt keine boshaften. Ich glaube eher, dass er sich die meiste Zeit über uns wundert.
Ihr fahrt hier inszenatorisch und ausstattungstechnisch großes mittelalterliches Geschütz auf. In einem persönlichen Gespräch aber meintest du, ihr hattet praktisch keine Mittel. Wie habt ihr aus »wenig« derart »viel« machen können?
Zum einen hatte ich ein unglaublich ambitioniertes Team hinter der Kamera, und dann ist noch eine Reihe von Wundern passiert: Wir hatten schon zu Beginn enorme Schwierigkeiten, überhaupt einen Wald in der Nähe von Ludwigsburg zu finden, in dem man drehen darf – da steht jeder grüne Fleck unter Naturschutz. Und da hat unsere Produktionsleiterin Nicole Kirsch dann vorgeschlagen, ob wir nicht vielleicht in ihrer Heimat Schwäbisch Hall drehen wollen.
Eine bessere Entscheidung hätten wir nicht treffen können. Es war überwältigend, wie viel ehrenamtliche Unterstützung wir dort erhalten haben: angefangen von Nicoles Onkel Markus Wackenhut, der gemeinsam mit uns Wachhäuschen gebaut, Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt und etliche wichtige Kontakte hergestellt hat, über die wahnsinnig entgegenkommende Gemeinde Ilshofen bis hin zu Beatrice Schnelle vom Haller Tagblatt, die über unsere Dreharbeiten im Vorfeld berichtet hat und uns die Möglichkeit gab, zu annoncieren, was wir noch suchen. So haben wir dann tatsächlich noch fünf Tage vor Drehbeginn über die Familie Hartmann einen authentischen Leiterwagen mitsamt Pferden gefunden – ich hatte mich zu dem Zeitpunkt schon damit abgefunden, dass der Tod einen Handwagen hinter sich herziehen wird. Und dann hat uns die Ilshofener Feuerwehr noch aus dem Wald befreit, als ein Baum umgestürzt ist und uns eingeschlossen hat … aber das ist eine andere Geschichte.
Eine Interview-Reihe in Kooperation mit Cinema Next – Junger Film aus Österreich.