In seinem neuen Film »Elements of(f) Balance« wagt Othmar Schmiderer einen Blick auf alte und neue Möglichkeiten, um ökologischen Herausforderungen zu begegnen.

Permakultur in den Salzburger Bergen und schwimmende Beete in Bangladesch: Im Film »Elements of(f) Balance« macht sich Regisseur Othmar Schmiderer auf die Suche nach neuen und alten Antworten auf die Frage, wie wir besser im Einklang mit der Natur leben können. Dabei bereist er verschiedene Weltgegenden, holt Expert*innen vor die Kamera und zeigt anhand vieler Beispiele aus Ländern wie Österreich, Italien, Rumänien, Deutschland, China oder Bangladesch, was etwa die Faszination der Pilze ausmacht, wie Quallen überleben konnten oder was derzeit in Agrarlaboren erforscht wird – und wie das alles mit einer nachhaltigen Zukunft zusammenhängt.

Wie entstand die Idee zum Film »Elements of(f) Balance«?
Othmar Schmiderer: Die Idee zu »Elements of(f) Balance« wurzelt in einer tiefen, seit Kindheit bestehenden Verbundenheit mit der Natur. Nach meinem letzten Film »Die Tage wie das Jahr« – einer einfühlsamen Studie über den Jahreszyklus eines kleinen Biobauernhofs im Waldviertel – trat Werner Lampert an mich heran. Als Pionier für ökologische Landwirtschaft und Begründer nachhaltiger Marken wie Ja! Natürlich und Zurück zum Ursprung schlug er vor, gemeinsam einen Film über Nachhaltigkeit zu entwickeln.
Ich wandte mich daraufhin an meinen Freund, den Filmkritiker, Autor und Filmemacher Stephan Settele, dessen analytischer Blick und fundierte Recherchearbeit mir seit Langem vertraut waren. Gemeinsam begannen wir, ein Konzept zu entwickeln, das Nachhaltigkeit nicht als Schlagwort, sondern als Haltung begreift – als Balance zwischen Mensch und Natur, zwischen Bewusstsein und Verantwortung. Als Werner Lampert schließlich aus geschäftlichen Gründen aussteigen musste, schien das Projekt kurzzeitig ins Wanken zu geraten. Doch er blieb dem Gedanken verbunden und ermöglichte durch die Finanzierung der Projektentwicklung, dass wir weiterarbeiten konnten. Nach einem langen, oft mühsamen Finanzierungsprozess ließ sich das Vorhaben schließlich doch noch realisieren.
Der Athene-Mythos zieht sich als roter Faden durch den Film. Wie kam es dazu und in welchem Zusammenhang steht er zum Zustand unserer Welt und unserer Ökosysteme?
Der dem Film vorangestellte Athene-Mythos war keine ursprüngliche Referenz bei der Konzeption des Films, der Gedanke eines Introtextes rückte jedoch während des Montageprozesses immer mehr in den Vordergrund und so ergab es sich als willkommene Assoziation bei einem frühen Screening mit einer Freundin, der Autorin Lisa Spalt, dass sie uns diesen poetischen Anfang schrieb.
Fäden, zerrissene und wieder zusammengefügte, wie bei Athene, oder als Orientierung aus dem Labyrinth hingereichte, wie bei Ariadne, symbolisieren in der griechischen Mythologie Schicksal, Leben, Orientierung und Rettung. Im heutigen Kontext könnte der zerrissene Faden für das fragile Netz der Ökosysteme und natürlicher Verbindungen stehen, das durch menschliches Handeln nachhaltig beschädigt wurde. Der Mythos unterstreicht darin die Folgen von Arroganz und der Unfähigkeit, eine größere Verbundenheit und symbiotische Allianzen in der Natur zu erkennen.
So wie Athene in ihrem anfänglichen Furor Arachnes Wandteppich zerreißt, ihr aber erlaubt, als Spinne weiterzuweben, stehen wir vor der Aufgabe, die angerichteten Zerstörungen anzuerkennen und uns zu verpflichten, unsere Beziehung zur Umwelt zu reparieren und wiederherzustellen. Vielleicht lassen sich die verzweigten Myzelfäden der Pilze im Film als eine solche Handreichung für unsere Zeit deuten. Man sollte dieses Motto aber nicht endlos zerreden oder überdehnen, sondern eher auf sich wirken lassen. Doch natürlich soll damit metaphorisch auf die heutige Notwendigkeit von Leitfäden bei der Bewältigung und beim Verständnis komplexer ökologischer Transformationsprozesse angespielt werden.
Interessanterweise gab es zuvor die später verworfene Idee, auf eine andere, weitaus explizitere und bereits ökologisch ausgerichtete Aussage aus der griechischen Antike zu verweisen, nämlich auf Platons Brandrede aus dem »Kritias«-Dialog, in dem er bereits vor über 2.000 Jahren die durch die Abholzung der Wälder um Athen entstandene und bis heute sichtbare Verkarstung und die damit verbundenen gestörten Wasserkreisläufe beklagt. Radikaler Raubbau an natürlichen Ressourcen ist keine neue Erscheinung, sondern schon in den frühen kriegerischen Stadtstaaten der europäischen Zivilisation angelegt. Das Ausmaß ist freilich heute ein anderes. Doch schon Platon spricht davon, dass diese Praxis ganze Landstriche unbewohnbar habe werden lassen.

Im Film soll die Natur als handelnde Protagonistin gezeigt werden. Inwiefern braucht es vor allem auch im Globalen Norden ein Umdenken, was unser Verhältnis zur Natur betrifft?
Wir greifen nach dem wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt, haben aber bislang ganz offenkundig nicht wirklich die Macht oder den Willen, diesen nachhaltig zu organisieren. Dementsprechend ist weder das Ziel noch die Richtung klar, in die diese scheinbar perfekt auf Effizienz getrimmten Technogesellschaften gehen wollen. Heutzutage scheint es unter dem medialen Einfluss mächtiger Techkonzerne als Ausweitung einer seit Jahrhunderten ungebremsten imperialen Lebensweise völlig alltäglich, verlockende Szenarien für eine mögliche Besiedlung ferner Planeten in Aussicht zu stellen, während die höchst gegenwärtigen Lebensgrundlagen in der fragilen Atmosphäre über uns, auf der Erde unter unseren Füßen und in der Tiefe der Ozeane in der Form eines kollektiven menschlichen Narzissmus weitgehend ignoriert werden.
Es muss ohne jedes falsche Pathos wieder selbstverständlich werden, dass sich die Menschen als vielfach verschlungener Teil dessen verstehen, was Natur genannt wird und nicht als überlegene Opponenten oder Eroberer. In einer Handvoll Erde, so erfahren wir unter anderem im Film, leben in gegenseitiger Abhängigkeit Milliarden Mikroorganismen – von Bakterien bis zu Pilzen. Nur ein Bruchteil davon ist bekannt oder gar erforscht.
In einzelne ökologische Episoden gekleidet, möchte der Film aufzeigen: Die wahrhaft spannende »Science« und auch »Fiction« ereignen sich seit Jahrtausenden genau hier auf diesem unseren Planeten zwischen menschlichen und nichtmenschlichen Akteuren. Es wird wohl mehr brauchen als nur ein mentales »Umdenken«, wenn man an dem Ast sägt, auf dem man sitzt. Es muss sich auch das Erleben ändern, die Wahrnehmung von einer als äußerlich empfundenen Umwelt hin zu einer artenübergreifenden »Unswelt«. Es sieht ganz danach aus, dass solche Erkenntnisprozesse einen hohen ökologischen und sozialen Leidensdruck voraussetzen.
Mit den Worten eines unserer Protagonisten, des Meeresbiologen Ferdinando Boero: »Wir sind eine von Technologie abhängige Spezies. Dies hat inzwischen dazu geführt, dass wir die natürlichen Ressourcen bis zum letzten Tropfen ausquetschen. Wir sind an einem derart gefährlichen Punkt angelangt, dass unser ökologischer Fußabdruck unsere weitere Existenz auf dem Planeten infrage stellt. Wir müssen endlich lernen, nicht länger wie Plünderer zu leben, sondern in symbiotischer Koexistenz. Intimes Wissen über die Funktionsweisen der lebendigen Welt ist die Voraussetzung jeglicher Form von Nachhaltigkeit.«
Unser Film kann und will nicht mehr sein als ein neugieriger Wink in diese Richtung von Möglichkeitsräumen – ohne Panikmache oder erhobenen Zeigefinger.
Die Episoden im Film spielen außer in Österreich etwa in Italien, Slowenien, Rumänien, China und Bangladesch. Wie gestaltete sich die Recherche und die Auswahl der vorgestellten Projekte sowie der Interviewpartner*innen?
Nach intensiven und vielschichtigen Recherchen, die in ganz unterschiedliche thematische Richtungen führten, tasteten wir uns Schritt für Schritt durch ein breites Feld von Ansätzen und Perspektiven. Im Verlauf dieses Prozesses kristallisierten sich jene Themen und Schauplätze heraus, die uns inhaltlich und atmosphärisch am stärksten berührten. Aus einer Vielzahl möglicher Episoden wählten wir schließlich jene aus, die im Film zu sehen sind – eine bewusste Reduktion, die Klarheit schaffen sollte. Entscheidend für die Auswahl waren dabei nicht nur die Relevanz der Themen, sondern auch die Präsenz, Authentizität und wissenschaftliche Kompetenz unserer Protagonist*innen, die den Film inhaltlich wie emotional tragen.

Welche Herausforderungen gab es mit diesen unterschiedlichen Drehorten? Und was ist dir davon besonders gut in Erinnerung geblieben?
Die Herausforderungen variierten naturgemäß je nach Land, Kultur und den Menschen, mit denen wir in Kontakt kamen. Jede Drehumgebung stellte eigene Bedingungen und Dynamiken her. Eine zentrale Voraussetzung war daher, jeder Situation mit Offenheit zu begegnen und sich mit Achtsamkeit auf das Unvorhersehbare und manchmal auch Fremde einzulassen. Entscheidend war, eine Atmosphäre des Vertrauens zu schaffen – etwas, das nur durch echtes Interesse und respektvolle Begegnung entstehen kann.
Der Faktor Zeit spielte dabei eine wesentliche Rolle. Nicht immer standen die zeitlichen Ressourcen zur Verfügung, die für ein wirkliches Einlassen notwendig gewesen wären. Gleichzeitig beeinflussen Konzentration, Aufmerksamkeit und die Dynamik des gesamten Teams das Geschehen am Set stärker, als man oft annimmt. In Erinnerung bleiben vor allem jene Momente, in denen etwas Ungeplantes, beinahe Magisches geschah – Situationen, in denen das Leben selbst die Regie übernahm. Aber auch die Herausforderungen, etwa im Umgang mit Drehgenehmigungen, haben Spuren hinterlassen: so zum Beispiel in China, wo Geduld und Gelassenheit zu den wichtigsten Werkzeugen der Produktion wurden.
Der Film zeigt, dass es Zusammenhalt unter Menschen sowie das Zusammenleben mit der Natur braucht, um eine gute Welt für alle zu sichern. Woran scheiterte diese Gemeinschaft in den letzten Jahrzehnten?
In einer Welt, die fast ausschließlich auf Wachstum und Profit ausgerichtet ist und – wie schon erwähnt – geprägt ist von kollektivem menschlichem Narzissmus sowie von einer grenzenlosen Konsumgesellschaft, sind wir dem endgültigen Scheitern gefährlich nahe. Ohne eine grundlegende Veränderung unserer Perspektiven und die Übernahme individueller Verantwortung wird ein Wandel kaum möglich sein. Die gegenwärtige globale Aufrüstung verstärkt diese Problematik noch zusätzlich.

»Elements of(f) Balance« setzt den Fokus einerseits auf Pilze und Quallen, die es seit Millionen von Jahren gibt, sowie andererseits auf neue technologische Möglichkeiten. Wie siehst du dieses Zusammenspiel aus alten und neuen Ansätzen, um eine intaktere Welt zu schaffen?
Bei den Quallen und Pilzen als uralte Lebensformen hat uns zunächst neben ihrer kreatürlichen Vielfalt und Schönheit interessiert, dass sie sich seit unvordenklichen Zeiten zum Teil genetisch kaum verändert haben und alle bekannten Aussterbeereignisse – von Meteoriteneinschlägen bis zur letzten Eiszeit – überlebt haben. Für diese extrem resilienten Organismen scheint es, ganz im Gegensatz zur fragilen menschlichen Existenz, seit jeher immer nur eine »intakte« Welt zu geben. Später haben wir bei den Begegnungen mit Forschenden zu unserem Erstaunen bemerkt, dass diese in ihrer Gesamtheit noch wenig erforschten Wesen in mitunter höchst bemerkenswerter Weise in »wilde Ökologien« verstrickt sind. Das heißt: in ökologische Zusammenhänge, die durch vom Menschen geschaffene Infrastrukturen gefördert werden, sich aber außerhalb der menschlichen Kontrolle entwickelt und ausgebreitet haben.
Noch immer können die episodisch auftretenden massenhaften Quallenblüten nicht mit wissenschaftlichen Methoden vorhergesagt werden. Ihrem erratischen Auftreten und Verschwinden haftet mitunter etwas Mysteriöses an, fast wie bei Kreaturen aus einem Fantasyfilm. Erst im vergangenen Sommer musste das größte französische Atomkraftwerk vorübergehend abgeschaltet werden, weil urplötzlich ein riesiger Quallenschwarm die Filteranlagen verstopft hatte. Mit Vorliebe docken diese uralten Meereswesen, die seit über 500 Millionen Jahren durch die Ozeane treiben, zu ihrer Vermehrung ausgerechnet an den allerneuesten, vom Menschen geschaffenen Anlagen wie Ölplattformen oder auch an maritimen Hinterlassenschaften aus Plastik an.
Zu den ersten Lebewesen, die nach den Atombombenabwürfen über Japan und auch nach dem Nuklearunglück von Tschernobyl auf den kontaminierten Böden wiederauftauchten, gehörten – aus menschlicher Sicht wie ein Symbol für ein Weiterleben nach Katastrophen – Pilze. Für uns war es spannend zu sehen, mit welchem Enthusiasmus heute die internationale Forschungsgemeinde einerseits Grundlagenforschung betreibt und anderseits den Boden bereitet für möglicherweise zukunftsweisende nachhaltige Anwendungsmöglichkeiten sowie neue Lebensgemeinschaften aufzeigt.
Inzwischen spricht man, in Analogie zum digital verzweigten Internet, von einem »wood wide web« unter den verbliebenen Bäumen und Wiesen dieser Welt. Es steht außer Frage, dass die Annäherung an diese so rätselhaften wie faszinierenden Lebewesen durch die Verwendung der jüngsten technologischen Entwicklungen wie KI einen gewaltigen Schub erfahren wird. Für den Film war uns wichtig, traditionelles Erfahrungswissen, wie es etwa auf einem der Permakultur verpflichteten Bergbauernhof oder in der klassischen Aufzucht von Pilzkulturen unabdingbar ist, quasi als filmische Versuchsanordnung in ein nachbarschaftliches Verhältnis zu hochmodernen Verfahren wie mit 3D-Radar ausgestatteten Experimentaldrohnen und sensorgesteuerten Beobachtungsmethoden von Pflanzenkulturen zu stellen.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass es eben solche übergreifenden Studiengänge sind, die an den führenden Agraruniversitäten – wie die im Film gezeigte im niederländischen Wageningen – inzwischen zu den beliebtesten gehören und in Zukunft mit erstaunlichen Wissensbeständen aufwarten werden. Ein Entweder-oder zwischen Tradition und digitaler Ökomoderne wird es in diesen zukünftigen Erfahrungsräumen wohl nicht mehr geben, sondern viel eher ein Sowohl-als-auch.
Mit welchem Gefühl sollen die Zuseher*innen deinen Film verlassen? Was sollen sie mitnehmen?
Zuerst einmal wäre es erfreulich, wenn die Zuseher*innen schon mit einem offenen Geist in den Film hineingehen. Und nichts liegt uns ferner, als Vorgaben zu machen, was man dann mitnehmen soll. Es ist hoffentlich kein Film, bei dem man mit einer bestimmten, vorfabrizierten Botschaft aus dem Kinosaal entlassen wird. Wenn der Film das Gefühl überträgt, einer filmischen Erkundung aus Spuren, Bruchlinien und Möglichkeiten inmitten einer mitunter ratlos machenden Welt beigewohnt zu haben, wären wir mehr als zufrieden.
Verstanden würden wir uns gar fühlen, wenn es auch anderen so erginge wie einer der ersten Kritikerinnen anlässlich der Premiere des Films bei der Viennale: »Im Angesicht der aktuellen Klimakatastrophe zeigen Regisseur Othmar Schmiderer und sein Team einen notwendigen Weg aus der Verzweiflung auf, der stattdessen auf neue Lebensweisen ausgerichtet ist, die ökologische Nachhaltigkeit gegenüber Wirtschaftswachstum und Gegenseitigkeit gegenüber Ausbeutung fördern.«
Der Film »Elements of(f) Balance« von Othmar Schmiderer ist ab 5. Dezember 2025 in den österreichischen Kinos zu sehen.