Dass ich das einmal sagen würde: Österreichs Politiker können sich ein Beispiel an Stefan Petzner nehmen. Zumindest auf Twitter.
Was weiß der Durchschnittsmensch über Stefan Petzner? Eher wenig vermutlich. Als ehemaliger Intimus einer im Suff verglühten Lichtgestalt namens Jörg Haider erinnert man sich seiner vielleicht noch: als den von künstlicher Höhensonne beeinträchtigten »Lebensmenschen« eben jenes Alkolenkers. Neben einem Faible für die Schlagertexte von Udo Jürgens ließe sich dann vielleicht noch ein Delfin-Tattoo vergegenwärtigen, das zu präsentieren der Typ mal spontan aus dem T-Shirt schlüpfte. Das wär’s dann wahrscheinlich aber auch schon.
Doch plötzlich sieht alles danach aus, als hätte sich der gebürtige Steirer als Politiker gewissermaßen selbst überlebt, als würde er an so etwas wie einem Comeback basteln. Zwar steht nicht fest, wohin Petzner solch ein Comeback führen könnte. Wer braucht schon das BZÖ? Wem wird diese Partei dereinst abgehen? Doch Petzner ist es in den vergangenen Monaten gelungen, sich als originelle Erscheinung zu positionieren. Gemessen an sich selbst agiert er verhältnismäßig seriös. Diesen Eindruck verdankt er einzig und allein seiner Präsenz auf Twitter. Abseits der klassischen Massenmedien hat er dort seine zweite Chance eingefordert. Mal lautstark, mal rüpelhaft kommuniziert er über den Kurznachrichtendienst nicht nur mit möglichen Wählern, sondern mischt er sich auch in politische Debatten ein.
Putin-Fan, Old-School-Medien-Erwähnungen, Oppositioneller
Mag Twitter in Österreich auch »ein Eliten-Phänomen« (Armin Wolf) sein: Das ständig signalisierte Sendebewusstsein und das offensichtliche Reibebedürfnis, das es als Oppositionspolitiker braucht, blieb der auf Twitter höchst aktiven Journalistenzunft nicht verborgen. Da er als Nationalratsabgeordneter im Korruptions-U-Ausschuss nicht nur Fragen stellt, sondern seine Sicht der Dinge auch ungefiltert twittert, muss er darob gar nicht erst gefragt werden – sondern kann sich und diese der Welt mitteilen. Die Wahrscheinlichkeit, damit Retweets zu landen und auch in den Old-School-Medien Erwähnung zu finden, ist ungleich größer. Weshalb man nicht nur als Durchschnitts-Twitterant, sondern auch als Konsument althergebrachter Medien heute über Stefan Petzner auch wissen kann, dass er Vladimir Putin für einen Glücksfall für das russische Volk hält. Und ungeachtet solch zweifelhafter Aussagen und allerlei dubioser Wortmeldungen nimmt man Stefan Petzner heute zumindest ab, dass er sich für Politik und politische Zusammenhänge interessiert. Und auch eine gewisse Professionalität wird man ihm nicht absprechen können. Das war nicht immer so – und das gilt auch nicht für alle seiner Mitbewerber im politischen Spiel. Nun mag Petzner zwar nerven, gerade auf Twitter, wo man ihm als teilnehmender Beobachter am politischen Diskurs kaum auskommt. Doch genau das ist, könnte man einwenden, schließlich seine Aufgabe als Oppositionspolitiker.
Genau deshalb könnten sich Politiker aus allen weltanschaulichen Ecken ein Beispiel am Twitteranten Petzner nehmen, sich einmischen und in Austausch mit ihren Wählern, Kritikern, Gegnern treten. Denn selbst Grüne – auf Twitter überdurchschnittlich oft zu finden – bewegen sich dort viel zu oft im Dunstkreis der eigenen Klientel. Nun mag es aus einer bedeutungslosen Partei wie dem BZÖ, die tendenziell um Wahrnehmung rittern muss, um überhaupt wahrgenommen zu werden, deutlich einfacher sein, herauszustechen. Im Gegensatz zu den »Altparteien«, in welchen jedes Thema von einer Person besetzt wird, pinkelt man dort nicht mit jedem Statement einem Parteifreund oder einer Genossin ins Revier.
Dennoch: Stefan Petzner steht stellvertretend dafür, dass jeder an politischen Prozessen teilhaben kann. Wenn er oder sie nur ernsthaft, hartnäckig und nachdrücklich dahinter ist. Diese Erkenntnis macht die Politik nicht nur für Quereinsteiger interessanter, sondern es auch leichter für neue Parteien und Fahnenflüchtige. Nach Repräsentanten der Regierungsparteien, die mehr zu sagen haben als denn üblichen PR-Schwampf, wird man auf Twitter bislang eher vergeblich suchen. Auffällig ist auch, das belegt unsere diesmalige Coverstory, dass sich in Österreich auch die wirtschaftsliberale Piratenpartei nicht wirklich in Diskussionen einmischt – geschweige denn eigene anzettelt. Die wäre dann, wenn das BZÖ untergegangen ist, vielleicht auch ein rettendes Schiff für Stefan Petzner. Petzner könnte Pirat werden. Gegerbte Haut und ein Delfin-Peckerl hat er ja schon.
Thomas Weber, Herausgeber, @th_weber