Ein Satanist, ein Zerstörer und ein böser Panda haben heuer in der Poolbar in Feldkirch die Jugend in Vorarlberg verführt. Das Festival ist ein Fixtermin für Leute unter 66 in Westösterreich, der Ostschweiz und Liechtenstein. Wir haben die Macher Herwig Bauer und Heike Kaufmann kurz vor Saisonende per Mail getroffen.
Die Poolbar ist eines der wenigen Festivals in Österreich, die sich alljährlich so etwas wie ein Motto auferlegen. 2012 lautet es „Heiße Luft“ und spielt auf die mangelhafte Belüftung der Festival-Location an, das Alten Hallenbad in Feldkirch. Was genau hat es damit auf sich?
Heike Kaufmann: Mottos machen uns einfach Spaß. Meist unterstreichen diese auf prägnante und spielerische Weise die jährliche Grafiklinie, manchmal steckt aber auch mehr dahinter – Themen, die uns als Festival gerade beschäftigen. Mit „Heiße Luft“ wird heuer ein Anliegen thematisiert, das uns besonders am Herzen liegt: Die Belüftungssituation im Alten Hallenbad ist mittlerweile wirklich inakzeptabel; es ist hier dringend eine Investition von Seiten der Stadt als Eigentümerin des Gebäudes vonnöten. Damit dieser wichtige Punkt nicht untergeht, haben wir unser heuriges Motto diesem unerträglichen Umstand von chronischer Unterbelüftung verschrieben – verbunden mit einigen Aktionen, die wir parallel starten.
Ein delikater Programmpunkt der Poolbar ist die karitative Suppenküche. Da wird „heiße Suppe gegen heiße Luft“ gekocht und Geld für die Umbauten gesammelt. Mit wie viel Geld rechnet ihr?
Heike Kaufmann: Mit diversen Aktivitäten soll Bares gemacht werden. Dies wird unterm Strich freilich nur ein symbolischer Betrag bleiben. Mit Ende des Festivals wird die Summe dann jedenfalls auf einem Treuhandkonto hinterlegt und der Stadt Feldkirch zur Verfügung gestellt, sobald die Bauarbeiten beginnen.
Gab es auf euer Motto und die heiße Suppenküche bereits Reaktionen der Stadtpolitik?
Herwig Bauer: Ja, einerseits Kritik an einzelnen Formulierungen, andererseits aber auch konkrete Gespräche über die weitere Vorgehensweise seitens der Politik. Und eine große Gesprächsrunde mit Vertretern des Stadtbauamtes und der Gebäudeverwaltung, die sich mit neuem Elan hinter die Konkretisierung der Belüftungsoptimierung klemmen.
Laut Programmheft wird das Poolbar Festival heuer erstmals auch vom Fürstentum Liechtenstein finanziell unterstützt. Wie kam es denn dazu?
Herwig Bauer: Wir pflegen seit vielen Jahren gute Kontakte ins Nachbarland, machen gemeinsame Projekte mit der Architekturfakultät der Uni Liechtenstein oder dem Kunstmuseum Liechtenstein. Außerdem sind wir Fans und Freunde der jungen kulturellen Szene dort, die schrill und schräg und beinahe hyperaktiv ist. Dazu kommt vielfach eine nicht isoliert kulturbezogene Sichtweise, sondern Engagement im Ökologischen und im Sozialen werden bei vielen integrierter Teil der Aktivitäten.
Wir haben großen Respekt vor Initiativen wie dem Morgenlandfestival oder der Alten Post. Die Kombination der Strahlkraft des Poolbar-Festivals nach Liechtenstein mit dezenter Unterstützung durch unsere Partner ließ das bereits vorhandene Interesse im Ressort Kultur der Liechtensteiner Regierung in ein konkretes Gespräch zwischen dem Ressort Kultur und mir münden. Gegenseitigs Verständnis ließ schnell ein konkretes Projekt entstehen – die „Polymorphe Liechtensteiniade“, die dann auch gefördert wurde.
Euer spektakulärster Festivalgast heuer war mit Sicherheit Marilyn Manson. Die christliche Rechte hat der Politik gar vorgeschlagen, die Poolbar-Veranstalter dafür zu bezahlen, dass Marilyn Manson nicht auftritt. Wärt ihr so einen Pakt mit dem Gegenteufel eingegangen?
Heike Kaufmann: Nein, natürlich nicht. Man kann sich doch nicht bei der Programmauswahl – durch welche Kräfte auch immer – instrumentalisieren lassen. Es war uns durchaus bewusst, dass dieser Act polarisieren würde, doch die Intensität der Reaktionen war wirklich skurril – angefangen von absurden Diskussionen auf vol.at, über christliche Flugblattverteilungsaktionen auf dem Messegelände Dornbirn bis zum Abhalten von Rosenkranzgebeten und einer „Hl. Messe zum Schutz unserer Jugend“ am Tag des Manson-Konzerts.
Man mag von diesem Künstler halten, was man will; Manson ist jedenfalls eine Kunstfigur mit hohem Provokationspotenzial. Immer noch.
Freut man sich mehr über die Medienhysterie und (teils billige) Schlagzeile oder fragt man sich manchmal, ob so ein Act nicht zu viel Aufmerksamkeit von dem restlichen Programm abzieht?
Heike Kaufmann: Sagen wir so: Die mediale Ausschlachtung des Manson-Themas hat sicher nicht geschadet. Klar ist ein Act dieser Größenordnung und Skandalreichweite ein marketingtechnisches Zugpferd. Im besten Fall sind einige Leute, die das Poolbar-Festival davor noch nicht gekannt hatten, darauf aufmerksam geworden.
Weniger Interesse an den restlichen Programmpunkten konnten wir nicht feststellen – im Gegenteil. Und die Acts abseits von Manson sind ja auch nicht zu verachten.
Die Gagen von Live-Acts sind in den vergangenen Jahren immer teurer geworden. Die Acts der Poolbar sind in den letzten Jahren immer größer geworden. Heuer sind neben Marilyn Manson u.a. auch Destroyer, Regina Spektor, Speech Debelle, Cro, Theophilus London, The Whitest Boy Alive oder Enter Shikari vertreten. Gleichzeitig ist das Alte Hallenbad nicht größer geworden. Wie geht sich das aus?
Heike Kaufmann: Die wachsende Bekanntheit der Poolbar-Acts ist Ergebnis von jahrelanger Arbeit und einem Aufbauen von Kontakten und Netzwerken. Das Poolbar-Festival ist mittlerweile fixer und beliebter Bestandteil des österreichischen Festivalgeschehens und weit über die Grenzen hinaus bekannt. Acts, die bei uns gespielt haben, sind stets begeistert. Diese Kunde macht die Runde und auch vor internationalen Agenturen nicht Halt. Deswegen würde ich es v.a. diesem Umstand zurechnen, dass im Rahmen des Poolbar-Festivals auch immer mehr „Stars“ auftreten.
Nichtsdestotrotz sind die Gagen in den letzten Jahren explodiert. Wir wägen stets sehr genau ab, wen wir uns leisten können und wollen. Und wir haben es uns heuer erlaubt – übrigens das erste Mal seit vielen, vielen Jahren – die Eintrittspreise ein wenig zu erhöhen.
Wesentlicher Teil des Festivals ist Architektur. Das Grundgerüst des Alten Hallenbads wird jeden Sommer temporär überarbeitet und inszeniert. Wie hat sich denn der Poolbar Architektur-Wettbewerb entwickelt?
Herwig Bauer: Dazu muss ich ein wenig Ausholen: Das Poolbar-Festival hatte als reine Workshopreihe mit künstlerischen Kursen von Malerei über Schauspiel bis Musik begonnen. Als Festival war es nie geplant. Aber die nächtlichen Veranstaltungen haben sich ergeben, waren intern wie extern immer viel beliebter als die Workshops. Dennoch wollten wir die gestalterischen Ansätze als Zentrum des Ganzen weiter kultivieren. Und weil wir mit dem Alten Hallenbad im Jahr 2 in eine desolate Ruine gezogen sind, verbanden wir die Notwendigkeit, Infrastruktur zu schaffen, mit dem Bedürfnis nach guter Gestaltung: Bald wurden junge Künstlerinnen, Künstler, Architektinnen und Architekten beauftragt, dem Festival und seinen räumlichkeiten ein jährlich neues Aussehen und Funktionieren zu verpassen.
Den Wettbewerb gibt es seit 2005, er ist seither eine Kooperation mit dem Vai (Vorarlberger Architektur Institut) und der Wirtschaftskammer Vorarlberg. 2011 erlebten wir die Enttäuschung, dass bei all den Einreichungen nicht das Niveau der Vorjahre erreicht wurde, und daher entschieden wir uns, auf eine klassisch-architektonische Gestaltung zu verzichten und arbeiteten nur mit Licht. 2012 aber starteten wir – motiviert durch die Zusammenarbeit mit der Tortenwerkstatt Innsbruck, einem Architekturstudierendenkollektiv, neu durch, und das riesige Engagement der Tortenwerkstatt führte zu einem zusätzlichen Poolbar Architektur-Wettbewerb für unser Festival „Poolbar mit Pratersauna“ in Wien, einer Österreich-weiten „Campus-Tour“ mit Liveband (Times New Roman) zur Bewerbung der Wettbewerbe. Die Folgen: Teilnehmerrekord mit 69 Entwürfen und zwei großartige Siegerprojekten.
Die diesjährige Poolbar-Architektur zitiert und persifliert das typische Vorarlberger ”Hüsle“ (das alleinstehende Haus, Anm.): Aus gelben Schalungsplatten – wie man sie von Baustellen kennt – wurden „Urhütten“ gebaut. Diese sollen von den Besuchern mit „Höhlenmalereien“ geschmückt werden. Wie kommt das an?
Herwig Bauer: Die Entwurfsdarstellungen hatten noch zu Skepsis geführt – v.a. wegen der grell erwarteten Farbe. Aber die konkrete Umsetzung begeistert die Leute. Wir bekommen sehr viele Anfragen von Leuten, die die Möbel und auch ganze Hütten kaufen wollen. Andere wiederum würden sich schon mit dem Kauf von einzelnen Schalungstafeln begnügen – die sind nämlich, ganz im Stile üblicher Brandings, mit „Poolbar – Kulturelles von Nischen bis Pop“ bedruckt. (Und ja, wir verkaufen natürlich tatsächlich wieder das meiste, um Platz für 2013 zu schaffen und die Poolbar Architektur 2012 finanzieren zu können.
Vorarlberg ist waldarm, trotzdem wurde die Poolbar-Architektur wie 2010 vom Baustoff Holz dominiert. Auch über die Pratersauna wacht seit Mai ein hölzerner „Pratersaurus“ aus Vollholz. Ist Holzbau tatsächlich so ein großes Thema oder ist das eher Sponsoren geschuldet?
Herwig Bauer: Holz ist ein Baustoff, der universell einsetzbar und auch von Laien leicht zu bearbeiten ist, es ist ökologisch mehr als nur vertretbar und es strahlt jene Wärme aus, die ihren Teil zum angenehmen Ambiente im Stahlbetonbau Altes Hallenbad beiträgt. Partner aus der Wirtschaft hätten wir sicher auch – wie auch in früheren Jahren – mit anderen Materialien gefunden. Bisher hatte es auch nie Materialvorgaben gegeben, dass wir heuer erstmals „Holz“ als Bedingung und Thema vorgaben, war auch eine Lehre aus dem Poolbar Architektur-Wettbewerbs-Disaster 2011: Eine philosophische Themenvorgabe führte zu vielen philosophischen Einreichungen. Was ja grundsätzlich ok ist – aber wenn Philosophie über Ästhetik, Funktionalität und Räumlichkeit gestellt wird, macht ein Architekturwettbewerb keinen Sinn. Daher wollten wir dem Poolbar Architektur-Wettbewerb wieder mehr Erdung verleihen. „Holz“ als Thema war die einfache Lösung. Und es funktionierte.
In der Altstadt von Feldkirch wird in unmittelbarer Nähe des Alten Hallenbads mit dem „Montforthaus” gerade ein modernes Veranstaltungszentrum neu gebaut. Ist das Thema? Konkret: an manchen Festivaltagen mitbespielen?
Herwig Bauer: Es ist insofern ein Thema, als der Neubau – mit Außenanlagen etc. kostet er mehr als € 40 Mio – sämtliche Mittel der Stadt bindet und Investitionen in das Alte Hallenbad schwerer möglich sind. Andererseits wird gerade während der Bauphase den bisherigen Montforthausnutzern eine komfortabel bespielbare Lösung geboten werden müssen. Das ist das Alte Hallenbad sicher nicht – könnte es aber werden.
Generell ist durchaus denkbar, dass wir bei besonders großen Acts gelegentlich ins neue Montforthaus, das ja immerhin knapp 3.000 Besuchern bei Konzerten Platz bieten soll, ausweichen. Aber erstens bevorzugen wir – und die meisten Poolbar-Gäste – den kleinen, intimen Rahmen des Hallenbades, und zweitens kennen wir die Rahmenbedingungen noch zu wenig, um das beurteilen zu können.
Wie wird denn das Alte Hallenbad das restliche Jahr genützt?
Herwig Bauer: Für die Theatergruppen wie Projekttheater Vorarlberg und Walk Tanztheater wird es leider immer unattraktiver, sie kommen immer seltener. Das Feldkirch Festival machte auch gelegentlich Konzerte „für die Jugend“ im Hallenbad, aber dessen Zukunft steht in den Sternen. Was darüber hinaus bleibt, sind private und Firmen-Feste und Parties, gelegentlich werden auch Konzerte veranstaltet. Heuer findet im Herbst erstmals die Art Design Messe im gesamten Reichenfeld statt. Und alle 2 Jahre die „Kinderstadt Kleinfeldkirch“ für 3 Wochen.
Wie hat denn die Stadt Dornbirn darauf reagiert, dass sich das Poolbar Festival mit dem Manson-Konzert erstmals für einen Abend aus Feldkirch wegbewegt?
Herwig Bauer: Wir wurden mit offenen Armen empfangen und in allen Belangen bestens unterstützt.
Zumindest im Pop sind Standortwechsel ja nicht ganz unüblich. Das Frequency ist von Salzburg nach St. Pölten abgewandert, das Urban Art Forms nomadisiert seit zwei Jahren. Wäre es denkbar, die Poolbar ganz nach Dornbirn zu verlegen, bei entsprechendem Angebot?
Heike Kaufmann: „Poolbar“ und „Altes Hallenbad“ bzw. Festival und Location sind in unserem Fall untrennbar miteinander verbunden, bezeichnender Weise werden die beiden Begriffe ja immer wieder synonym verwendet, indem das Gebäude landläufig als „Poolbar“ bekannt ist. Das Poolbar-Festival ist in diesem Gebäude quasi geboren. Obwohl das Alte Hallenbad vom Standort und der Atmosphäre ideal für das Poolbar-Festival ist, gibt es einige infrastrukturelle Probleme.
Die Standort-Debatte ist jedoch so lange keine akute, solange wir von offizieller Seite ausreichend unterstützt werden. Wenn wir das Gefühl haben, dass wir zu viele faule Kompromisse eingehen müssen, werden wir uns auch anderweitig umsehen. Mit der Kapazität sind wir außerdem beschränkt. Eine etwas größere bzw. flexiblere Location brächte viele Vorteile.
Habt ihr mit Kritik gerechnet, weil heuer Ottakringer Bier ausgeschenkt wird statt dem regionalen Fohrenburger? Es ist auffällig, dass ihr den Wechsel eures Bier-Sponsors aktiv argumentativ kommentiert.
Heike Kaufmann: Der Wechsel zu Ottakringer war eine Entscheidung, die intern für einige Diskussionen gesorgt hat. Natürlich läge es vordergründig nahe, regionale Bierbrauereien zu wählen – aus dem Grund, dass wir generell für Regionalität und Nachhaltigkeit sind. Da wir jedoch im Rahmen von Poolbar mit Pratersauna, der kleinen Wiener Schwester des Poolbar-Festivals, schon länger erfolgreich mit Ottakringer kooperieren, war der Schritt naheliegend. Überzeugt hat uns nicht zuletzt das Bio-Bier, welches wir nun im Sortiment anbieten können.
Die Poolbar bietet jedes Jahr auch eine Vielzahl an Programmpunkten, die nichts mit Musik zu tun haben. Was sind oder waren denn diesbezüglich eure Highlights 2012?
Heike Kaufmann: Abgesehen von vielen Überraschungen im Sinn von kleineren und größeren musikalischen Perlen (Theophilus London, Regina Spektor, Destroyer) freuen wir uns immer besonders auf die Literatur- und Diskussionsveranstaltungen – z.B. auf den alljährlichen Poetry Slam, der mittlerweile publikumstechnisch aus allen Nähten platzt. Eine besonders gelungene Veranstaltung war außerdem die Kunstaktion „Schöne Zeiten“ von Christian Jendreiko & Ensemble.
Was noch kommt: Ein spezieller Tipp ist die HipHop/Breakdance-Performance der FRK Dance School sowie Mogwai als besonderes musikalisches Abschlusshighlight.
Anmerkung: Herwig Bauer ist auch für die Monopol Medien GmbH, in dem auch The Gap erscheint, im Bereich Sales tätig.
Poolbar Festival
Noch bis 19. August 2012, Altes Hallenbad Feldkirch