Die Hinichen sind ein Fall für die Wiener Kulturpolitik. Nach einer Intervention der Wiener Grünen beim Gasometer und der Absage des Konzerts der Hinichen gingen die Emotionen hoch. Für manche kam das Zensur gleich, andere verteidigten die Maßnahme, frauenfeindliche Bands nicht mit öffentlichen Geldern zu unterstützen. Eine Seite blieb dabei auffällig ruhig. Und die Konsequenz?
Wenn die Hinichen nicht so einfältig wären, wie sie sind, hätten sie sich eine Kopie des Verbraucherhinweises gemacht, den das Label Aggro Berlin lange in seine Alben druckte. Nach ein paar Skandalen wollte Aggro sich mit ein paar halb akademischen Sätzen so gegen Kritik abschotten: „Die Interpreten wollen unter anderem durch Provokation gesellschaftliche Missstände thematisieren; dazu benutzen sie zum Beispiel Spott, Hohn, Verzerrung und Überspitzung als künstlerische Stilmittel.“ Und so weiter. Das war halbwegs wasserdicht, die Texte waren trotzdem so extrem, dass einige als jugendgefährdend eingestuft wurden. Es waren die Positionen von Ausgestoßenen, die das mit teilweise provokant dummen Zeilen bestätigten. Aber man muss das akzeptieren. Und es ist tatsächlich vom Recht auf freie Meinungsäußerung und die Freiheit der Kunst geschützt. Auch wenn bei den Hinichen hart an der Grenze getextet wird und Elfriede Hammerl im Profil überzeugend darlegt, dass die Band selbst von diesen Grundwerten keine Ahnung hat. Aber die waren schon Drahdiwaberl und Snoop Dogg egal. Auf dem Index ist weder das eine noch das andere.
Das Vice Magazin war vergangenes Jahr bei den Hinichen im Gasometer – das war nicht schön. Aber auszuhalten. „Die Fotzen – ja, die ghörn verdroschen, zuerst aufs Aug und dann in d’ Goschen.“ Solche Texte sind auch nicht schön. Was wäre also, wenn da statt „Fotzen“ „Nazis“ stünde? Nicht einmal das wäre sonderlich schön. Also gilt weiterhin die Vermutung, dass das Kunst ist, solange niemand das Gegenteil beweist. Aber darum geht es nicht einmal.
Will man das und will man mehr davon?
Politik darf es sich leisten mehr von denjenigen zu verlangen, die es fördert. Das tut sie dauernd, in allen Bereichen. Der Kultursprecher der Wiener Grünen, Klaus Werner-Lobo, hat das getan. Nicht ganz geschickt, wobei, vielleicht war das sogar Absicht. Mit so vielen Reaktionen konnte er trotzdem schwer rechnen. Am Ende konnten sich fast alle zu einem Thema positionieren, bei dem es im wesentlichen darum geht, wie sehr sich der Staat einmischen oder umverteilen soll; denn nichts anderes ist eine Förderung. Corinna Milborn, Robert Misik, Elfriede Hammerl, Werner Reiter, Porrporr haben dazu kluge Dinge geschrieben, die man sich von ihnen erwartet. Dagmar Andree vom Linzer Frauenhaus hat Anzeige erstattet, so ähnlich wie eine linke Jugendorganisation in Deutschland das gegen Kool Savas und Xavier Naidoo gemacht hat, als die böse „Föten“ auf „Klöten“ reimten. Sogar die FPÖ hat dazu eine Presseaussendung voller Klientelfloskeln abgesondert. Nur eine Seite war auffallend ruhig: die, die das Gasometer zuallererst förderte. Die Wiener SPÖ.
Diese konnte mitansehen, dass das Gasometer über all die Jahre denselben Bierbankrock aufgeführt hat. Dabei musste der Verantwortliche Muff Sopper bereits 2008 ein Konzert der Hinichen absagen – was die Stadträtin Sandra Frauenberger von der SPÖ damals ausdrücklich begrüßte. 2011 traten die Hinichen dann doch auf. Wo doch ein Jahr vorher die Grünen in die Stadtregierung kamen und vereinbarten, dass man sich dort für weniger kommerzielle Musikstile öffnen würde. Das Programm sagt heute etwas ganz anderes. Im Gasometer wird beschränkter Pop mit 712.000 Euro gefördert (Posten 41 und 64 im Kulturbudget 2012). Das ist hinich. Was man dort sieht, funktioniert überall sonst ohne üppige Finanzspritzen. Dabei wird in Wien ansonsten Geld sehr konsequent ausgegeben, für das Donauinselfest, das Popfest, Gürtelnightwalk, also großteils für okayen bis sehr guten Pop bei freiem Eintritt. Davon haben zumindest viele Leute etwas. Mit dem, was andrerseits im Gasometer und der Szene Wien passiert, im Planet Music und seinem Altpapier-Magazin, im österreichischen Musikatlas und beim Austrian Band Contest, damit wird einerseits nichts Langfristiges aufgebaut, es verträgt sich noch dazu nicht mit den Förderrichtlinien, auf die man sich geeinigt hatte. Daran hat uns Klaus-Werner Lobo erinnert. Die Hoffnung, dass Popmusik in Wien nicht mehr so eingleisig gefördert wird, kann nun endlich Realität werden.