Ozmo verbindet Street Art und Kunstgeschichte. Außerdem mag er Calypso Musik, Tarot-Karten und Wien. Warum er keine "fucking bitch" ist, erzählt er uns im Interview.
Auch wenn ich Gionata Gesi, der sich Ozmo nennt, im Interview gar nicht als Street Artist bezeichnet habe, macht er oft klar, dass er nicht als solcher wahrgenommen werden will. Er ist Künstler, hat in Florenz an der Accademia di Belle Arti studiert und verdient sein Geld mit Kunst. Er grenzt sich gerne ab.
Der heilige Antonius mit einer Spraydose als Christuskind im Arm, ’98 in Neapel. Ozmo war der Erste, der religöse Symbole und Graffiti verbunden hat – zumindest sagt er das. Bevor ich noch etwas fragen kann, gibt er mir einen Abriss über die Highlights der Street Art und sein Leben. Die beiden Bereiche überschneiden sich verdächtig oft. Doch obwohl Ozmo frei assoziativ kommuniziert, bringt er die Botschaft, dass Kunst für ihn "der shit" ist, unmissverständlich rüber. Er beschäftigt sich eingehend mit den Projekten, die er verwirklicht. Er recherchiert, interpretiert und geht in die Tiefe. Und das sieht man seiner Kunst auch an.
Du zitierst dich in deinen Arbeiten durch die ganze Kunstgeschichte. Woher kommt dein Interesse?
Einfach, weil ich neugierig bin. Street Art und Graffiti waren zu nah für mich. Ich habe in Florenz studiert; Ich beherrsche Ölmalerei. Ich kann malen. Das ist ungewöhnlich für einen Street Artist. Street Artists arbeiten mit Stencils und Markern. Ich verwende diese Medien auch, aber nicht ausschließlich. Die erste Street Art war fantastisch, aber gleichzeitig zeigte jeder nur ein Thema. Ich versuche Ideen von zeitgenössischer und traditioneller Kunst auf die Straße und gleichzeitig die Freshness und Attitude von der Straße ins Museum zu bringen. Ich will diese beiden Einflüsse verbinden.
Eines deiner Werke heisst "You Are Worth More Than Many Sparrows!". Das ist ein Bibelzitat. So etwas wissen die wenigsten Leute einfach so. Reicht es dir denn, wenn Leute deine Kunst einfach nur cool finden, ohne groß nachzudenken oder zu recherchieren?
Um ehrlich zu sein: Ich will Kunst machen. Ich bin fasziniert davon, wenn Dinge Tiefe besitzen. Ich bin sehr esoterisch: ich beschäftige mich mit Symbolen, mit Tarot. Die Idee – sie macht für mich 50% des Werks aus.
Das Problem bei Street Art ist: Man sieht etwas auf der Straße und denkt: Ah das gefällt mir. Sachen im Banksy-Stil mit der Message "Krieg ist böse", wo ein Mädchen eine Bombe umarmt – das sieht nett aus. Man macht ein Foto und stellt es auf Facebook und bekommt ein paar Likes. Aber es braucht etwas Tiefergehendes um wirklich Kunst zu sein.
Also willst du interpretiert und "verstanden" werden?
Wir Menschen sind faul und nicht gewohnt, uns zu bemühen, etwas zu verstehen. Wenn du davor stehst und dir denkst: Was genau schau ich mir da an, was ist das, warum, warum nicht anders? Dann ist es Kunst. Richtige Kunst gibt keine Antworten, sondern sorgt dafür, dass du dir Fragen stellst.
Du hast auf deiner Website die Unterscheidung zwischen Indoor und Outdoorarbeiten. Ist das auch eine Unterscheidung auf inhaltlicher Ebene?
Nein, es gibt keinen inhaltlichen Unterschied zwischen drinnen und draußen. Es gibt einen inhaltlichen Unterschied zwischen jedem Mal, wenn ich etwas mache. Für wen soll es sein und was will der Auftraggeber? Ist es eine private Galerie oder Sammlung? Manchmal mache ich auch noch illegale Aktionen. Ich arbeite mit einer Idee, die sich auf diesen bestimmten Ort bezieht. Ortsspezifisch. Mir würde sonst zu schnell langweilig.
Du warst ja schon in Wien unterwegs. Wie nimmst du die Stadt von einer Street Art-Perspektive wahr? Geht da was?
Wien gibt als Stadt das Konzept von Street Art sehr gut wieder: Der Kaiser versuchte zu sagen: "Schau, wie viele Stile ich in meiner Stadt haben kann, wie viele Variationen nebeneinander."
Ich kann Street Art natürlich in jeder Stadt machen, aber ich absorbiere mittlerweile lieber die Einflüsse, als zu versuchen, einen Sticker oder ein Tag wo anzubringen. Vielleicht werde ich auch alt und kann nicht mehr vor der Polizei davonlaufen. Nur ein Spaß! (lacht.)
Also verändert die Stadt dich mehr als du die Stadt?
Ja.
Aber natürlich würde es mir gefallen eine große Wall in Wien zu machen, das war das Erste, was ich die Veranstalter (Anm. von Escape the Golden Cage) gefragt habe. Auf diese Art bekommt man wirklich etwas von der Stadt und den Menschen mit. Wien gefällt mir, es gibt hier etwas sehr Dekadentes und das mag ich.
Aber eine große Wall; das wäre etwas Offizielles. Ein kleiner Tag hier und da interessiert dich nicht mehr?
I hab‘ gerade ein paar Sticker angebracht, aber nicht so, wie Shepard Fairey das machen würde: die ganze Stadt zubombadieren mit Stickern.
Kannst du denn von deiner Kunst leben?
Ja, das konnte ich von Anfang an. Es gibt viele Künstler, die ihr Kunst-Ding machen aber auf andere Weise Geld verdienen. Das finde ich traurig. Wenn die Kunst nicht wichtig genug für dich ist, zählt sie auch für niemand anderen etwas. Wenn ein Sponsor mit mir arbeiten will, muss er auch ein Budget haben. Das hat nichts damit zu tun, dass ich kommerziell bin oder eine “fucking bitch", sondern, dass es einfach Arbeit ist.
Als (auch) Musikmagazin wollen wir natürlich wissen, was für Musik du hörst?
Gute Musik. Jede Musik, die traditionell ist und spontan. Zum Beispiel habe ich lange Calypso Musik gehört, die in Trinidad und Tobago entstand. Da geht es um die Übertragung von Information und das hat mehr mit der französischen Troubadour-Tradition zu tun als mit Raggae, was geografisch nahe ist. Sie improvisieren und das ist fantastisch. Beim Karneval traten sie gegeneinander an, das ist so wie im modernen Hip Hop…
… ein Battle?
Ja, ein Battle und sie nennen es Calypso War. Sie fordern einander im Freestyle heraus. Diesebe Attitude (Anm. wie im Hip Hop) aber poetischer und älter.
Die Escape the Golden Cage Art Affair kann noch bis 31. Mai im Palais Kinsky besucht werden.
Mehr zu unserem Street Art Schwerpunkt: Nychos im Interview, Street Art in Wien, Interview mit Margit Mössmer, Cash, Cans & Candy Programm.