Alunageorges Debüt ist gar nicht so besonders geworden, dürfte aber dennoch zur Blaupause für eine Reihe von großartigen und auch schlimmen Popbands aus dem UK werden.
R’n’B x Garage x House – ja, ja, ganz neu ist das nicht mehr. Noch weniger aber wird es so bald wieder verschwinden. Dieses Debüt – »Body Music« – wird das noch einmal untermauern und in England wohl auf der Eins landen. Rechts und links davon tummeln sich neue, brillante Artists. Stell dich besser gleich mal darauf ein: Es ist ein Stilmix, der im Fall von Alunageorge gleich nach mehreren Seiten hin offen ist. Das Duo aus London singt eher konventionelle Songs über Beats, die im schillernden Licht einer Discokugel gemacht wurden. Und eigentlich sollte das sollte heute auch nicht mehr allzu sehr überraschen. Immerhin wurden spätestens mit David Guetta vor vier Jahren die Schwellen zwischen Club und Pop, zwischen R’n’B und House auf breiter Front eingerissen – natürlich nicht von ihm alleine, natürlich nicht zur Zufriedenheit aller oder ohne gewichtige Vorarbeiter, aber mit ihm als obersten Hampelmann. Die Zeit war offenbar reif für einen Bruch, nach Jahren voller geilem Electropop und überteuertem HipHop.
Alunageorge schreiben dieses Kapitel nun eleganter und mit starkem, englischem Akzent weiter – und mit einem Album, das seine besten Singles schon hinter sich hat. Es scheint heute ja System zu haben, dass zuerst die Blogosphäre mit Remixen, einigen ungewöhnlicheren Songs, Gastauftritten und schlauen Flirts in Richtung Kunst und Mode gefüttert wird und hinterher die alten, klassischen Medien bedient werden mit einem althergebrachten Album, das sich wieder mehr an faule Hörgewohnheiten anpasst. In gerade einmal zwei Jahren vom Buzz, zum Hype, zum Schotter – ja, Erfolg ist eben doch planbar. Nummer Zwei im jährlichen BBC Sound Poll zu werden, hilft auch. Wenn man dort die Jahre zurück blättert, erkennt man, dass die Macher der Liste sich nicht mit vagen Prognosen über die Kunst begnügen. Vielleicht braucht ein Album mal etwas länger, wie »Body Music«, aber die Weichen sind da meistens schon auf Erfolg gestellt. Electronic Beats – nicht gerade der Inbegriff eines untergrundigen Fan-Blogs – hat schon vor über zwei Jahren über das Duo geschrieben, exklusiver Download inklusive. Bacardi hat sich in die Berichterstattung über ein Remixprojekt mit den Friendly Fires gleich mit eingekauft. Blogseeding nennt sich das, für das coole Image. Alunageorge machen bereitwillig mit, wie auch bei unzähligen Fotoshootings. Das ist erst einmal alles nicht schlimm, sondern gehört heute zu Pop dazu. Und Pop, das beherrschen die beiden zum Glück.
Alunageorge werden Pop nun nicht retten. Ihre Songs handeln von harmloser Liebe mit ein wenig Teenage Angst, ihr süßer Gesang ist nicht sonderlich nuancenreich und verglichen mit ihren Interviews wirken sogar Rihanna und Justin Bieber wie kontroversielle Figuren. Aber sie singen und bewegen sich mit derselben kühlen und schönen Eleganz, die man derzeit an so vielen Orten sehen und hören kann – bei Jessie Ware, Totally Enormous Extinct Dinosaurs, natürlich bei Disclosure, Sky Ferreira, Jacques Greene, Lorde oder Gorgon City. Und damit kommen sie definitiv auf das Mixtape dieses Sommers, dieser Gegenwart, für schlanke, zurückhaltende und gefühlsbetonte Zeiten.
»Body Music« von Alunageorge ist am 29. Juli via Island / Universal erschienen.