Letzten Donnerstag wurde im Kunstraum Niederösterreich »INNENaussenINNEN« eröffnet, eine Ausstellung im Rahmen der Vienna Design Week. Dort werden der Dominanz des Digitalen, die sich in der heutigen Gesellschaft durchgesetzt zu haben scheint, nicht digitale, virtuelle Räume zur Seite gestellt.
Die inhaltliche Ausrichtung auf den Austausch von Architektur, Design und öffentlichen Raum wird bei »INNENaussenINNEN« mit einem Schwerpunkt auf Social Design aufgegriffen. The Gap hat dem Kurator Christian Knechtl fünf Fragen zu diesem schwer zu fassenden Begriff gestellt.
Es kursieren ja unzählige Definitionen von Social Design. Welche davon findest du am überzeugendsten?
Design ist unsichtbar! Ich finde die Definition, die Lucius Burckhardt anlässlich des »Forum Design« in Linz 1980 getroffen hat, noch immer vortrefflich: „Unsichtbares Design. Damit ist heute gemeint: das konventionelle Design, das seine Sozialfunktion selber nicht bemerkt. Damit könnte aber auch gemeint sein: ein Design von morgen, das unsichtbare Gesamtsysteme, bestehend aus Objekten und zwischenmenschlichen Beziehungen, bewusst zu berücksichtigen imstande ist.“
Gab es ein bestimmtes Projekt oder eine Person, die dein Interesse und Engagement für den Bereich Social Design angefacht hat?
Gottfried Wilhelm Leibniz. Leibniz empfiehlt der Gesellschaft, nicht einen einzelnen Wert oder eine Position in sein Extrem zu treiben, sondern zu versuchen, mehrere gleichzeitig zu beachtende Werte in ihr mögliches Optimum zu bringen. Er nennt dieses Gleichgewicht mehrerer relativer Optima »Kompossibilität«. Buckminster Fuller hat diese Idee im Prinzip der »Tensegrity« weiterentwickelt. Ich denke, dass Olafur Eliasson aktuell den Begriff Social Design am intensivsten thematisiert.
Bist du schon einmal auf ein Projekt gestoßen, das mit der Bezeichnung Social Design hausieren ging, bei dem dich die Verwendung dieses Begriffs wirklich gestört hat?
Wir sind umgeben von falsch verstandenen Objekten und Projekten zu diesem Thema. Die Diagnose eines sozialen Ungleichgewichtes wird umgehend als formal-gestalterische Lösung ausgegeben, anstatt die wirkliche Ursache des Problems zu eruieren. Zum Beispiel Lampenschirme aus Pet-Flaschen. Es wird nur formale Kosmetik betrieben. Das ist banal, kurzsichtig und Problemerhaltend. Die Tatsachen gehören alle nur zur Aufgabe, nicht zur Lösung, sagt Wittgenstein.
Geht es, für dich als Architekt, bei Social Design auch um Ästhetik?
Nur richtige Lösungen können auch schön sein. Alles andere ist nur visueller oder sozialer Lärm. Paul Watzlawick hat gesagt, man kann nicht Nicht-Kommunizieren, man kommuniziert immer. Ich würde das Gesagte ausweiten daraufhin, dass alles was wir tun, Gestaltung ist. Ein gutes Gespräch ist ebenso eine epochale Gestaltungsleistung wie die Eleganz einer mathematischen Formel oder der Entwurf eines guten Produktes. Ästethik, also die Suche nach der einzig richtigen Form, ist dabei Grundbedingung. Geht es doch um die Optimierung von Geist und Materie.
Versteht man Social Design als verantwortungsvolles Gestalten, mit Rücksicht auf Mensch und Natur, bist du dann optimistisch was die Zukunft von Social Design in Zeiten der globalen Vernetzung durch das Internet betrifft?
Ich bin absolut zuversichtlich was die Entwicklung des Sozialen und Kreativen in unserer Gesellschaft betrifft. Zu jeder Veränderung gehört ja als erster Schritt die Diagnose. Im Moment führen wir mittels allgegenwärtiger Algorhytmen in unserer Kommunikation einen gnadenlosen Selbstversuchen zur Verflachung aller Komplexität und Vielfalt in unserer Gesellschaft durch. Komplexitätspanik wurde als Begriff genannt.
Aber ich sehe, dass bereits vielerorts ein sehr bewusstes »slow« dem panischen Gedränge im digitalen Vakuum und der Masse der bildgewordenen Gebete an die Materie entgegengesetzt wird. Wir leben am Beginn des dritten Jahrtausends. Das substantiell Neue entwickelt sich machtvoll, aber sehr leise, das dem Untergang geweihte Alte macht nur noch inhaltsleeres Getöse.
Die Ausstellung »INNENaussenINNEN« kann man noch bis 12. Oktober 2013 im Kunstraum Niederösterreich besuchen.