„The Jungle Planet“ ist viel mehr als nur Musik, sondern ein mysteriöser, schwarzer Würfel, eine Metapher auf den großen Biozid, von Techno-Prophet Jeff Mills.
Jeff Mills ist einer, dessen Leben verfilmt werden wird. Nicht nur, weil er für Techno aus Detroit enorm wichtig war, sondern weil er konstant die äußeren Regionen von Musik erforscht und sie an ein Netz von Ideen koppelt. Jeff Mills spielt mit Konzepten, er optimiert das Bewusstsein, schreibt es immer wieder um. Es gab früher und gibt heute viel zu wenig Musik, die sich über diese Grenze wagt.
Auch „The Jungle Planet“ ist wieder so ein Ding. Und Ding darf man hier wörtlich nehmen. Das Album wurde an einen matt-schwarzen Würfel angedockt, der sich im Inneren eines schwarz glänzenden Würfels befindet. 13 WAV-Dateien befinden sich auf dem USB-Stick. Wie sie genau klingen, ist vielleicht weniger wichtig als das gesamte Zusammenspiel aus Text, Bild, Körper und Musik – diese Komposition spielt im Kraftfeld eines Dschungelplaneten, des größten, jemals bekannten Planeten, mit drei Sonnen und zwölf Monden, der überhaupt vielleicht nur wieder Teil eines noch viel größeren Organismus in einer anderen Dimension, Raum und Zeit sein könnte. Seine Geschichte spielt nach dem Ende der Menschheit, ihr letzter Überlebender, genannt der Bote, sucht dort nach den Hinterlassenschaften menschlicher Träume, trifft auf bizarre Lebewesen – und er hört dabei offenbar immer noch kompromisslos futuristische Musik.
Fabeln für das digitale Zeitalter
Jeff Mills macht dabei nicht einfach nur Techno, er entwirft Utopien, er schreibt Sonic Fiction. Was er ja auch schon in den Neunzigern getan hat, als er mit Mike Banks das legendäre Label Underground Resistance gründet, wo sie „… die Rhythmaschine an ihren tödlichsten Ursprung zurückführen: die militärische Waffenkammer. Sie bewegen sich in den Militärisch-Industriellen Komplex, weil der der Straße vorangeht.“ (Kodwo Eshun) Sie verschmelzen „… die menschliche DNS und Zellstruktur mit kybernetischen und sonischen Schaltkreisen, eine Einheit von Sound, Mensch und Maschine.“ Mit diesem hochgerüsteten und letztendlich sozialkritischen Jargon wird Underground Resistance zu viel mehr als nur einem Label, eine ideologische Zelle für die Techintelligenzija.
Es geht nie einfach nur um Musik. Jeff Mills arbeitet auch nachher an immer neuen Fabeln für das digitale Zeitalter, vertont Filme und Ausstellungen, macht Installationen und Klangskulpturen oder wird in Frankreich zum Ritter geschlagen. Auf „The Jungle Planet“ werden diese Geschichten heute organisch, sie verbinden sie mit Tieren, Pflanzen und Aliens, mit Traumwelten. Es geht ums Ganze, um diese Anomalie namens Menschheit, um ihren Umgang mit dem Leben, ihre Fantasie, ihr Potenzial, verpackt in spröde, mysteriös schimmernde Sounds und fremdartige Rhythmen. Genau über solche Grenzen muss Kunst, muss Musik gehen, wenn sie nicht nur hübsch anzuhören sein soll.
Enigma
Das passende Artefakt zum Dschungelplaneten ist nicht einfach nur ein Stück Vinyl, es ist ein schwarzer Block, äußerlich dem Kubrick’schen Monolithen ähnlich, aber ein Lebewesen, das auf dem kolossalen Planeten in Prärien weidet oder dort der Schwerkraft trotzt und vor sich hin schwebt. Detroit ist bankrott. Die Meere bald leer gefischt und giftig. Die Zukunft eine graue, dreckige Wolke. Träumen ist gefährlich. Der Biozid hat schon längst begonnen. In solchen Momenten braucht es Köpfe wie Jeff Mills, die diese Zumutungen in die Unendlichkeit hin sublimieren.
„The Jungle Planet“ von Jeff Mills erscheint am 30. Oktober via Axis Records.