Nicht Kulturpessimismus, sondern Neugier treibt mich, es ein Monat ohne Facebook und Twitter zu versuchen. Kein Wagnis, sondern ganz simpel: ein Experiment.
Sorry für das Pathos. Aber es ist schließlich eine einschneidende Sache. Wenn Ihr das lest, werde ich auf Facebook ein Lebensereignis bekannt gegeben haben. Ich werde den Link zu dieser Story gesetzt und ihn auch getwittert haben: »Abwesenheitsnotiz. Ein Monat ohne Facebook und Twitter«. Reaktionen darauf werde ich – vorerst – nur mündlich oder via E-Mail mitbekommen. Wer mich kennt, weiß: Das ist ein gravierender Einschnitt in mein alltägliches Kommunikationsgebaren. Denn ich bin das, was man vor ein paar Jahren noch Poweruser nannte: auf beiden Plattformen hyperaktiv, bewusst freizügig auch mit manch persönlicher Information (solange es um mich und nicht um Angehörige geht), mir auch bewusst, dass die daraus gewonnenen Daten gegen mich verwendet werden können – und damit mit Sicherheit auch gegen mich verwendet werden.
Als Mittler zwischen den Welten und Milieus bin ich von Netz-Euphorikern ebenso umgeben wie von Skeptikern, Asketen und auch von all dem Befremdeten.
Es ist die Neugier, die mich treibt, kein Kulturpessimismus. Genügend Fragen stellen sich mir. Weitere werden auftauchen.
Vielleicht fahrlässig
Wird mich meine Absenz zum Außenseiter machen? Werde ich mich gar der Handvoll Menschen, die ich kenne, die sich nicht auf Facebook rumtreiben, verbundener fühlen? Muss ich plötzlich Freunde und Kollegen fragen, wo gefeiert wird? Werde ich wieder aktiv Websites ansurfen, wenn ich mich nicht dem Strom meiner Timeline hingeben und auf die Auswahl der von mir Auserwählten, denen ich auf Twitter folge, verlassen darf? Wie werde ich mich in den nächsten Wochen informieren? Klar, ich werde weiterhin Die Presse und an manchen Tagen Die Süddeutsche lesen. Aber werde ich darüber hinaus wissen, was Sache ist? Ist es fahrlässig, sich als Journalist und Medienmacher auszuklinken? Vielleicht. Doch es braucht Bewusstsein. Also ist es notwendig.
Eine These: Meine Welt wird kleiner werden. Wobei: Vielleicht wird sie sich auch größer anfühlen, wenn ich in der U-Bahn nicht mehr auf Twitter das Best-of von New York Times, The Atlantic und frühmorgens die News aus Neuseeland scanne? Werde ich irgendetwas aus Afrika mitbekommen, wenn ich nicht sehe, welche Artikel der Journalist Simon Inou, gewissermaßen mein persönlicher Afrika-Korrespondent, zur Lektüre empfiehlt?
Vielleicht wird es mir aber auch wieder leichter fallen, zu fokussieren. Jedenfalls, das wäre zumindest der Vorsatz: Ich werde David Eggers neuen Roman »The Circle« gelesen haben. Ich sehe mein Monat Social-Media-Auszeit als Versuch an, den Menschen kennenzulernen, der ich einmal war. Und damit: den Menschen, der ich heute bin, besser zu verstehen. Denn es hat mich definitiv zu einem anderen Menschen gemacht, als ich mich irgendwann im Sommer 2008 bei Facebook und wenig später bei Twitter registriert habe. Unwiderruflich denke ich heute »extrovertierter«. Ich feile an Tweets, denke in Gags und griffigen Formulierungen, manchmal auch untergriffigen. Es gibt einen gewissen Drang, sich mitzuteilen; Momente, Gedanken und ja, auch belanglosen Blödsinn zu teilen. Ob mir dadurch etwas abhanden gekommen ist? Keine Ahnung.
Was definitiv fehlt, ist mir allerdings schon aufgefallen: Auf Facebook gibt es keine Möglichkeit einer Out of Office Auto-Reply. Wenn mir jemand schreibt, kann ich niemandem mittels Abwesenheitsnotiz mitteilen, dass ich länger nicht in Reichweite bin. Ausklinken ist vom System nicht vorgesehen. Na gut, schau ma’ mal. I’ll be back.
Thomas Weber, Herausgeber
weber@thegap.at, Ein Monat stillgelegt: @th_weber