In den 80er-Jahren, der Blütezeit des Post-Punk, war Edwyn Collins als Vorstand der Band Orange Juice einer der wichtigsten Songwriter seiner Generation. Als Solokünstler feierte er dann Mitte der 90er mit „A Girl Like You“ einen kleinen Indie-Soul-Welthit – ehe seine Karriere 2005 von zwei Schlaganfällen abrupt unterbrochen wurde. Ein Interview mit dem unverwüstlichen Schotten am Rande des diesjährigen Blue Bird Festivals.
Es wäre nicht das ewige Stehaufmännchen Edwyn Collins, hätte er sich nach einem sechsmonatigen Krankenhausaufenthalt nicht wieder zurückgekämpft – durch eine über zwei Jahre dauernde Therapie, in der er wieder sprechen, lesen, schreiben und gehen lernen musste. Dass dabei die Musik und seine Frau Grace Maxwell eine große Rolle spielen sollten, erzählt er ein paar Stunden vor seinem Konzert im Laufe eines bewegenden Gesprächs in seinem Hotelzimmer.
Schon bei der Begrüßung empfängt mich Grace Maxwell mit einem strahlenden Lächeln, als wäre es das Normalste auf der Welt, einfach so in die Privatsphäre ihrer Familie einzudringen. Edwyn Collins wartet bereits auf dem Sofa und streckt mir sogleich seine linke Hand entgegen – von seinen Schlaganfällen ist seine rechte immer noch in Mitleidenschaft gezogen. Ich setze mich spontan zunächst zu seinen Füßen auf den Teppich, als Grace einen Stuhl für mich heranrückt. In sympathisch breitem schottischem Dialekt, erklärt sie mir, dass sie sich freue und ein wenig im Hintergrund mithören werde – für den Fall, dass es Verständigungsschwierigkeiten gibt. Ihre Zweifel sind aber unbegründet, Edwyn Collins ist voll bei der Sache und so entwickelt sich eine äußert herzliche Unterhaltung.
Collins hat keine Scheu, über seinen Zusammenbruch zu sprechen, auch wenn dieser mittlerweile nun schon mehr als acht Jahre zurückliegt. Ich spreche ihn auf sein neues Album „Understated“ an, das mir temperamentvoller und rauer erscheint als die beiden Vorgängerwerke, und frage ihn, ob Zorn und Traurigkeit Ansporn dafür waren. Er lächelt und antwortet voller Überzeugung: „Nein, nicht mehr. Der Zorn und die Traurigkeit sind gewichen. Ich bin jetzt glücklich. Klar gibt es auch immer wieder depressive Momente, aber es überwiegt die Freude am Leben und darüber, wieder das machen zu können, was mir immer Spaß gemacht hat.“
Lebensnotwendiger Bestandteil
Auf die Entstehung des neues Albums angesprochen, beginnt Collins wie selbstverständlich seine Texte zu singen, um zu verdeutlichen, dass sie ein lebensnotwendiger Bestandteil von ihm selbst sind. Es hat den Anschein, als ob das Singen für ihn immer noch der unmittelbarste Weg ist, sich auszudrücken, denn sobald ihm das eine oder andere Wort im Gespräch mal nicht gleich über die Lippen kommt, beginnt er zu singen. In seinen Songs hat er all das verarbeitet, was ihn seit seiner Genesung bewegt hat.
Wann denn sein berüchtigter Humor wiedergekommen sei und ob er sich gerne an seine große Zeit vor den Schlaganfällen zurückerinnere, möchte ich wissen. „Eigentlich schon. Am Anfang konnte ich nicht mehr als ‚ja‘ und ‚nein‘ sagen, den Namen meiner Frau und immer wieder die Phrase ‚die Möglichkeiten sind unendlich‘ wiederholen. Aber sobald ich mir die Sprache wieder erarbeitet hatte, kam auch der Humor sukzessive zurück. Klar erinnerte ich mich wieder an meine Zeit mit Orange Juice und an meine späteren großen Soloerfolge – und das Gefühl, das ich dabei hatte, war sehr angenehm. Es war ein großes Ziel, wieder dort hinzukommen.“
Diesem Willen und der großartigen Unterstützung seitens seiner Frau sowie zahlreichen Sprach- und Physiotherapeuten ist es zu verdanken, dass Collins den mühevollen Weg zurück geschafft hat. Auf meine Frage, wie denn seine ehemaligen Musikerkollegen reagierten, als sie von seiner Krankheit erfuhren, antwortet das Paar euphorisch im Chor: „Oh, die waren großartig!“ Und Collins ergänzt: „Einigen fiel es zunächst noch schwer, Kontakt aufzunehmen, aber als das Eis erst einmal gebrochen war, waren wir alle glücklich.“
Prominente Unterstützung
Einer, der Ersten der Collins sogar noch im Krankenhaus besuchte, war sein alter Label-Kumpane Roddy Frame von Aztec Camera. Er war es auch, dem Edwyn seine heißgeliebten Gitarren beim Comeback-Konzert im Oktober 2007 anvertraute. Auch Johnny Marr (The Smiths) war sofort bereit, an gemeinsamen Songs zu arbeiten, und so wuchs die Liste derjenigen, die Collins in den letzten Jahren live und auf seinen Alben unterstützen sollten. Darunter Richard Hawley, Alex Kapranos und Nick McCarthy (Franz Ferdinand), Ryan Jarman und Jacob Graham (The Cribs), Andy Hackett und Sean Read (The Rockingbirds), Romeo Stodart (The Magic Numbers) sowie Connor Hanwick und Jonathan Pierce (The Drums).
Wie der Entstehungsprozess eines Songs heute denn so aussehe, frage ich ihn. „Nun ja, für mich ist immer zuerst der Refrain das Wichtigste“, antwortet er enthusiastisch und beginnt gleich wieder einen Song aus dem neuen Album mit seinem unverwechselbaren Timbre anzustimmen. „Danach kommt die Strophe. Da ich meine rechte Hand nicht verwenden kann, zeige ich meinem Gitarristen James Walbourne mit der linken die Akkorde, und er interpretiert sie dann für mich, bis wir dort sind, wo ich hinwill.“