Generation 270+

Wir hatten einen Job zu vergeben und mussten annähernd 300 Bewerbungen bewerten. Was wir daraus gelernt haben.

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Nicht auszudenken, hätten wir den Job auf Englisch ausgeschrieben. Natürlich: Eine Anstellung gibt es im – im weitesten Sinne – Kulturbereich nicht alle Tage. Zudem bedeutet ein Job bei The Gap und dem dahinterstehenden Medienunternehmen immer noch eine nicht zu unterschätzende Menge kulturellen Kapitals. Er ist gut „zum Angeben in der Disco“, wie unser ehemaliger Geschäftsführer gern zu sagen pflegte. Aber ganz ehrlich: Letztendlich war es ein okay bezahlter Einsteigerjob, den wir da ausgeschrieben hatten und der zum Zeitpunkt, da diese Ausgabe kursiert, bereits vergeben sein wird. Wir begrüßen hiermit den neuen Kollegen (der bei gleicher Eignung wahrscheinlich eine Kollegin sein wird), haben sorgfältig geprüft und werden die Person in der kommenden Ausgabe vorstellen.

Natürlich, bei einigen Freelancern, ehemaligen Praktikanten, schreibenden Nebenerwerbs-DJs und Menschen aus dem Umfeld war klar, dass sie sich bewerben würden. Genau deshalb war uns, für uns selbst, ja auch an objektivierbaren Auswahlkriterien gelegen. Ein stilbewusster Schmäh und eine Liebe zur Popkultur reichen zwar für eine Praktikantenstelle, waren uns aber für eine Fixanstellung – eh klar – zu wenig. Wer weder privat, noch beruflich Facebook und Twitter nutzt, hatte keine Chance. Und Organisationstalent und ein Gespür für den Umgang mit Kunden (ohne den das, was man früher Verlagsgeschäft nannte, 2014 schlicht unmöglich ist) waren Voraussetzung.

Ein einziger Share der Jobausschreibung über unsere überschaubare 475 Mitglieder zählende Monopol-Facebook-Page brachte eine (unbezahlte) Reichweite von 5.600 Personen. Auch die Verbreitung über den Kulturplattform-(KuPF)– und den Kulturjobs-Newsletter haben die Qualität der Bewerbungen sicher noch einmal in die Höhe getrieben (Danke hiermit!).

Es war also absehbar, dass alle, die für uns interessant sein könnten, von der Stelle auch mitbekommen würden. Mit zahlreichen Bewerbungen hatten wir gerechnet. Mit mehr als 270 dann aber eben doch nicht. Und noch weniger damit, dass fast die Hälfte der Bewerber formal deutlich besser ausgebildet ist als das bestehende Kernteam. Ernüchterndes Faktum.

Einen Versuch war es wert

Sagen wir so: An qualifiziertem Personal mangelt es nicht. An entsprechenden Arbeitsplätzen dafür umso mehr. Namen werden wir hier der Diskretion halber natürlich keine nennen. Doch neben zahllosen talentierten Studienabgängern interessierten sich auch zahlreiche Veteranen und Szenegrößen für den Job. Was wir daraus lernen?

Nun, wir haben hiermit den empirischen Beweis dafür, dass der Arbeitsmarkt für Journalismus kaputt ist. Dass an einschlägigen FHs in den vergangenen Jahren viel zu viele Menschen ausgebildet wurden – am Arbeitsmarkt vorbei. Dass Jonas Vogt, jener überdurchschnittlich begabte Kollege, dessen bisherigen Arbeitsplatz wir nachzubesetzen hatten, mit seiner Einschätzung gar nicht so sehr daneben lag als er meinte ”Die Leute halten uns für cool, weil sie uns nicht kennen.“ Dass das aber zumindest die Kollegen bei FM4 wissen. Denn ausgerechnet vom öffentlich-rechtlichen Jugendkultursender gab es keine einzige Bewerbung …

Was auch klar ist: Einen Versuch war es wert. Aber einen Job ausschreiben werden wir wohl so schnell nicht wieder, sorry.

Thomas Weber, Herausgeber

weber@thegap.at, @th_weber

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