Im Vorjahr wurde Nadine Kegele beim Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt mit dem Publikumspreis ausgezeichnet. Das dort vorgelesene Exzerpt ist zum Debütroman gewachsen. Leid und Kummer, serviert mit Verve.
"Schreiben ist laut denken auf Papier". So steht es auf Nadine Kegeles Website unter der Kategorie Leben. Wenn man ihren Debütroman "Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause" liest, wird einem klar, was die 34-Jährige, die zurzeit Stadtschreiberin in Klagenfurt ist, damit meint: Das Assoziative beherrscht die Storyline.
Kegeles Debüt scheint aus Konzentraten durchkomponierter Früchte zu bestehen. Es gibt Tagebuchelemente und Teile mit Traumcharakter. Eingekocht in eine Prosa wird das Wichtige nur andeutend als Gewürz verwendet. Vielleicht muss man aufhören, die Narration zu suchen. Das Rätselhafte entsteht durch das Spiel mit der Sprache, die aus sich herausschlüpft, als wolle sie selbst Protagonistin sein. Menschen tragen Tiernamen, Dinge wie Fingernägel oder die Yogamatte werden personifiziert und zu stark überzeichneten Metaphern. Dabei klingt es durchaus etwas holprig und uninspiriert, wenn ständig die Haare der Füchsin, so der Name einer der Figuren, am Kopf lodern. Den Kosenamen erhält die Füchsin übrigens im zweiten Roman der Tetralogie, an der Kegele derzeit schreibt. Der inhaltliche Rückgriff wird zwei andere Protagonistinnen in den Fokus rücken, verrät die Autorin im Gespräch über das künftige Projekt.
Frauenfreundschaften und Kindheitstrauma
Doch zurück in die Gegenwart. Wie man schon aus dem Titel enträtseln könnte, ist Nadine Kegeles Erstling ein Schlechtwetterroman. Kein zu Hause spüren, kein zu Hause bieten können, unglückliche Lebenskonstellationen, scheiternde Beziehungen am Laufband – all das klingt nicht ganz angenehm. Umso erstaunlicher wirken die Frauenfreundschaften in diesem Buch. Sie schlagen mühelos Brücken zwischen unterschiedlichen Herkunftsbecken und man fragt sich, woher sie sich kennen. Sektimperiumstochter, Ausbildungslose, Yoga-Hausfrau treffen zum kritischen Tratsch zusammen. Gegen schubladisiertes Sozialschichtendenken sind auch sie nicht gefeit. Neid auf die jeweils andere Herkunft und Lebensbedingung modert zwischen den Zeilen. Gemein haben sie alle: Tod und Geburt stehen nahe aneinander. Das Leben dazwischen ist mühsam. Kümmern und Kummer sind zwei Seiten einer Medaille. Die Kindheiten der Protagonistinnen waren mehr verkümmert als unbekümmert. Ungeliebtsein, das man erfahren hat, gibt man weiter. Wenn auch nur in grausamen Gedankenspielen. An den titeltragenden Eidechsen etwa fasziniert Nora, eine der Hauptfiguren, der Selbsterhaltungstrieb des Schwanzabwerfens, wenn Gefahr droht. Dass der Schwanz nachwächst als wäre nichts gewesen, scheint ihr eine großartige Möglichkeit, um sich zu verteidigen und die Verletzung nicht ewig mit sich zu schleppen.
"Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause" handelt von der Gewalt und Aggression, die während des Kindseins eingepflanzt wurde. Das ist lustig wie der Notstandsbescheid bei der Sozialtafel für Haustiere. Freud hätte seine Freud gehabt: Todestrieb, Pädophilie … alles da. Boulevardschlagzeilen, wie man sie aus schmissigen Blättern kennt und wie sie in nachdrücklicher Form Gustav Ernst in "Beste Beziehungen" ausarbeitet. Die in Vorarlberg aufgewachsene Kegele sieht ihren Debütroman übrigens als Plädoyer für eine unbekümmerte Kindheit, für Feminismen, für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit. Ein Exzerpt daraus wurde im Vorjahr beim Bachmannpreis mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.
Nadine Kegeles Roman "Bei Schlechtwetter bleiben Eidechsen zu Hause" ist im Czernin Verlag erschienen und wird am 22. September am Wiener Badeschiff präsentiert – bei jedem Wetter. Nadine Kegele twittert als @Annalieder. Genauso wie auch Juliane Fischer @liabellafi, die Autorin dieses Texts.