Keine halben Sachen: Das Interview

Ein Verlag bietet jungen österreichischen Autoren eine Plattform. Nach dem Artikel dazu, hat Juliane Fischer nun einer Lektorin und einer Schriftstellerin zu Kremayr und Scheriau 10 Fragen gestellt.

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Tanja Raich ist Lektorin, Irmgard Fuchs Schriftstellerin, beide sind für den Verlag Kremayr und Scheriau tätig. Wie sieht die Verlagsbranche aus unterschiedlichen Perspektiven aus?

Wo habt ihr euch kennengelernt?

IF: Ich habe Tanja vor Jahren auf der Buch Wien die Hand geschüttelt. Irgendwann kam ein E-Mail, Kremayr & Scheriau plane ein Literaturprogramm und sie würde sich für meine Texte interessieren.

TR: Ich habe sie gezielt angeschrieben, nachdem ich einen Text von ihr in der Kolik gelesen hatte.

Ein Roman über das Verhältnis zwischen Lektorin und Autorin trüge den Titel …?

IF: 7.000 Zeichen weniger, bitte!

TR: Es ist alles nicht so schlimm, wie es aussieht!

Was macht der Kremayr & Scheriau Verlag anders?

IF: Anders … es ist ja mein erstes Buch. An der Uni wurde viel darüber geredet, wie unendlich schwierig und mühsam es ist, einen guten Verlag zu finden und was für zwielichtige Strategien man anwenden sollte, um Lektoren auf sich aufmerksam zu machen – bei Lesungen auflauern etc. Meine Erfahrung mit Kremayr & Scheriau ist da vollkommen anders. Die Grundhaltung des Verlags ist extrem offen und interessiert. Tanja schaut sich aktiv um und geht auch von selbst auf Autorinnen und Autoren zu, deren Texte sie gut findet. Das ganze Team ist außerdem sehr, sehr sympathisch und engagiert. Mein Buch hat zum Beispiel jeder im Verlag gelesen. Ich weiß nicht, ob das so viele über ihren Verlag sagen können.

TR: Ich glaube, dass wir ein klein wenig engagierter als andere Verlage sind, dass bei uns die Betreuung ein klein wenig besser ist, wir ein klein wenig moderner sind, dass wir ein ziemlich nettes Team sind und wir manchmal die Wünsche unserer Autorinnen und Autoren von den Lippen ablesen können. Kurzum: Wir sind einfach ein cooler Verlag.

Unsere Leser stellen wir uns so vor …

IF: Angezogen und unter einer ausreichenden Lichtquelle.

TR: Möglichst vielfältig.

Durch das Internetzeitalter (klar, Goethe bekam bestimmt auch schmachtende Fanpost) kann der Autor viel einfacher Kontakt zum Leser bekommen …

IF: Sobald Leser tatsächlich versuchen, mit mir Kontakt aufzunehmen, werde ich mich hoffentlich zumindest kurz wie Goethe fühlen.

TR: Für die Autoren ist es toll, unmittelbares Feedback zu bekommen, Stalking-Fälle sind uns bisher noch keine bekannt. Wir nutzen diese Möglichkeit auch, machen zum Beispiel Leserunden auf Lovelybooks, wo Leser die Bücher Kapitel für Kapitel diskutieren. Da kann schon auch mal herbe Kritik dabei sein, aber meist sind die Rückmeldungen äußerst positiv bis begeistert. Die Leser sind hier keine anonyme Masse, sondern man kann mit ihnen über unsere Neuerscheinungen diskutieren. Was hat ihnen gefallen, was weniger, gefällt ihnen das Cover und wenn nicht, was stört sie daran?

Die Covergestaltung, ein Thema wie eine heiße Herdplatte. So viele Autoren sind unzufrieden damit. Wie lief das bei euch ab?

IF: Am Anfang war die Farbe Pink und meine wahnhafte Gier nach einem Lesebändchen. Dann – nach mehreren Vorschlägen – kam das Cover und ich liebe es heiß. Vor allem den Buchrücken, der einen kitzelt, wenn man mit dem Finger darüber fährt. Meine einzige Sorge ist tatsächlich, dass das Buch viel schicker ist als ich.

TR: Die Autoren werden in den Prozess mit eingebunden. Manchmal verkompliziert sich dadurch die Cover-Findung, weil man es bei einem Cover vielen Menschen recht machen muss – den Verlagskollegen, unseren Vertretern, dem Buchhandel, den Autoren. Aber dadurch kommen auch Ideen, an die wir nicht gedacht hatten. Bei »Wir zerschneiden die Schwerkraft« hatten wir viele und unterschiedliche Entwürfe. Schlussendlich waren wir uns schnell einig und alle sind glücklich. Quasi ein Glücksfall. Was gar nicht geht: Cover, die der Autor schrecklich findet. Es ist immer noch zu 100 Prozent das Werk des Autors und ja – Verkäufe sind wichtig, der Verlag soll das letzte Wort haben, aber wenn man sich jedes Mal schämt, sobald man das eigene Buch in die Hand nimmt, dann ist da was schief gelaufen. Im Idealfall sind die Autoren begeistert, sobald sie das eigene Buch in die Hand nehmen. Und bei unseren vier war das der Fall, weil die Bücher alle was Besonderes geworden sind. Mit Tagesleuchtfarben, UV-Lack, Silbereffekt, ungestrichenem Papier, Transparentseiten, farbigem Vor- und Nachsatz, Lesebändchen, kleinen Grafiken im Buch selbst. Jedes Buch hat etwas Spezielles. Jedes Buch ist anders.

Die österreichische Buchszene ist schon ziemlich Bussi-Bussi und ziemlich überschaubar. Geht euch das auf die Nerven?

IF: Nö.

TR: Die Buchszene ist so klein in Österreich, da geht es gar nicht anders als sich früher oder später über den Weg zu laufen. Das hat seine Vorteile und seine Nachteile, klar. Aus Verlagssicht gibt es vielleicht mehr Vorteile, aus Autorensicht vielleicht mehr Nachteile. Bei Manuskripteinsendungen zählt für uns ausschließlich der Text, kann der Text nichts, hilft auch der beste Kontakt nichts.

Gibt es Themen oder Trends, die in der jüngsten österreichischen Literatur erkennbar sind?

IF: Bei so Fragen, wo ich objektiv etwas feststellen soll, reißt es mich immer halb vom Stuhl, weil das, was ich wahrnehme ja auch immer durch den Raster geht, was mich interessiert. Also meine ganz subjektive Antwort ist: Ja sicher sehe ich da Tendenzen. Es wird sehr kunstvoll und auch eloquent erzählt. Und es geht in diesen Erzählungen viel um den Alltag, um die gegenwärtige Wirklichkeit und das individuelle Empfinden gegenüber dieser Welt, die ja alles andere als überschaubar und verständlich ist. Und dadurch geht es auch gleichzeitig viel um Rückzug, um Einöde und ums in sich selbst zurückkehren. »Neuer Biedermeier« ist so ein Schlagwort, das da in meinem Kopf schwirrt. Aber eben alles ohne Gewähr, vielleicht meine ich damit auch nur mich selber.

TR: Die österreichische Literatur traut sich mehr. Österreichische Autoren legen meist besonderen Wert auf Sprachrhythmus und Klang und haben einen sehr eigenen Stil. Thematisch gibt es derzeit mit Sicherheit einen Trend zu Alltagsthemen. Es wird nicht mehr die große literarische Welt erfunden, sondern die Literarizität wird im Alltäglichen gesucht.

Bei so einem kleinen Verlag ist das Verhältnis zwischen Autor und Lektor bestimmt besonders. Könnt ihr das beschreiben?

IF: Das Verhältnis ist kein geschäftliches, sondern persönlich und freundschaftlich. Und zum anderen weiß ich, dass sich Tanja die Zeit nimmt, sich extrem mit meinen Texten auseinanderzusetzen und darum haben ihr Feedback und ihre Änderungsvorschläge auch immer Hand und Fuß. Das ist ein unheimlicher Luxus, finde ich, dass man sich da so auf jemand Zweiten verlassen kann und dass da jemand ist, der mit einem auf Augenhöhe diskutiert und denkt.

TR: Es kommt sicher immer auf das Engagement des jeweiligen Lektors an. Wenn ein Lektor in einem kleinen Verlag überlastet ist, hat er sicher genauso wenig Zeit für seine Autoren wie der Lektor eines großen Verlags. Der Unterschied besteht eher in der Gesamtstruktur. In kleinen Verlagen stellt jede Person ein bis zwei Abteilungen. Man kann einfach anrufen, man kann sich beraten. Man kann im Verlag vorbeikommen, man ist nicht eine Neuerscheinung von 300, sondern eine von 20 oder 30, das ist ein großer Unterschied. Der Kontakt ist in jedem Fall persönlicher, die Betreuung besser (da fährt dann auch mal der Verleger mit auf Lesereise), die Verlagsstrukturen überschaubarer, die Arbeit am Buch intensiver und man hat (zumindest bei uns) als Autor wesentlich mehr mitzureden.

Lesungen sind ….

IF: …. unglaublich schöne Erlebnisse, wenn man die Zuhörer dazu bringt, dass sie wirklich zuhören und mit einem in den Text eintauchen. Wenn sie husten, tuscheln und stöhnen, es laut und zugig ist und das Licht so schlecht, dass man den Text kaum sieht, dann naja …

TR: … ein besonderer Moment zwischen Autor und Leser.

Ab Herbst 2015 startet Kremayr & Scheriau ein neues Literaturprogramm mit diesen Debüts.

Bild(er) © Quelle: The Gap 152
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