Was machen gefeierte Autoren wie Siri Hustvedt eigentlich, wenn sie keine Bestseller schreiben? Im österreichischen Kulturforum in New York Übersetzungen diskutieren beispielsweise.
Die berühmten drei Prozent – es gibt zwar keine verbindlichen Statistiken, aber so hoch soll der Anteil der Übersetzungen für den US-amerikanischen Markt pro Jahr sein. Das bestätigt, dass die Verlagskonzerne der USA risikoscheu sind. Gleichzeitig könnte diese Zahl auch als Chance für Indie-Verlage gesehen werden. Und überhaupt gibt es vermehrt Hoffnungsschimmer, translation prizes und vernetzende Literaturfestivals wie das “New Literature from Europe“ mit Schauplatz New York City.
Die laute Weihnachtsmusik an der 5th Ave lockt Scharen an die narrativen Schaufenster der Big Names. Sie übertönt die Polizeisirenen, das Taxihupen und das Bimmeln der Salvation Army Glockerl neben dem Alu-Hotdog-Standler. Aus seiner Richtung verteilt sich Rauch auf dem Gehsteig, der im Regen schimmert. Durch die Menge bahnt sich auch ein Protest gegen die Polizeigewalt, jüngst wieder thematisiert durch den Fall Eric Garner.
Narrow, but broadminded
Wenn man in der 52igsten abbiegt, gelangt man in eine andere Form von Debatte. Hier wird Europa durch die Lupe gesehen. Mit all seinen Protesten in literarischer Form. In einem der außergewöhnlichsten Kulturforen, die Österreich auf der Weltkugel verteilt hat, findet nämlich das Festival „New Literature of Europe“ statt. Das Gebäude ist das größte und mit über 20 Stockwerken zweifellos das höchste der Austrian Cultural Foren. Narrow, but broadminded – beschreibt es der Übersetzer Philip Boehm im Lift. Für die Übersetzung von Hanna Kralls „Chasing the King of Hearts“ bekommt er hier im Rahmen des Festivals wenig später den Translation Award verliehen.
Niemand kann Schriftsteller werden ohne Übersetzungen zu lesen
Übersetzungen spielen ebenfalls eine Rolle in der Keynote von Barbara Epler, der Verlagschefin von New Directions. Auch sie erwähnt die in ihren Augen kläglichen 3%, die die Amerikaner an fremdsprachiger Literatur übersetzen und fügt gleich an: „I’m here for the good news job“. Mit 9 Mitarbeitern publiziert ihr Verlag immerhin 35 Bücher im Jahr, die Hälfte davon sind Übersetzungen. „We are very busy with lots of languages, though I only speak English.“ Aber es gäbe so viele gute Schriftsteller, die es verdienen, übersetzt zu werden.
Aber zu den literarischen Stimmen selbst. „5 Minuten Lesezeit und euer Ungarisch wird garantiert verbessert“, scherzt János Háy. Neben ihm lesen noch acht andere Schriftsteller aus europäischen Ländern in ihrer Muttersprache, während die Übersetzung ins Englische dahinter eingeblendet wird. All diese Werke über Asyl in Österreich (Susanne Scholl – Emma schweigt), den Holocaust, den Zusammenbruch des Kommunismus und dem Mord an einem Seelenklempner werden am Folgetag ausgiebig diskutiert.
Zur Moderation lädt man bekannte Leute, beispielsweise die Pulitzer Prize-Gewinnerin Lorraine Adams und die Bestseller-Autorin Siri Hustvedt. Bevor diese mit ihrer Gesprächsrunde über verborgene Geheimnisse diskutiert, gibt sie ein Statement ab, das ihr auf der Zunge zu brennen scheint. Und auch ihr geht es um den Status von Übersetzungen in den USA. „Ich werde jetzt nicht sagen, was man oft hört, nämlich zum Beispiel, dass Autoren aus kleinen Sprachen besonders übersetzt gehören. Ich sage, dass obwohl große Verlage beginnen Schriftsteller aus der ganzen Welt in größerer Anzahl zu verlegen, unsere Literatur sehr arm aussehen würde. Niemand kann Schriftsteller werden, ohne Übersetzungen zu lesen.“
Das New Literature From Europe fand von 5.-6. Dezember 2014 im Austrian Cultural Forum in New York statt. Die Autorin Juliane Fischer twitterte direkt vom Festival.