… Like für Like. Denn Likes, Followers, Views sind käuflich. Wer bezahlt wen und warum muss der User eigentlich nie zahlen? Oder muss der User doch immer zahlen?
Was kostet die Welt? Online in den meisten Fällen nichts und sollte es irgendwo doch so sein, gibt es irgendwie immer eine "gratis" Alternative. Wir lesen gratis Zeitung, sehen Millionen Videos, schreiben E-Mails, spielen Spiele, vernetzen uns, finden gratis alles was wir suchen und werden gefunden. Natürlich ist hinlänglich bekannt, dass "gratis" nicht existiert und man im Leben sowieso nichts geschenkt bekommt. Oder in der Netzsprache:"If you don’t pay for it, you’re the product."
Nun ist das alles in dieser schönen neuen Welt längst alter Tobak – im Gegenzug für zahllose Services folgen uns Google, Facebook & Co. auf Schritt und Tritt und dokumentieren unsere Reise durch die Online-Welt für die Werbewirtschaft, das weiß jedes Kind. Datenschutz-Debatten haben längst einen Bart und wer nicht will, der kann ja draußen bleiben.
Es ist also eine individuelle Kosten-Nutzen-Rechnung, ob man sich für opt-in oder opt-out entscheidet. Wie auch immer diese Entscheidung ausfällt, deine Daten sind die Währung im Netz und der Treibstoff, der es am Laufen hält. Schlussendlich erfährt dadurch auch dieser Artikel seine Daseinsberechtigung. Und immerhin scheinen auf persönlicher Ebene die Auswirkungen der Datenernte überschaubar: Was ist schon so schlimm daran, dass Google und Amazon wissen, dass ich einen Tauchurlaub plane und mir deshalb Resorts, Flossen und Flugangebote vorschlagen? Aus der Vogelperspektive formt die Tragweite der Datenernte ein anderes Bild. 140 Mrd. Dollar sind heuer für digitale Werbung veranschlagt worden, knapp ein Drittel davon für Social Media.
Online Werbung 1.01
Ein Tweet, das sind vordergründig 140 Zeichen Inhalt, hintergründig fließen knapp eine Din A4-Seite Informationen pro Tweet durchs Netz. Darunter Zeitangaben, die Relationen von erwähnten Accounts, Geoinformation, wie viele Follower der Sender hat, wem er selbst folgt usw. Einzeln gesehen keine große Sache, aber so funktionieren Daten auch nicht: einzeln. Im Gegenteil. Je größer der Haufen, desto besser. Willkommen in der Zukunft, willkommen bei Big Data.
Zahlungswillige Kunden, in erster Linie die Werbetreibenden, können sich nun von Twitter und Drittanbietern Informationen extrahieren lassen, wie, wer, wo und was über ein Produkt, eine Marke, oder aber auch ein gesellschaftliches Thema gesprochen wird und dementsprechend ihre Kampagnen planen. Der Clou an der Sache ist, dass nur die Plattform selbst Zugriff auf die eigentlichen Daten hat, diese auswertet und anonymen Konsumkategorien zuteilt und der Deal darin besteht, die richtige Werbung zur richtigen Kategorie zu transportieren.
Alles, was jetzt noch benötigt wird, sind Webseiten, die genügend Personen (Traffic) zu den Werbeflächen (Banner) bringen und herzlichen Glückwunsch: Wir haben das Internet verstanden, zumindest grob. Für die Teilnahme an der größten Echtzeit-Marktstudie aller Zeiten erhält der User Zugang zu Services, die Betreiber der Plattformen verwerten die gesammelten Daten und die Werbewirtschaft bekommt Informationen, um ihre Nachrichten effektiver zu transportieren. Win-Win-Win!?
Enclosure
Nein, sagen nicht nur Datenschützer, sondern auch kritische Wirtschaftswissenschaftler und wehen mit den roten Fahnen, wenn es um das Businessmodell von Online-Werbung geht. Als "Enclosure" (dt. Einhegung) bezeichnete man die Umwidmung von Ackerland in spezifisches Nutzland zu Beginn der industriellen Revolution, worin Neomarxisten einen Grundstein für das Aufkommen des Kapitalismus sehen. Eben jene prägen auch den Begriff "digital enclosure" für die Ansammlung und Kapitalisierung von privaten Daten, der Landbesitz des Informationszeitalters.
Sie kritisieren Social Media-Netzwerke, die Kommunikation und Interaktion zu kommerzialisieren und aus dem sozialen Kapital der Nutzer Gewinn zu schlagen. Dass dem so ist, ist längst keine Neuigkeit mehr und mit dem Bestätigen der AGBs willigen User freiwillig in ihr Schicksal ein, oder eben nicht. Der Vorwurf gilt nicht dem Businessmodell selbst, sondern dessen Umsetzung: Es würden Rahmenbedingungen geschaffen, welche dem User nach vorne hin Kontrolle über dessen Datenmanagement ermöglichten und die semantischen Inhalte nicht auswerten würden, nach hinten jedoch das volle Datenpotenzial aus jeder Interaktion für sich selbst schöpften (vertikales Data Mining).
Weiters könne jegliche Interaktion seitens der User als Arbeitsschritt im Wertschöpfungsprozess Social Media gesehen werden, da so die Handelsware Data produziert werde, schreibt der australische Medienwissenschaftler Mark Andrejevic. So düster diese Perspektive erscheinen mag, bleibt die Frage offen, ob gezielte Werbung tatsächlich jenes Monstrum ist, welches Kritiker wie Andrejevic so schwarzmalerisch zeichnen.