Journalismus ist tot, hört man ja ständig und überall. Dabei gibt es viele neue und multimediale Darstellungsformen wie etwas den Comic-Journalismus. Wir haben spannende Projekte gesammelt.
Dan Archer
Dan Archer gilt als einer der bekanntesten Cartoon Journalisten. Mit seinem Projekt Archcomix veröffentlicht er Beiträge, die aussschließlich in Comic-Form präsentiert werden. Des Weiteren dient die Homepage als Plattform für Gleichgesinnte und Interessierte. Das Bild zeigt einen Ausschnitt eines Comics zu Menschenhandel in Nepal.
This is what the world looks like if you scale countries by population
Karten wie diese gibt es eigentlich schon lange. Aber die neue Anordnung, die pixelige Grafik, die konkreten Bevölkerungszahlen und Buzzfeed-artige Schlagzeilen haben dieses Bild (hier in großer Auflösung) kürzlich rasend schnell verbreitet. Woah, Welt, da gibt es noch andere. So griffig lässt sich das heutzutage darstellen.
Art Spiegelmann
Spiegelmann, vielfach ausgezeichnet, seine politischen Zeichnungen. Hier die Arbeit "Im Schatten keiner Türme" zu sehen, die als Aufarbeitung zu 9/11 gesehen werden kann. Als Buch zu bekommen.
Paula Bulling
Die Berlinerin Paula Bulling bewegt sich mit ihrem Journalismus zwischen Aufklärungsarbeit, Comic und Zeichenkunst. Neben Magazinen auch in Galerien anzutreffen. Die hier gezeigten Bilder erzählen die Geschichte des NS-Flüchtlings Erich Priebke.
Patrick Chappatte
Patrick Chapattes Dokumentar-Zeichenfilm beschreibt die Gräueltaten des Libanonkrieges. Durch die zeichnerische Darstellung ergibt sich die Möglichkeit, subjektive Eindrücke zu schildern. Wenn persönliche Wahrnehmungen in journalisitischen Arbeiten auch oftmals verpöhnt werden, Zeichnungen oder Zeichenfilme sind ein Medium, um Vorgänge oftmals realistischer wiederzuspiegeln zu können. Gerade dann sinnvoll, wenn es um Kriege und dessen Auswirkungen geht.
Jackie Roche
Vice News erkannte das Potenzial des visuellen Journalismus schon relativ früh und verwendet immer wieder diese Form, um investigative Inhalte wiederzugeben. Die Amerikanerin Jackie Roche ist dabei eine der wichtigsten Zeichnerinnen.
Der Standard
Wie viele Tageszeitungen verwendet auch der Standard vermehrt interaktive Infografiken, um seine Inhalte besser darstellen zu können. Hier eine Österreich-Karte zu sehen, in der man sich durch das Einkommenverhältnis der einzelnen Gemeinden durchklicken kann.
Die Zeit
Gerade wenn es darum geht, wissenschaftlich komplexe Inhalte wiederzugeben, scheitert eine reiner Text oftmals. Der hier gezeigte Ausschnitt eines Artikels aus der Zeit schildert auf simple Weise den Vorgang resistenter Keime, mithilfe von Grafiken.
corrective.org - MH17
Das Start-Up corrective.org ist derzeit sicher eines der spannendsten Projekte für neue Formen des Journalismus. Die Reportagen bedienen sich jeder erdenklichen Form der Darstellung. Ob Comic, Soundclud, Infochart oder Text, alles wird untergebracht. Wirklich sehenswert das Ganze. Hier ein Beitrag zum Flugzeugabsturz der MH17.
corrective.org - Keime
In erster Linie handelt es sich um eine reine Text-Dokumentation über Keime. Doch durch die Kombination von gifs., multimedialen Karten und persönliche Fragebögen animiert der Artikel zum Mitmachen, und eben auch zum Weiterlesen.
Der Spiegel
Mein Vater ein Werwolf. Die multimediale Aufarbeitung der nazi-gefärbten Familiengeschichte Cordt Schnibbens kombiniert unterschiedlichste Techniken. Ob tonale Unterlegung, originale Dokumente und Fotografien, intuitive Steuerung. Neben reinem Text ist viel dabei. Kann man sich in der Form öfters durchlesen. Die DDR-Story von Schnibben ist übrigens ähnlich großartig gemacht.
Süddeutsche Zeitung
Bewegtbilder, Videos, interaktive Grafiken. Die Grenzen zwischen Film und klassischer Textreportage verschwimmen beim Beitrag "Der Schwarze Tod - Pest auf Madagaska" eigentlich fließend. Man switcht zwischen Betrachtung und Lesen und weiß eigentlich nicht so wirklich, um welche Art von Medium es sicht handelt. Sicherlich ein Modell zum Orientieren.
Die Zeit
Uli Hoeneß, Steuersünder. Viel darüber gelesen, mehr noch davon gesehen. Diese einfache Grafik stellt auf simpelste Weise das Ausmaß seiner Steuerhinterziehung dar. Oft sagt ein Bild einfach mehr als tausend Worte.
Symbolia Magazin
Das Symbolia Magazin widmet sich vollends dem Cartoon-Journalismus. Ob Umweltschutz oder Debatten über geschlechtliche Gleichstellung, vieles hat in Symbolia Platz, immer in Form einer Zeíchnung. Als Printversion, Download oder App erhältlich.
Buzzfeed
Buzzfeed ist ja ohnehin für neue journalistische Formen bekannt, wenn auch nicht unumstritten. Diese Idee kann man jedoch auch bei klassischeren Medien gut heißen. Der Text ist simpel gehalten, die Schlagwörter und Untertitel sind in zeichnerischer Form dargestellt. Definitiv ansprechend.
Infotainment, Datenvisualisierung, Comic-Journalismus. Diese und weitere Begriffe sind Schlagwörter, wie journalistische Arbeit mehr sein kann als, ja genau, dieser Text hier. Lesen ist nice, aber in bewegten Zeiten längst nicht alles.
Betrachtet man die Medienlandschaft genauer, wird klar, Visualisierungen gewinnen mehr denn je an Bedeutung gegenüber reinen Textbeiträgen. Ob soziale Medien oder digitale Newspaper, ein Bild, ein Meme, ein Reaction GIF oder ein kurzes Video kann zielführender sein. Denn wir leben in einer visuellen Gesellschaft.
Werbung hat das ohnehin schon lange verstanden. Bei journalistischen Inhalten hinkt die visuelle Aufbereitung häufig nach. Millionen sinnloser Stockfotos sollten Beweis genug sein für die Einfallslosigkeit, mit denen der schreiberische Alltag oft zugebracht wird. Eine Ausnahme sind Satire und Karikatur, die allerdings zumindest bis heuer etwas belächelt wurden.
Zwischen Ethik und Photoshop
Dass dieses Denken immer mehr der Vergangenheit angehört, beweisen die Medien selbst. Kaum eine Tageszeitung verzichtet heute noch auf Datenvisualisierung, interaktive Grafiken und Comic-Journalismus – weder im Online- noch Printbereich. Warum, das ist relativ simpel. Komplexe Inhalte können vereinfacht dargestellt werden, Fakten bewusster wahrgenommen werden, der Leser bekommt die Möglichkeit, sich ein besseres Bild über die Thematik zu machen und interaktiv zu beteiligen. Verschiedene Medien verschwimmen und ergeben etwas Neues.
Ein Vorurteil, mit dem visueller Journalismus und insbesondere Comic-Journalisten zu kämpfen haben, ist die Annahme, zeichnerischer Berichterstattung fehle die für Journalismus notwendige Objektivität und Faktizität. Meistens unterliegen auch Visualisierungen den ethischen Grundsätzen journalistischer Arbeit.
Dass mit journalistische Arbeiten stets Selektions- Interpretationsprozesse einhergehen, gehört zum Teil dieser Arbeit, und dass so ziemlich alle Bilder in Druck- und Onlinemedien gephotoshopped sind, mittlerweile wohl auch. So kann man sich 2015 beruhigt auf visuellen Journalismus einlassen, auch abseits der Satire.
twenty.twenty findet am 10.Feber ab 18.30 im Wiener Hub, Lindengasse 56, statt. Keynote-Speaker ist Reinhard Schulz-Schaffer (HAW Hamburg Informative Illustration und Visuelle Publizistik)
Am der Podiumsdiskussion nehmen anschließend teil: Nina Dietrich (Illustratorin, Lehrbeauftragte und Künstlerin), Lukas Plank (Journalist), Markus Hanzer (Kommunikationsdesigner), Moderation: Sarah Kriesche