Gleich viel Frauen wie Männer, das wäre das Ziel der neuen Popfest-Kuratoren Electric Indigo und Trishes. Wir haben beide um erste Antworten zum 6. Popfest gebeten.
Das Popfest hatte immer schon eine Schlagseite. Robert Rotifer hatte eine, Patrick Pulsinger genauso, Wolfgang Schlögl und Violetta Parisini auch. Wer sich vom Popfest erwartet, dass es alles abbildet, was in Wien passiert, überschätzt einerseits das Popfest-Budget (zuletzt 250.000 Euro) und unterschätzt die Gagenvorstellungen von Acts wie Parov Stelar, Bilderbuch oder Klangkarussell. Andrerseits geht es auch beim Kuratorenprinzip genau darum, dass kompetente Menschen, die das Geschehen schon jahrelang verfolgen, ihren eigenen Blick präsentieren.
Das wird bei Electric Indigo und Trishes ganz besonders so sein. Erstere hat mit Female:Pressure vor nun schon 17 Jahren ein Netzwerk gegründet, das sich für die Sichtbarkeit von elektronischer Musik von Frauen einsetzt. Trishes beobachtet und verstärkt seit Jahren bei FM4 heimischen Hip Hop. Es werden heuer also wohl ein paar Controller, Synths und Mikros mehr als sonst beim Popfest rumgetragen werden.
Wir haben beide um ein paar gemeinsame Antworten gebeten wie weit sie schon sind.
Kuratoren sind dazu da, um ihre Handschrift zu hinterlassen. Wie wird die bei euch aussehen? Und wird sie nur das Lineup betreffen?
Ja, so sehen wir das auch! Wir wurden als Kuratorin und Kurator engagiert, um unsere Haltung, unsere Sicht auf die Szenen und Musik einzubringen. Für uns kann es gar nicht um einen hypothetischen gemeinsamen Nenner gehen, der für alle vorstellbaren Besucher_innen gleichermaßen gilt. Für sowas sind wir nicht die Richtigen.
Darüberhinaus machen wir uns natürlich auch Gedanken, wo wir welche Konzerte planen. Wir wollen das Popfest auch gerne wieder mehr um den Karlsplatz zentrieren und eventuell auch die eine oder andere Räumlichkeit bespielen, die bisher noch nicht vom Popfest in Beschlag genommen wurde. Letzteres ist allerdings noch nicht spruchreif.
Wer kümmert sich um Rock, Folk und die vielen analogen Ecken?
Wir werden nicht alle erdenklichen Spielarten des Pop abdecken, dazu fühlen wir uns nicht berufen. Wie oben schon angedeutet, interpretieren wir unser Engagement so, dass wir unsere langjährige Expertise in bestimmten Musikfeldern natürlich besonders einbringen sollen und werden.
Trotzdem gibt es für uns höchst interessante Musik in Sparten, die man uns vielleicht nicht zuallererst zuordnen würde. Wir sind gerade dabei, unsere "key values" zu benennen, eine Art Kriterienkatalog zu entwickeln, der unserer Entscheidungsfindung dienlich sein soll. Dazu gehören etwa Werte wie Bühnenpräsenz, stimmliche Qualitäten, Stringenz, Form, Präzision, aber auch Haltung, Credibility, soziale Diversität. Das heißt, es spielen viele Faktoren eine Rolle, die auf alle Genres angewandt werden können.
Immer wieder wurde über Frauenanteil geredet, nicht zuletzt von female:pressure. Was für ein Anteil stellt ihr euch vor? Gerade im Hip Hop ist das nicht so leicht.
Es scheint fast, als wäre das im hiesigen Hip Hop leichter als in anderen Sparten…
Wir streben ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis an, das ist uns beiden ein sehr wichtiges Anliegen. Aber wir sind nicht sicher, ob uns das gelingen wird. Wir bemühen uns jedenfalls sehr, recherchieren und fragen an.
Wird es Headliner geben? Wie viel des Programms habt ihr schon fixiert?
Klar wird es bekanntere und weniger bekannte Namen geben. Was wir aber beide sehr begrüßen, ist die gängige Praxis des Popfestes, die besonders populären Acts nicht ans Ende des Tagesprogrammes zu setzen, wie das sonst im Popbusiness so üblich ist. Der Gedanke ist ein solidarischer: die "größeren" Namen unterstützen die Sichtbarkeit der weniger großen.
Im Moment ist noch vieles offen, es stehen noch nicht mal alle Venues fest.
Wie sehr reden Robert Rotifer (Kurator der ersten drei Jahre) und Christoph Möderndorfer (Festivalleiter) beim Lineup mit?
Gar nicht.
Das Popfest kommt wohl nach dem Wien-Wahlkampf dran. Wie genau sprecht ihr euch mit all den anderen ab, die vor euch noch präsentables Wien-Programm machen sollen (Soundframe, Neue Wege, MQ, Stadtfest, Donaukanaltreiben, etc)?
Das müsstest Du Christoph Möderndorfer fragen. Wir als Kuratorin und Kurator koordinieren uns nicht mit anderen VeranstalterInnen. Wenn Acts aber schon bei x anderen Stadtfesten gebucht sind, dann spricht sich das ohnehin schnell rum.
Stefan, wir hatten ja vor zwei Jahren ausführlich über die Wiener Szene geredet. Hat sich seither spürbar etwas verändert?
Ich denke, die Internationalisierung ist noch etwas weiter fortgeschritten. Da gibt’s mittlerweile Leute wie Kimyan Law, die in England gute Presse bekommen und dafür in ihrer Heimatstadt Wien noch kaum wahrgenommen werden. Andererseits kann man 2014 sogar wieder mit Popsongs im Wiener Dialekt in Deutschland punkten. Auch sehr wichtig ist aber, dass die österreichischen Musiker/innen im eigenen Land wieder mehr wahrgenommen werden und im Gespräch sind.
Wie erfolgreich waren eigentlich die Popfest Sessions wochenends, wenn draußen Hochsommer ist? Wird es die weiter geben?
Manche der Gespräche waren sehr interessant und auch gut besucht, andere vielleicht weniger. Wir sind auch da gerade am Überlegen, in welcher Form das am sinnvollsten ist. Zu Besprechen gibt’s jedenfalls genug.
FM4 ist ja relativ streng, wenn es darum geht Bands mit Redaktionsbeteiligung zu spielen. Wie wird das beim Popfest sein? Und wird die FM4-Ente wieder im Teich schwimmen?
Das ist eigentlich keine aktive Sorge von mir. Vielleicht werden vereinzelt Kolleginnen oder Kollegen im Programm auftauchen – aber nur, wenn es musikalisch passt! Und wegen der Ente musst du das FM4-Marketing fragen.
Electric Indigo (Susanne Kirchmayr) und Trishes (Stefan Trischler) kuratieren die sechste Ausgabe des Popfests. Das Popfest Wien findet von 23. bis 26. Juli 2015 am Wiener Karlsplatz statt.