Du brauchst eine eigene Handschrift, heißt es in der Fotografie immer wieder. Einer, der es geschafft hat, ist Andreas Waldschütz. Nach einigen Umwegen.
Andreas Waldschütz ist sehr spät in der Fotografie gelandet, erst vor sieben Jahren, da war er 32. Davor ist für ihn in Österreich nicht viel passiert, stattdessen hat er sich international mit Musik- und Modefotografie einen Namen gemacht. Anfangs waren die Arbeiten noch sehr unterschiedlich, mittlerweile haben sie alle diesen ganz besonderen, eher düsteren und auf jeden Fall unverkennbaren Stil: "Viele haben daraus geschlossen, dass ich auch persönlich sehr dark sein muss. Doch Leute die mich kennen wissen, I’m a happy Motherfucker!"
"Mich langweilt nichts mehr als ein cleanes, scharfes Bild", sagt Andreas Waldschütz, wenn man ihn nach seinem persönlichen Stil fragt. Das Cleane versucht der Fotograf auf verschiedene Arten zu zerstören. Er hält sich Gegenstände vor die Linse oder fotografiert durch sie hindurch, was man normalerweise nicht machen sollte, weil ja dann die Bildinformation verlorengehen könnte. Doch genau das macht seine Bilder aus. Inspirationen findet er in außergewöhnlichen Locations. So auch bei seiner ersten Ausstellung »Sand People«. Ihm wurde von einer Geisterstadt bei einer alten Diamantenmine in Namibia erzählt. Die Wüste holt sich dort ihr Territorium zurück: »Da sind die Sanddünen in den alten Herrenhäusern, voll abstrakt, voll geil. Aufgrund dieser Location haben wir eine Geschichte geschrieben.«
Equipment ist gar nicht so wichtig, sagt er. Die Technik muss sich anpassen, heute eine Kamera, morgen eine andere. Wichtig ist, wie man die Dinge sieht. Man muss raus in die Welt. Und raus ist er definitiv.
Arbeiterkind aus Donaustadt
Wenn man Fotografen nach dem Beginn ihrer Leidenschaft fragt, sprechen sie oft über ihre erste Kamera. So auch Andreas Waldschütz, dessen visuelle Reise im Alter von zwölf Jahren im 22. Wiener Gemeindebezirk begann. Ein Onkel hat ihm damals eine alte Yashica geschenkt. Ahnung hatte er keine, was er da macht. Er ist raus in die Natur, hat Bäume fotografiert und sich Notizen zu den Lichtverhältnissen gemacht. Im Arbeitermilieu, in dem der mittlerweile 39-Jährige aufwuchs, waren kreative Berufe nicht wirklich etwas wert. Also machte er eine Lehre zum Großhandelskaufmann und wechselte später ins Event-Management. »Dann war mir das alles irgendwann zu deppert.« Sprach’s und ging auf Weltreise. Und wie es eben so passiert, lernt er in Neuseeland ein Mädchen aus San Francisco kennen und landet in Amerika, wo er im Filmbereich als Assistent beginnt und mit Größen wie Mike Patton von Faith No More zusammenarbeitet.
Er fängt an seine ersten eigenen Musikvideos zu machen, doch nach zweieinhalb Jahren bekommt er kein Visum mehr und muss zurück. Fotografie war bis dahin immer noch kein Thema. Er zieht nach London, weil er sich dort den großen Durchbruch erhoffte, was aber kam, war ein Einbruch: »Am zweiten Tag ist jemand in meine Bude eingebrochen und hat alles genommen, was ich hatte. Laptop, Kamera, Festplatte, meine gesamten Arbeiten.« Mit einem Kumpel, dem Rennrollstuhl-Weltmeister Thomas Geierspichler aus Salzburg, fliegt er nach Südafrika und betreut den Sportler dort bei der Vorbereitung für die Paralympics 2008. »Thomas hat mich gefragt, wieso ich nicht fotografiere. Damals sah ich es aber noch als Abstufung an, Fotograf zu sein, nachdem ich Regisseur werden wollte.« Waldschütz fängt dann trotzdem damit an. Seine ersten Fotos macht er von Kindern in den Slums von Südafrika. Diese Bilder, seine allererste Arbeit aus dem Jahr 2007, hängen nun im Gästezimmer bei ihm zuhause. Nach ziemlich großen Umwegen ist er doch noch dort gelandet, wo er eigentlich am Anfang hinwollte. Auch wenn er sich lange noch nicht Fotograf genannt hat, weil er viel Respekt vor dem Beruf hatte. In Wien baut er ein Team um sich auf. »Es ist wie eine Familie. Das wirkt nach außen hin wie eine geschlossene Partie, in die du nicht reinkommst, aber wenn du drin bist, dann ist es geil, weil du weißt, wie der andere funktioniert.« Es wird viel Freiraum gelassen. Jeder in der Familie hätte seinen Stellenwert. Alle haben irgendwelche besonderen Skills – Fotografieren, Haareschneiden, Make-up und so weiter. Wie es da mit Kritik von außen aussieht? »Kritik kam meist nicht wegen meiner Arbeit, sondern wegen meinem Wesen. Leute hatten das Gefühl, ich wäre so eine Diva, mit mir wäre es schwer zu arbeiten. Die Menschen haben sich vielleicht auch ein Bild durch meine Arbeit gemacht. Das sieht alles teuer und aufwendig aus. Wir wollten uns ja hervorheben, das macht eben viel Wind nach außen.«
Nächste Seite: Geldverdienen, Musikfotografie