„Frauen brauchen Raum“ – Barbara Klein im Porträt

Barbara Klein ist Theatermacherin und Feministin. Einfach war das nicht immer. Von der Schauspielerei gewissermaßen enttäuscht, widmet sie sich dem Theater aus einer anderen Perspektive. Entstanden aus einer Bürgerbewegung und erkämpft durch Besetzungen und kreative Interventionen beschäftigt sich das von ihr mitgegründete Kosmos Theater bis heute mit Genderthematiken. Kommendes Jahr übergibt die Intendantin das Zepter – und blickt zurück.

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© Maximilian Meergraf

Eigentlich wollte sie Päpstin werden, eröffnet Barbara Klein das Gespräch: „Weil ich fasziniert war von dem Theaterspektakel ‚Katholische Messe‘. Die Kostüme, die Fremdsprache, der Geruch. Einer spricht und alle müssen zuhören.“ Genau dieser eine wollte sie sein. Dass nur Männer an diesem Schauspiel aktiv teilnehmen durften, war ihr als Kind nicht aufgefallen. Bis ihr die Eltern beibrachten, warum sie sich diesen radikalen Berufswunsch aus dem Kopf schlagen müsse. In diesem Moment, sagt die mittlerweile 63-Jährige, habe sie sich entschieden, Schauspielerin zu werden. In der gleichen Sekunde sei sie Feministin geworden, legt sie nach. An einem heißen Julitag blickt Barbara Klein auf 17 Jahre als Intendantin des Kosmos Theaters zurück. Hartnäckigkeit und Widerstandsgeist führten zur Verwirklichung ihres Traumes von einem öffentlichen Raum der Frauenkultur. Die Wienerin mobilisierte Unterstützer und Unterstützerinnen, organisierte eine Besetzungsaktion, campierte vor dem Bundeskanzleramt und setzte ihr Geld aufs Spiel. Der zivilgesellschaftliche Kampf für ein solches Projekt ist nicht selten langwierig und kräfteraubend. „Ich bin an meine Grenzen gegangen. Wenn mir vorher jemand gesagt hätte, was da alles auf mich zukommt, hätte ich es nie gemacht“, sagt sie heute. Und dennoch hat die Theatermacherin nichts von ihrer Fröhlichkeit und Offenheit eingebüßt, gibt bereitwillig einen Einblick in ihre Lebensgeschichte.

Beginn der Schauspielkarriere

Ihre Karriere begann Barbara Klein am Max-Reinhardt-Seminar, ihr Studium finanzierte sie sich unter anderem als Parkplatzwächterin. Es folgten vier Jahre Schauspielerei im Volkstheater und einige TV-Rollen. Doch der künstlerische Zugang, so wie sie ihn sich vorgestellt hätte, fehlte. Darunter litt die persönliche Entwicklung und Klein wanderte schließlich in die freie Szene ab. Sie gründete Mitte der 80er Jahre mit Kollegin Krista Schweiggl die Kabarettgruppe Chin & Chilla. Kabarett war ihrer Meinung nach die beste Möglichkeit gewesen, um politisches Engagement mit Kunst zu verbinden. Über den Witz gelang es ihr, ihrem politischen Denken Ausdruck zu verleihen. Die berüchtigte Textmontage aus dieser Zeit trug etwa den Titel „Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad“. Die beiden Kabarettistinnen zählen auch zu den Mitinitiatorinnen des Frauenvolksbegehrens im Jahr 1997. „Unsere ersten Treffen fanden im Celeste statt. Die elf Forderungen haben wir dann bei mir in der Wohnung formuliert“, erinnert sich Klein. Zwar haben damals 645.000 Menschen unterschrieben, eine große Folgewirkung blieb aber bekanntlich aus. In der Schauspielerin, zu dieser Zeit alleinerziehende Mutter einer Tochter, wuchs der Wunsch nach einem öffentlichen Kultur- und Vernetzungsraum. Mit dem leerstehenden, baufälligen Pornokino Rondell in der Riemergasse hatte Klein auch eine Location im Auge, die ohnehin– ursprünglich auf Initiative des ehemaligen Kulturministers Rudolf Scholten – in ein Theater für freie Gruppen umgebaut hätte werden sollen.

Besetzungsaktion

© Archiv Kosmos Theater

Im tiefsten Winter besetzte die heutige Intendantin also gemeinsam mit einem Kernteam aus rund 25 Frauen das Rondell. Wie man so eine Besetzung bestmöglich angeht? „Das erste was man braucht, ist eine Bar“, sagt sie und lacht herzhaft. Mit Christine Nöstlinger, Robert Menasse, Elfriede Jelinek, Eva Rossmann und Alfred Dorfer konnte sie auf prominente Unterstützer bauen. Josef Hader stellte eine Heizkanone auf, um die Kälte zu lindern. Klein erzählt von den Kunstwerken, die die Gruppe aus dem Schutt kreiert hat, von Konzerten, von Performances, von durchdiskutierten Nächten und von vereitelten Räumungen. Die aufregende Stimmung während dieser zehn Tage wird in diesem Moment wieder sichtbar. „Ob sich unser Kampf am Ende lohnen würde, war ungewiss. Dennoch fanden sich wunderbarerweise immer wieder Menschen, die mit unglaublichem Erfindungsreichtum und Stehvermögen Ideen aufgriffen und unterstützten“, erzählt sie. Dabei sei es um weit mehr, als das jeweilige Projekt gegangen: „Das gemeinschaftliche politische Handeln erlebten wir als identitätsstiftend und lustig.“ Natürlich war auch für Konfliktstoff untereinander gesorgt, allen Vorstellungen gerecht zu werden, stellte sich als schwierig heraus: Von politisierenden Feministinnen wurde Kunst oft als Blümchenthema angesehen, umgekehrt fühlten sich Künstlerinnen vom Feminismus eingeschränkt. Die Konflikte wurden ausgetragen, „auf einem sehr hohen politischen und menschlichen Niveau“, wie sich Heidi Ambrosch – heute Frauensprecherin der KPÖ – im Buch zum 10-jährigen Jubiläum des Kosmos Theaters erinnert: „Ich habe aus dieser Zeit viel für mein Leben mitnehmen können.“

Prominente wie Josef Hader und Robert Menasse unterstützen früh die Besetzung des Rondells. © Archiv Kosmos Theater

Trotz der Anstrengung wurde das Rondell am Ende dem Jazz-Club Porgy & Bess zugesprochen. Doch die weiter andauernden Aktivitäten verhalfen schließlich zu einem alternativen Objekt, dem ehemaligen Kosmos Kino in der Siebensterngasse. Eine neue Etappe begann: „Wir mussten eine GmbH gründen, um von Bund und Stadt Wien das zugesagte Geld einholen zu können. Das gestaltete sich extrem mühsam, weil jede Förderstelle einen anderen Abrechnungsmodus forderte“, erinnert sich Klein. Außerdem musste sich die Schauspielerin plötzlich mit Miet- und Baurechtsfragen auseinandersetzen, denn für den Umbau, so erklärte man ihr, sei sie selbst verantwortlich. „Es war ein großes Glück, dass ich so gut vernetzt war.“ Im Jahr 2000 wurde das Kosmos Theater schließlich mit der Premiere von Lilly Axters „Königinnen“ eröffnet. Ein Stück, in dem die lesbischen Identitäten dreier Frauen im Mittelpunkt stehen.

Eröffnungsrede von Elfriede Jelinek

In ihrer Eröffnungsrede sprach Elfriede Jelinek die später so oft zitieren Worte: „Ich frage mich, wie es möglich ist, dass Personen immer noch für ihre Anliegen auf die Straße gehen müssen, demonstrieren müssen, Druck machen müssen, nur aufgrund ihres Seins, aufgrund der biologischen Tatsache, dass sie Frauen sind.“ Eine Feststellung, die nicht an Aktualität verloren hat. Erst kürzlich diskutierten unter anderem Stefanie Sargnagel und Michael Fleischhacker bei einer Matinee im Theater in der Josefstadt darüber, warum die ewige Diskussion über den Feminismus eigentlich so nervig ist. „Viele verstehen die politische Forderung dahinter nicht“, sagt Barbara Klein dazu: „Der Begriff ist unterlegt worden mit Bildern, die nicht existieren. Wir sind ja die Schreckschrauben. Es gibt die bewusste oder auch unbewusste Tendenz, den Frauen ihre Sprache wegzunehmen, indem man sie lächerlich macht.“ Wer der Meinung sei, Feminismus ist veraltet, denke nicht nach, woher diese Einstellung kommt. Umso wichtiger findet sie es, die Neuauflage des Frauenvolksbegehrens zu unterstützen – „und zwar auch dann, wenn man nicht mit allen Forderungen einverstanden ist. Es ist wichtig, dass überhaupt etwas passiert.“

Der Kampf um Förderungen

Das Kosmos Theater besteht bis heute als Ort, an dem Frauen die Sprache eben nicht weggenommen wird. Allerdings befindet sich die Spielstätte bis heute in einer relativ prekären Lage. Von den Verantwortlichen der öffentlichen Hand werde das Theater nach außen hin freilich geschätzt, zu spüren bekomme man von dieser Wertschätzung aber wenig: „Wir erhalten seit Jahren die selbe niedrige Förderung, sie wird nicht an die Inflation angepasst und das bedeutet in Wahrheit permanente Kürzungen.“ Aus dem Büro von Andreas Mailath-Pokorny, Stadtrat für Kultur, heißt es hingegen, das Kosmos Theater nehme einen besonderen Platz in der Theaterszene ein: „Es hat seine Wurzeln ja bekannter Weise in der Frauenbewegung und wird heute als Haus mit einem Fokus auf Genderthematik betrieben. Dieser spezielle Fokus ist auch der Grund, warum das Theater von der Stadt in hohem Maße gefördert wird. Obwohl es keine Empfehlung der Theaterjury für das Theater gibt, erhält es mit 600.000 Euro aktuell eine der höchsten Förderungen in diesem Bereich, da die Bühne diesem gesellschaftlich so wichtigen Aspekt seine Tätigkeit widmet.“ Mailath-Pokorny war schon vor Gründungszeiten des Theaters in der Sektion für Kunstangelegenheiten tätig. Auf die Frage nach der Zusammenarbeit mit Barbara Klein und nach einem persönlichen Theatererlebnis wollte man nicht genauer eingehen.

Good Morning, Boys and Girls

Einmal in drei Jahren inszeniert Klein selbst im Kosmos Theater ein Stück. „Good Morning, Boys and Girls“ von Julie Zeh wird ihr letztes sein, denn die Intendantin geht im März 2018 in Pension – eine Nachfolge wird derzeit bereits gesucht. Das Thema ihrer letzten Inszenierung war ihr ein besonderes Anliegen: „Es geht um das ‚school shootern‘, um die Burschen, die in der Schule alles niederknallen, was ihnen im Weg steht. Das ist kein flockiges Thema. Doch die geistige und zum Teil auch körperliche Isolation, die Depression und die Tendenz zur Gewalt können wir nicht unbehandelt lassen. Diese Zuschreibungen – Burschen tendieren zur Gewalt und Frauen sind sanft – müssen sich aufweichen, wenn wir wirkliche Gleichstellung wollen.“ Die Auseinandersetzung kommt dabei ohne Gewaltbilder auf der Bühne aus. Die Figuren werden improvisatorisch über Bewegung und nicht über Text oder Psychologie entwickelt.

Feministische Parolen habe es auf der Bühne des Kosmos Theaters nie zu hören gegeben, sagt Klein. Vielmehr sei es immer darum gegangen, Künstlerinnen zu unterstützen und deren Sicht auf verschiedenste Themen zu zeigen. Für die Zukunft des Kosmos Theaters wünscht sie sich neben einer Verjüngung vor allem Schwestertheater in anderen Städten, denn bisher trägt die Institution ein Alleinstellungsmerkmal. Und für sich selbst? „Ein leerer Terminkalender und den Luxus am selben Tag zu entscheiden was man macht“, antwortet Barbara Klein sichtlich entspannt. Reisen sei das Futter, das man braucht für die Kunst und das Leben überhaupt brauche. In einer Kiste sammelt sie Ideen und Texte, die sich wieder hervorholen lassen. Langweilig wird ihr jedenfalls nicht.

Das Kosmos Theater macht gerade Sommerpause und öffnet erst im September wieder die Türen. Barbara Kleins letzte Inszenierung „Good Morning, Boys and Girls“ startet am 11. Oktober.

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