Frisch, unverfänglich und ehrlich: die junge amerikanische Autorin Lauren Holmes hat mit "Barbara die Schlampe und andere Kurzgeschichten" eine sexy Urlaubslektüre geschaffen.
Im Frühjahr des heurigen Jahres ließ eine junge amerikanische Autorin aufhorchen. Die Übersetzung ihrer Kurzgeschichten erschienen unter dem Titel “Das Gegenteil von Einsamkeit” und waren überschattet vom tragischen Unfalltod der Autorin im Alter von 23 Jahren. Marina Keegan hatte früh beschlossen, Schriftstellerin zu werden. „Und zwar eine richtige. Mit Haut und Haar.“ Die Short Stories und Essays deuten das große Potential an, das mit Keegan schon viel zu früh verstummte.
Ein ähnliches Talent lässt sich nun ausmachen. Frisch, unverfänglich, ehrlich führt Lauren Holmes fort, was Marina Keegan viel zu früh zurücklassen musste. “und jetzt versuche ich, mir darüber klarzuwerden, was ich mit meinem Leben anstellen wollte.”, sagt eine von Holmes’ Protagonisten. – An dieser Stelle stehen die Figuren von Marina Keegan meist an.
Bei Holmes geht es an diesem Punkt weiter: “Am Ende des Sommers damals hatte ich mich mit mir zusammengesetzt und mir erklärt, dass es jetzt Zeit sei, erwachsen zu werden.” Ob dieser Versuch gelingt, ist im Endeffekt nebensächlich. Die erzählten Entwicklungen sind bereichernd genug. Nehmen wir beispielsweise die Affaire zwischen Pearl, der Amerikanerin und dem pedantischen Schweizer. Wenn es Knicke in Beziehungen gibt, spitzt Holmes die Ohren. Wenn Menschen einander überdrüssig werden, zeigt sie hin.
Authentische 30-Seiten Short Storys
Alle Geschichten beleuchten hauptsächlich nur eine Seite der Medaille, das dafür aber mit viel Authentizität. Die Sichtweisen sind unterschiedlich gewählt, Beziehungen beschränken sich keineswegs nur auf solche sexueller Art, aber Sex makes the book go round. Ansonsten kommen ein Mutter-Tochter-Verhältnis, Pubertäres zwischen Freundschaft und Mobbing, die Ferienaffaire oder die plantonische Freundschaft zu tragen: Häppchenweise füttert Lauren Holmes mit Zwischenmenschlichkeiten. Gierig huscht man über die rund 30-seitigen Short Storys und verschlingt eine nach der anderen.
New York, Mexiko City, North Carolina, im Krankhaus beim HIV-Test oder im Sexspielzeugladen für Lesben namens “Desert Hearts”. Am Ende kommt man bei der titelgebenden Barbara an: “Ich weiß nicht, was es braucht, um beliebt zu sein, aber ich glaube nicht, dass Schlampe die Vorstufe dazu ist.”, reflektiert die 17-jährige Highschool-Absolventin. Sie ist Streberin, hübsch und führt ein ausgeprägtes Sexleben. Als einmal einer unehrlich ist, stellt sie folgende Regel auf “pro Junge nur einmal, und wenn mir die Jungs ausgehen, dann wird es Zeit fürs College.“
Über die Autorin
Die 1984 geborene Lauren Holmes präsentiert zehn Ich-perspektivische Erzählungen in ihrer Sammlung. Dennoch gleicht keiner der anderen. Denn sie schlüpft in unterschiedlichste Rollen, mal Kindermund und dann Männersicht. “Meine Menschen” wird überhaupt aus der Sicht einer Hündin geschildert. Ihre Phantasie geht weit über die Erfahrungswelt einer 30-Jährigen hinaus – das unterscheidet sie auch von Marina Keegan.
Ausgefeilt sind Charakter und Thematik, nicht fade, weil vielstimmig und dialogisch erzählt. Man könnte auch sagen brav konstruiert, geübt jedenfalls. Die Geschichten erreichen die richtige Länge, sind zum Höhepunkt zugespitzt und zur Pointe zusammengeschliffen. Im Ton witzig, dialogreich, leichtfüssig unterstreicht sie Alltagsdetails ohne zu penibel oder nervig zu sein. Eine vielversprechende Debütantin.
Barbara the Slut wurde von Tanja Handels ins Deutsche übersetzt und ist im Rowohlt erschienen.
Juliane Fischer twittert als @liabellafi