Das Bild der virtuellen Realität hat sich mittlerweile stark gewandelt. Wie man an dieser Filmliste sehen kann.
Der Alltag kann ja manchmal ziemlich fad sein. Wer von uns hat da nicht mal den Wunsch auszubrechen, abzutauschen, raus aus dem Hier und Jetzt. Doch nicht verzagen, für Freunde des Eskapismus gibt es da folgende Ausbruchmethoden:
1. Urlaub. Man bucht einen Flug und ist weg. Übersteigt manchmal das Budget, anderen wiederum ist das immer noch nicht weit genug. Oder sie sind reisefaul.
2. Drogen.
3. Indie Rock.
4. Virtuelle Realität: In digitalen, computergenerierten Welten ist im Gegensatz zur sog. echten Realität alles möglich. Du kannst wie ein Superheld durch die Luft fliegen, Geheimagent sein, dich auf frivole sexuelle Abenteuer begeben oder längst verstorbene Berühmtheiten treffen. Inklusive frivoler sexueller Abenteuer.
Das war auch oft Stoff und Grundlage von Filmen (andere Punkte natürlich auch, wir kommen vielleicht darauf zurück). Welche Filme Austritte in das Digitale darstellen (und dabei auch vor „Nebenwirkungen“ warnen) seht ihr in unserer Bildergalerie.
Irgendwelche Filme vergessen? Welche cineastischen Meisterwerke handeln noch von virtueller Realität? Bitte damit in die Kommentarspalte.
Tron (USA, 1982)
Einer der ersten Filme, die sich dem Thema wirklich angenommen haben: Beim Versuch, in das Computer-System ENCOM einzudringen, wird Flynn (Jeff Bridges) von einem Laser-Strahl in Einzelkomponenten aufgelöst. Er erwacht wieder in einer Computerwelt, die trotzdem völlig den Gesetzen der Logik widerspricht, in einer Welt, in der er zusammen mit dem File Tron gegen die Übermacht des Elektronic-Hirns MCP kämpfen muss... Dies war einer der ersten Spielfilme, in denen längere computergenerierte Sequenzen eingesetzt wurden. Insgesamt machen diese etwa 15 bis 20 der 96 Filmminuten aus. Er zeigt außerdem ganz gut, wie weit Fiktion von der Realität entfernt sein kann. Die Fortsetzung Tron Legacy war außer dem knackigen Daft Punk-Soundtrack leider nicht so spektakulär.
Matrix (USA, 1999)
Dass der Film hier auftaucht, wundert jetzt hoffentlich niemand. In dem Si-Fi-Klassiker der Wacholwski-Geschwister ist virtuelle Realität quasi der Untergang der Menschheit: Keanu Reaves als Hacker Neo erfährt eine schreckliche Wahrheit: Alles was er sieht und kennt, seine ganze Umwelt und Existenz, sind nicht echt. Die Menschheit ist einer virtuellen Realität ausgesetzt, während sie von ihren Maschinenherrschern zur Energiegewinnung in Brutkasten ähnlichen Gebilden gehalten wird. Neo wird von einer kleinen Widerstandsgruppe zum "Auserwählten" erklärt und der (Kung-Fu-) Kampf beginnt. Hier nicht dabei: Die missratenden Fortsetzungen Matrix 2 und 3.
Strange Days (USA, 1995)
Hier hätten wir auch Punkt 2 aus unserer Liste dabei. Virtuelle Realität ist in diesem düsteren Endzeit-Film nämlich wie eine Szene-Droge: Los Angeles im Jahre 1999 (damals noch Zukunft), wenige Tage vor dem Übergang ins neue Jahrtausend. Kriminalität und Plünderungen sind an der Tagesordnung. In all dem Chaos handelt der ehemalige Cop und nunmehr Dealer Lenny Nero (Ralph Fiennes) mit so genannten Mind Discs, auf CDs gespeicherten, menschlichen Erinnerungen. Verfügt man über einen Player, kann man in solche Erinnerungen eintauchen, sie sozusagen nachleben. Als Nero auf einer Mind Disc den Mord an einer alten Freundin nacherlebt, ist der Spaß vorbei. Kathryn Bigelow war später mit "Hurt Locker" die erste weibliche Regie-Oscar-Preisträgerin.
Ghost in the Shell (J, 1995)
Ohne diesen legendären Anime hätte es Matrix vielleicht nie gegeben. Weil wir ihn selbst lange nicht so richtig verstanden haben, ein Abriss: Das Jahr 2029. Technologie und Chirurgie sind inzwischen so weit fortgeschritten, dass viele Menschen Teile ihres Körpers durch künstliche Bestandteile ergänzen oder ersetzen lassen, um auf diese Weise bestimmte Fähigkeiten zu verbessern und sich neue anzueignen. Sogar das Gehirn lässt sich durch ein Cyberbrain ersetzen, das fortan mit digitalen Daten gespeist werden kann. Verpackt in einer Biokapsel, der Shell, stecken in jedem Cyborg menschliche Gehirnzellen mit dem Geist (Ghost), der die Identität und Persönlichkeit enthält. Umso bedrohlicher ist das Auftauchen eines unbekannten Hackers, genannt Puppet Master, der die Sicherheitsbarrieren der Shells zu überwinden vermag und so die Gehirne der Cyborgs mit falschen Informationen versorgen kann. Um dies zu verhindern, wird die Sektion 9 des japanischen Geheimdienstes auf den Puppet Master angesetzt.
Inception (USA, 2010)
Mit Christopher Nolan tauchen wir hier in die Welt der Träume, wo ebenfalls alles möglich erscheint, außer das Leonardo DiCaprio einen Oscar erhält: Cobb (DiCaprio) ist der Kopf einer technologisch bestens ausgerüsteten Bande von Dieben, die einen Weg gefunden hat, Träume in den Köpfen von Menschen zu platzieren und zu steuern, indem man sich selbst in ihnen manifestiert. Cobb arbeitet nicht ganz uneigennützig. Immerhin ist Cobbs Frau in dieser fiktiven Welt, in der die Zeit fast still steht, völlig abgetaucht bis sie die echte Realität nicht mehr als solche akzeptieren konnte. Oh no, the internet is killing our brains, scheint der sonst brillant gemachte Streifen uns sagen zu wollen.
eXistenZ (CAN, UK, 1999)
Vom Meister des Düster-Abgründigen David Cronenberg: Allegra Geller hat ein neues Computerspiel erfunden: eXistenZ ist eine virtuelle Reise in das Reich der Psyche und wird direkt an das Nervensystem der Spieler angeschlossen. Als Allegras Erfindung sabotiert wird, muss sie mit ihrem Kollegen Ted flüchten. Die beiden landen in einer unheimlichen neuen Umgebung. Aber auch hier werden sie verfolgt. Um zu überleben, müssen sie das Ziel des Spiels erreichen. Sie dringen immer mehr in eXistenZ ein, bis Ted aussteigen will. Doch das Ziel ist, herauszufinden, was das Ziel ist... Hier wird die virtuelle Realität zu einer neuen Schicht Realität bis man Realität und Realität nicht mehr unterscheiden kann. Klingt komplex und absurd? Wartet mal, bis ihr die unappetitliche Ausstattung des Films seht.
Der Rasenmähermann (USA, 1992)
Verfilmung eines Stephen King Romans: Nachdem ein Experiment schiefgegangen ist, legt der Wissenschaftler Dr. Lawrence Angelo (Pierce Brosnan) verbittert seine Arbeit für die US-Regierung nieder. Er beschließt, auf eigene Faust an seiner intelligenzfördernden Droge weiterzuarbeiten. In dem geistig zurückgebliebenen Gärtner Jobe findet er die ideale Testperson. Durch die Droge und einem in einer virtuellen Realität angesiedelten Lernprogramm entwickelt Jobe innerhalb kürzester Zeit außergewöhnliche Fähigkeiten. Das Experiment scheint geglückt, wären da nicht die Anzeichen, dass in Jobe eine unkontrollierbare und zerstörerische Macht heranwächst. Die Story war damals schon schlecht. Zumindest die Animationen galten als innovativ und auf den neusten Stand. Heute eher nicht mehr.
The 13th Floor (USA, D, 1999)
Hier führt die virtuelle Realität zurück in die Zeit: Der Computerwissenschaftler Hannon Fuller (Armin Mueller-Stahl) macht eine extrem wichtige Entdeckung. In dem Bewusstsein, dass er umgebracht werden soll, hinterlässt er in einer von ihm gestalteten virtuellen Welt eine Nachricht, hoffend, dass sein Kollege Douglas Hall (Craig Bierko) diese finden wird. Hall zählt zu Fullers möglichen Mördern und findet auch tatsächlich ein blutiges T-Shirt in seinem Haus, während er aber keine Erinnerung mehr daran hat, was er in der Nacht zuvor getan hat. Also stürzt Hall sich Hals über Kopf in Fullers virtuelle Welt (einer Rekonstruktion des Los Angeles von 1937), um zu versuchen, den Mord aufzuklären. Im Handumdrehen steckt er knietief in Verwirrung und Ärger.
The Cell (USA, 2000)
Der Film hat erzählerische und schauspielerische Mängel (Stichwort: JLo), die surrealen Traumbilder haben es aber wirklich in sich: Der schizoide Serienmörder Carl Stargher (Vincent D'Onofrio) wurde zwar endlich gefasst, aber eine neurologische Attacke hat ihn ins Koma fallen lassen. Dadurch erhält der FBI Agent Peter Novak (Vince Vaughn) keine Anhaltspunkte, um etwas über den Aufenthaltsort von Starghers letztem und noch unter den Lebenden weilenden Opfer zu erfahren. Um die Geheimnisse in Starghers traumatisierter Psyche zu entschleiern, wendet sich das FBI an die Psychologin Catherine Deane (Jennifer Lopez). Diese beherrscht eine neue Technik, die es ihr erlaubt, in das Gehirn und die Gedanken einer anderen Person einzudringen. Was sie in Starghers Kopf vorfindet ist ein Theater der Groteske, das, so wie es sich der zum ersten Mal Regie führende Tarsem Singh vorstellt, eine Zusammenstellung des Surrealen ist. Hier ist die zusätzliche Schicht Realität also eine Art psychologische Apparatur, eine Heilmethode, keine scheinbar harmlose Spielwiese.
Her (USA, 2013)
Auch Liebesdinge werden mehr und mehr virtuell, zu sehen in diesem Hipster-Indie-Hit mit Joaquin Phoenix aus dem Jahr 2013: Theodore arbeitet in einer Agentur, die sich auf von Hand geschriebene Briefe spezialisiert hat. Er spendet Menschen Trost, ist aber selbst doch allein. Theodore fühlt sich einsam, seit seine Frau sich getrennt hat. Das ändert sich, als er ein neues, lernfähiges und personalisiertes Betriebssystem für seinen Homecomputer installiert. Es gibt sich den Namen Samantha und wird bald seine engste Vertraute und schließlich auch Geliebte.