Anlässlich des 11. Wiener Feschmarkts stehen wir unweigerlich vor der Tatsache, dass wir Schallplatten-Vasen und Printstofftaschen schon in millionenfacher Ausführung gesehen und gekauft haben.
Es gab mal eine Zeit, da waren Designmärkte noch tatsächlich Nischenevents und nicht ganz so überrannt wie man es heute kennt. Obwohl sich das Klientel von damals zu dem von heute nicht wirklich unterscheidet, ist in der Evolution der Designmärkte etwas Entscheidendes passiert: Die Geburtsstunde des Yuccie, oder "Young Urban Creative". Eine Spezies auf der ständigen Suche nach Individualismus und Nachhaltigkeit, gepaart mit einem anständigen Bankkonto. Der Yuccie und mit ihm seine gesamte Lebenskultur, haben Alternatives in Mainstream verwandelt und im selben Zuge die Besucherzahlen auf Designmärkten gefühlt vertausendfacht. Was prinzipiell gut fürs Geschäft und somit für aufstrebende Designer ist, tötet die Vielfalt mit bloßen Händen. Vor der 11. Auflage des Wiener Feschmarkts wissen wir jetzt schon, was uns dort erwartet.
1. Dutts für jedermann
Der Dutt (hochgesteckter Knödel im oberen Drittel des Kopfes) ist die angenehmste Hochsommerfrisur für Frau und auch für den Mann (auch Man Bun genannt), die jemals erfunden wurde. Kombiniert mit Skinny Jeans, einer Parker Jacke und dem obligaten Stoffturnbeutel finden wir uns auf Designmärkten prinzipiell in einem Meer von Dutts wieder. Das Gute daran: Die Sicht ist immer frei und bei dichtem Gedrängel minimiert sich das Risiko, fremde Haare ins Gesicht zu kriegen.
2. It’s getting hot in here
Egal ob Sommer oder Winter, auf Designmärkten ist es einfach so gut wie immer heiß. Durch die vielen Besucher wird eine generelle Körperwärme generiert, die sogar Gletschereise zum Schmelzen bringen könnte. Zusätzlich trägt das künstliche Licht der Aussteller seinen Teil dazu bei, dass man sich schon nach fünf Sekunden wie in einer Sauna fühlt. Abhilfe schaffen: a) der Dutt –so schließt sich der Kreislauf b) kühles Craft Bier!
3. Je abgefuckter, desto besser
Die Locationwahl fällt offensichtlich immer auf alte Fabrikshallen und leer stehende Industrieräumlichkeiten. Wenn man die Stromleitungen in der Wand, den Dreck in der Ecke und den abbröckelnden Putz nicht gut sehen kann, ist es einfach kein passender Ort für so eine Veranstaltung. Ein bisschen abgefuckt gehört eben dazu und regt durch das wohlige Ambiente zum Kaufen an.
4. Foodtrucks braucht das Volk
Stehen bei jedem Designmarkt bereit um unzählige hungrige Mäuler zu stopfen. Egal ob indische Eintöpfe, veganes-bio-Dings oder Crêpes. Essen, das aus einem Foodtruck serviert wird, schaut immer irgendwie specialig aus und schmeckt daher auch in der Regel sakriköstlich. Dass man bei diesen Speisen ein bisschen tiefer ins Börserl greifen muss als sonst, vergisst man in dem Moment, in dem der erste Biss die Pappalatur erreicht hat.
5. Bio-regional-vegan-Zeugs
Wenn wir schon beim Essen sind, dürfen kulinarische Trends der letzten Zeit natürlich nicht fehlen. Von österreichischen Cider, den noch nie jemand gehört geschweige denn getrunken hat, bis hin zu abartig gesund schmeckenden Bionaden oder veganen Eintöpfen – Designmärkte sind auch oft Gaumenfreuden der speziellen Art. Wenn der Magen nach zwei Stunden kracht und man durch die Hitze eh schon dehydriert ist, bleibt einem nichts anderes übrig als ein wenig experimentierbereit zu sein.
6. Artsy Sitzmöglichkeiten
Sessel ist nicht gleich Sessel und das eigene Hinterteil sitzt natürlich viel besser auf einem geometrischen Objekt, das nicht gleich identifizierbar ist. Egal ob auf Sand, in Hängematten, Barhockern oder Palletten – auf Designmärkten sitzt man immer ein bisschen anders und gibt sich sichtlich Mühe, fade Sessel vor der Türe zu lassen
7. Upcycling alles und jeden
Egal ob Taschen aus Dreh- und Drinkverpackungen, Schallplattenbehälter oder Mikrochipuhren – der Kreativität scheint hier wirklich keine Grenzen gesetzt zu sein. NOT!!! Nach dem 1 876 524 Designmarkt, kennt man sie alle, die Tricks der Upcycler. Was prinzipiell eine gute Idee ist, schreit schön langsam nach ein paar neuen Einfällen, inklusive weniger horrender Preise. Denn: „Zur Not mach ich mir meine Nespressokapselohrringe einfach selber daheim.“
8. Geometrischer Schmuck
Genauso ein Dauerburner wie Verpackungsgeldbörsen und Co ist geometrischer Schmuck. Die Stücke werden oft als Ketten oder Armbänder aus reinem Silber oder Metall zu Hauf verkauft. 35 Euro für ein Silberdreieck mit den Grundmaßen eines mittelgroßen Kartoffelchips. Wie viel Design und Herstellungskosten da investiert wurden, ist sich unsereins nicht ganz sicher.
9. Ein verhaltensauffälliger DJ
Die Musikkulisse auf Designmärkten findet sich definitiv nicht in den Ö3 Austria Top 40. Die verantwortlichen DJs sind meistens auf kleinen Podesten oder Bühnen positioniert und sollten im Regelfall eine angenehme Grundstimmung erzeugen. Es kann aber schon mal vorkommen, dass der DJ mitten am frühen Nachmittag einen musikalischen Anfall erleidet und sich dermaßen leidenschaftlich seinen Tunes hingibt, dass man glauben könnte, er legt gerade für tausende Tanzwütige auf. Einzige Lösung: Bier holen und einfach mit abgehen.
10. Nananananananana Cupcakes
Anti-allergene Kekse, glutenfreie Cupcakes oder vegane Muffins. Diese süßen Leckerbissen findet man ebenfalls bei den unzähligen Foodtrucks und ähneln auf dem ersten Blick harmlosen Süßgebäck. Mit Season Greetings oder einem herzerwärmenden Spruch verziert, ist man natürlich ganz entzückt. Studiert man die Schilder darunter allerdings genauer, entdeckt man erst, was hier alles nicht enthalten ist bzw. was diese unscheinbaren Dinger eigentlich können. Superkräfte verleihen sie (noch) nicht.
11. Das Resozialisierungsprojekt
Von Häftlingen genähte Tischtücher oder eigens gehäkelte Lavendelkissen für einen gut duftenden Kleiderschrank. Resozialisierungsprojekte rocken und gehen auf so ziemlich jedem Designmarkt weg wie die warmen Semmeln. Da kauft man nicht nur einen Gegenstand, sondern gleich die gute Sache mit. Eigentlich eh klar, dass da die Herzen schmelzen. Ka-Ching!
Der 11. Wiener Feschmarkt findet von 13. – 15. November in der Ottakringer Brauerei statt.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.