Es lebe der Austropop! Durch die Erfolge von Wanda, Bilderbuch, Seiler & Speer und Co. lebt das Kulturphänomen Austropop 30 Jahre nach seiner Blütezeit wieder auf. Endlich wieder gute Musik aus Österreich. Bussi dafür. Dabei war österreichische Musik in den 90ies doch auch gar nicht mal so schlecht, oder?! Ein Rückblick.
1990
1990: "Verdammt – ich lieb' dich" vom deutschen Schlagerstar Matthias Reim (heute eher bekannt durch sein Insolvenzverfahren und einem Leben ganz nach dem Motto "Bierchen, Zigarette und Essen was man will") war 1990 der meistverkaufte Titel in Österreich. Sogar nach dem ein oder anderen Bierchen kann noch heute jeder zu dieser Hymne des guten Geschmacks mitgröhlen. Auf österreichischer Ebene stand die Erste Allgemeine Verunsicherung auf dem Höhepunkt ihrer Karriere. Ihr Song "Ding Dong" schaffte es 1990 fünf Wochen lang auf Platz 1 der heimischen Charts und wurde zu einem ihrer Klassiker. Doch nur wer genau auf den Text hört, erkennt die eigentliche Message des Klamauk-Lieds. Frontmann der EAV, Klaus Eberhartinger wettert schon damals gegen die Flüchtlingspolitik der EU ("Mach nie die Tür auf, lass keinen rein."). Vorbildliche Botschaft – alte EAV-CDs ausgraben und rein in den Disc-Man, für das Original-Feeling.
1991
1991: "Wind of Change" – die Hymne, die jeder mit der Wiedervereinigung, dem Mauerfall und Pfeifen verbindet. Nein, natürlich sind die Scorpions keine Pfeifen, denn die haben mit dieser Rockballade wahrscheinlich für ihr restliches Leben ausgesorgt. Viel eher das nie enden wollende Pfeifen, das sich durch das gesamte Lied zieht. Alle Songs, in denen gepfiffen wird, sind eigentlich prinzipiell schon nervig, dennoch ging 1991 kein anderer Song so häufig über die Ladentische. Nicht ganz so oft ging "Kränk di net" vom Wiener Energiebündel Jazz Gitti (bürgerlich Martha Butbul – nein, weder verwandt noch verschwägert mit Mr. Pitbull) über den Ladentisch. Dennoch erhielt sie genau für diesen Song in Monaco aus den Händen von Cliff Richard den World Music Award und wird in den Folgejahren zum Garant einer jeden angeheiterten Veranstaltung.
1992
1992: Eine dunkle Wolke namens Eurodance schwebte 1992 über Europa. "It’s My Life" von Dr. Alban (der gute Herr ist Zahnarzt, deshalb Dr.) wurde zum meistverkauften Titel in Österreich. Ein musikalisches Eurodance-Meisterwerk war auch "Raumschiff Edelweiss" vom österreichischen Projekt Edelweiss. Wenn Sie sich an diesen Song nicht mehr erinnern können, nicht schlimm. Wirklich nicht. Falls doch, mein Beileid. Hier wurde Gejodle mit der Titelmelodie von "Raumschiff Enterprise" gemischt. Klingt trashig? War es auch. Und auch das dazugehörige Video – eine Perle des schlechten Geschmacks. Dennoch schaffte es die Band bis auf Platz 1 der österreichischen Charts. Im Gegensatz zu Edelweess schafft es Dr. Alban mit seinem Ohrwurm zumindest heute noch auf jede Neunzigerjahre-Trash-Party.
1993
1993: Auf internationaler Ebene wurden die 4 Non Blondes 1993 zu einem der größten One Hit Wonder aller Zeiten. Mit dem Song "What’s Up?" schuf sich Frontfrau Linda Perry das Fundament für eine Karriere als Songwriterin. Sie schrieb in den Folgejahren Hits für Pink, Christina Aguilera, James Blunt und Alicia Keys. Die eigenen Hits blieben aber vergebens aus. Die heimische Musikszene wurde 1993 von Hubert von Goisern aufgemischt. Sein Song "Koa Hiatamadl" blieb im Ohr ("...koa Hiatamadl mog I net, hot koane dickn Wadln net...") und er wurde zum bekanntesten Vertreter des Alpenrock-Genres. Noch heute füllt Hubert von Goisern die österreichischen Konzerthallen, was man von den 4 Non Blondes nicht gerade behaupten kann.
1994
1994: Mariah nervt! Egal ob 1994 oder 2016. Egal ob mit ihrer Musik oder ihrem Diva-Gehabe. Egal ob mit diesem schrecklichen Weihnachtssong oder mit einer ihrer anderen Balladen. In den letzten Jahren machte sie eigentlich mehr durch skurrile Geschichten als durch ihre Musik auf sich aufmerksam. 1994 war das noch anders. Damals verkaufte sich in Österreich kein Song so gut, wie ihre Herzschmerz-Ballade "Without You". Der Song war eigentlich schon in den 70ies ein kleiner Hit (das Original ist von der britischen Rockgruppe Badfinder und wurde in weiterer Folge von Harry Nilsson gecovert), wurde aber erst durch die Carey riesengroß. Und in Österreich? Ähm ja. Da war Eurodance immer noch der Burner schlechthin. Der Song "Veni Vidi Vici" von der österreichischen Gruppe Imperio schaffte es bis auf Platz 3 der Austria Top40 und hielt sich für 13 Wochen in den Top 10. In einem gewissen Zustand, würde man sich die Nummer bestimmt auch heute noch kaufen. Im nüchternen Zustand, eher weniger.
1995
1995: Schweden hat uns im Laufe der letzten Jahre mit reichlich guter Musik versorgt: Mando Diao, Robyn, The Hives, Shout Out Louds, und und und... Das war aber leider nicht immer so. Mitter der Neunziger war das Projekt Rednex das Aushängeschild für schwedische Musik. Innerhalb eines halben Jahres schaffte es die Band mit drei verschiedenen Songs auf Platz 1 der österreichischen Charts: "Cotton Eye Joe", "Old Pop In An Oak" und "Wish You Were Here". Letzterer wurde sogar zum meistgekauften Titel des Jahres 1995. Die vier Mitglieder haben Country-, Folk- und Bluegrass-Elemente mit Eurodance vermischt und waren für ein Jahr lang ganz oben. Ganz oben waren in Österreich immer noch Imperio. Nach "Veni Vidi Vici" kam "Nostra Culpa". Das Projekt bestand aus der Sängerin Manuela Ray und dem Rapper Michael Harris und wurde vom Produzenten Norbert Reichart ins Leben gerufen. Heute ist es sowohl um Imperio als auch um Rednex ruhig geworden. Vielen Dank für diesen Gefallen.
1996
1996: Jetzt mal zum Verständnis: "Dale a tu cuerpo alegria Macarena, que tu cuerpo es pa' darle alegria cosa buena. Dale a tu cuerpo alegria Macarena. Hey Macarena!" Jeder kennt zwar den Tanz, aber niemand den richtigen Text. Was viele nicht wussten: Die im Lied besungene Dame hatte Beziehungsprobleme mit ihrem Freund und möchte sich als Ablenkung mit zwei Herren vergnügen. Alles weitere bleibt der Fantasie des Hörers überlassen. Falls Sie selbst noch nie den "Macarena" getanzt haben, dann ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass Sie eigentlich von einem anderen Planeten kommen. Und diejenigen, die zu jung dafür sind (man kann es kaum glauben, aber gibt es tatsächlich) – der kitschige aber durchaus eingängige "Macarena" war der "Gangnam Style" der Neunziger. Egal wo – egal wann – zu "Macarena" kann man immer tanzen. Zumindest in den Discos sämtlicher Club-Hotelanlagen. Und was wurde aus den beiden älteren Herren? Die bringen bis heute Flamenco-Alben raus. In Österreich wurde 1996 aber nicht nur zu "Macarena", sondern auch zu "Break My Stride" von Unique II getanzt. Die Coverversion des Matthew Wilder-Klassikers schaffte es auch in Australien und Neuseeland nach ganz vorne in den Charts. Das soll erst mal ein anderer österreichischer Künstler nachmachen... Unique II verbuchten übrigens noch bis ins Jahr 2001 ein paar kleine Erfolge, danach war Schluss.
1997
1997: 37 Millionen Mal verkaufte sich "Candle In The Wind" von Elton John weltweit. Der Song erhielt einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde als erfolgreichste Single aller Zeiten. Nach dem Tod von Prinzessin Diana 1997 textete Elton John die Ballade um, die er ursprünglich 1973 für Marilyn Monroe geschrieben hatte. Aus "Goodbye Norma Jean" wurde "Goodbye England’s Rose". Seit 1997 sang er die neue Version aber nie wieder. Laut eigenen Aussagen würde er die Emotionen, die dieser Song in ihm aufleben lässt, nicht verkraften. Von der einen Blondine zur anderen. Rainhard Fendrich hatte 1997 seinen bislang letzten großen Hit mit "Blond". Sie wissen schon – "...blond wie eine Semmel sein, blond, blonder als der Sonnenschein...". Fendrich in einem ORF-Interview (2015): "Der gesamte Austropop war eben der Soundtrack einer gewissen Zeit, das waren die 1980er- und die 1990er-Jahre. Es war immer eine ehrliche Musik, und das wollen anscheinend die Menschen auch heute noch hören, allein im vorigen Jahr bin ich 155 Mal auf der Bühne gestanden." Ans Aufhören denkt er noch nicht.
1998
1998: Der meistverkaufte Song in diesem Jahr war "No Tengo Dinero" von den Los Umbrellos. Sagt Ihnen nichts? Na dann hören Sie mal rein. Ein Sommmerhit vom Feinsten. Der Song ruft auch heute noch das gewisse Bacardi-Feeling aus der Plastikkaribik als Erinnerung an lang vergangene Sommer hervor. Nach dem Sommer konnte dann jeder die wichtigsten Spanisch-Vokabeln für den nächsten Urlaub auf Malle: Tequila, Senorita, Bonita... Und auch ein österreichischer Song wurde 1998 zu einem kleinen Sommerhit: "Under The Mango Tree" von Tim Tim. Mit ihrem Reggae-angehauchten Sound schafften es Tim Tim bis auf Platz 3 der heimischen Charts und traten in Folge sogar am größten Reggae-Festival der Welt, dem Sumfest in Jamaika, auf. Ehre, wem Ehre gebührt.
1999
1999: "Mambo No. 5" von Lou Bega – dazu muss man nicht viel sagen, außer who the fuck sind eigentlich Monica, Erica, Rita, Tina, Sandra, Mary, Jessica und all die anderen? 1999 dachte man sich in Österreich man hätte das Schlimmste schon längst gehört (Ich will an dieser Stelle nur kurz an Edelweiss, Imperio & Co. erinnern) und dann kam A klana Indiana. Der Song schaffte es auf Anhieb auf Platz 1 der österreichischen Charts. Hier ein Auszug aus dem Text: "A klana Indiana, a dicka, fetta, blada, sitzt zu noh am Lagerfeia und verbrennt sich seine Eia. Ui tuat des weh. A heyaheya hey". Große österreichische Musiker drehten sich wohl bei diesen Zeilen im Grab um. Auch die Folgesongs "Uiiii, is des bled!" und "Twist. No. Sex" (angelehnt an "Mambo No. 5") wurden zu Hits. Was die Bandmitglieder Klaus Biedermann, Claus Marcus und Christian Seitz jedoch heute machen, weiß man nicht so genau. Wir hoffen mal nicht Musik.
Wir erinnern uns als ob es gestern gewesen wäre: Die 90er – ein Jahrzehnt, in dem man sich stundenlang in Chatrooms herumtrieb, Tamagotchis ausverkauft waren, gleichzeitig Telefonieren und im Internet Surfen noch nicht möglich war und das Runterladen eines Liedes eine Stunde gedauert hat (achso sorry, das hat ja damals niemand gemacht). In der Musikszene waren neben der vollständigen Bravo-Hits-Sammlung Maxi-CDs der letzte Schrei und was heute Justin Bieber, Miley Cyrus und David Guetta sind, waren damals die Backstreet Boys, die Spice Girls und Britney Spears. In Österreich feierten Edelweiss (ja, das schrieb man damals anscheinend wirklich so), A klana Indiana und Imperio große Erfolge. Heute erinnert sich fast niemand mehr daran. Ein Grund mehr also, im Austro-Archiv nach den erfolgreichsten österreichischen Titeln der 90er zu suchen.
Das Fazit: Es lohnt sich auf alle Fälle musikalisch wieder in die Neunziger einzutauchen. Kurz zumindest. Und wir hoffen, dass wir in 20 Jahren nicht genauso über Wanda, Bilderbuch & Co. denken. Bussi, Baby.
Es handelt sich hierbei um die meistverkauften Titel in Österreich pro Jahr. Wir haben jeweils den meistverkauften internationalen mit dem meistverkauften nationalen Titel verglichen.
Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.