Beruf: Sohn

Wir haben den 25-jährigen Alexander, ein Rich Kid aus dem Bilderbuch, begleitet und dabei herausgefunden, wie es sich lebt, wenn nur das Beste gut genug ist.

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10 Uhr morgens. Treffpunkt ist die Onyx Bar am Wiener Stephansplatz. Es ist die Lieblingsbar von Alexander H. Eine großgewachsene Erscheinung, das Gesicht ist schmal und glatt, die Haare sind lang und locker. Statt Maßanzug von Zegna und Krawatte trägt er heute Jeans und ein weißes Ralph Lauren-Hemd mit offenem Kragen. Er riecht nach Dior Homme. Am linken Handgelenk eine Breitling. Die Stimmung ist entspannt.

Wenn Alexander an seine Zukunft denkt, spricht der Sohn eines vielbeschäftigten Unternehmers von einer großen Karriere als Anwalt. Unternehmensrecht. Seine Eltern haben ihm das Jusstudium ans Herz gelegt. Er verweist aber auch stolz auf ein altes Familienvermögen und darauf, dass er wahrscheinlich bis an sein Lebensende gar nicht arbeiten müsse. Das Familienerbe ist mehr als ausreichend. Bis der 25-Jährige also eigenständig sein Geld vermehren kann, genießt er sein Leben: Ein schöne Eigentumswohnung im ersten Bezirk, einen schnellen BMW, Designerklamotten. Und abends geht es dann zur Party. Mit Champagner und Wodka versteht sich. "Mein Leben erinnert mich oftmals an diverse TV-Serien. O.C., Calfornia, Gossip Girl und so. Du weißt schon." Das Leben begreift er momentan als große Party, bei der Geld keine Rolle spielt.

Arme, reiche Kinder

Alexander ist einer von vielen, die den Traum leben, von dem andere ihr ganzes Leben lang träumen. Es geht nur um Oberflächen: Schönsein, Reichsein und leben wie die Superreichen. Innerlich stehen die "Rich Kids" aber vor einer großen Leere. "Affluenza" ist die Bezeichnung für diese moralische Verkommenheit. Man kann die Konsequenzen für seine eigenen Handlungen nicht einschätzen, weil es einem die Eltern nie beigebracht haben. Stattdessen wurde einem beigebracht, dass man mit Geld alles kaufen und lösen kann. "Dies ist aber keine psychische Erkrankung", erklärt Kinder- und Jugendpsychologin Katharina Maier. Viel eher würde sie es als gesellschaftliches Phänomen bezeichnen, an dem immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene leiden. Genaue Zahlen, wie viele es sind, gibt es nicht. Immerhin würde ja kein einziges "Rich Kid" zugeben wollen, dass ihm der Reichtum zu schaffen macht. Das würde ja dem Bild als beneidenswerter A-List-Typ einen Knick verpassen.

Alexander bestellt sich ein Glas Champagner, sonst wird er nicht richtig wach. Billecart-Salmon. "Der wird von allen Champagner-Kennern sehr hoch gelobt und schmeckt auch wirklich außergewöhnlich. Man merkt den Unterschied." Wenn es am Abend Champagner gibt, wird dieser nicht immer getrunken, sondern die meiste Zeit verspritzt und ausgeschüttet. Alles für die Show. Der Kellner bringt das Glas. "Jetzt bin ich in meinem Element."

"Wenn alles möglich und jeder Wunsch erreichbar ist, hat schnell nichts mehr einen Wert. Depressionen folgen. Und schließlich flüchten sie oftmals mit Drogen- und Alkoholexzessen aus ihrem eigentlich bemitleidenswerten Leben," erklärt Katharina Maier. Alexanders Party-Nächte enden immer im Exzess. Er könne sich am nächsten Morgen kaum an irgendetwas erinnern. Auch sein Handy war schon drei Mal weg. Er lacht. Freunde von ihm haben auch schon Entziehungskuren hinter sich. Jetzt sind sie aber keine Freunde mehr. "Sie haben das Feiern verlernt."

Ein bisschen protzen gehört dazu

Auf Instagram präsentieren die Kinder der Superreichen genau dieses Luxusleben. Sie fotografieren sich mit goldener Kreditkarte im Mund, wie sie umringt von Champagnerflaschen in einer Badewanne liegen oder posieren ganz einfach mit der neuen Rolex am Handgelenk vor dem Spiegel. Privatjets, Autos, ausschweifende Partys und extravaganter Urlaub. Statt billiger Studenten-WG ist Palast mit Pool angesagt. Hauptsache angeben. Der Blog "Rich Kids Of Instagram" sammelt die dekadentesten Fotos. Hier kann jeder einen Blick auf Luxus aller Art werfen. Die Seite wurde sofort zum Hype. Reichtum allein scheint den "Rich Kids" also nicht zu genügen. Sie müssen ihn der Welt zeigen. "Es reicht ihnen nicht, alles zu haben. Sie brauchen jemanden, der neidisch ist", erklärt Maier.

Auch die Fernsehbranche wurde bei so viel Extravaganz schon auf die "Rich Kids Of Instagram" aufmerksam und so wurde beispielsweise schon vom amerikanischen Sender NBC die Reality-Soap "Rich Kids Of Beverly Hills" produziert, die seit drei Staffeln über die US-amerikanischen Bildschirme flimmert. Vom Prinzip her funktioniert die Serie ähnlich wie der Blog: Zeigen, wie leicht es sein kann, Geld auszugeben.

Auch Alexander ist ein großer Instagram-Fan. Am liebsten postet er Fotos von seinen Einkäufen bei Hermès und Dolce & Gabbana, von seinem Golfspiel sowie Urlaubsfotos. Der Student hat schon die halbe Welt bereist. In den vergangenen drei Jahren war er in New York, Kalifornien, Australien, Thailand und Südafrika. In Frankreich und Italien ist er sowieso laufend. Schon jetzt hat der 25-Jährige mehr erlebt, als andere in ihrem ganzen Leben.

Alexanders größte Leidenschaft sind schnelle Autos. Aktuell fährt er einen nagelneuen BMW. "Ich bin Auto-verrückt seit ich ganz klein war. Nichts hat mich je davon abgehalten stundenlang Auto zu fahren." Die Zeit im Auto sind Momente, in denen er er selbst sein kann. "Jemand der Auto-verrückt ist, bekommt Emotionen beim Autofahren." An Geschwindigkeitsbegrenzungen hält sich der 25-Jährige grundsätzlich nicht. Die Strafzettel müssen seine Eltern bezahlen. Er selbst verdient ja noch nichts. Seine Eltern wissen von dem, was Alexander mit ihrer finanziellen Hilfe alles anstellt. Am Anfang hatte er noch ein schlechtes Gewissen, mittlerweile denkt er nicht mehr darüber nach. Erst vor wenigen Tagen hat er auf Instagram einen Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens gepostet. Fazit: 386 Likes.

Essen bei Fabios und die Frauen

Nach dem Champagner-Frühstück geht es weiter zum Mittagessen mit Freunden. Treffpunkt Nobelrestaurant Fabios. Die jungen Männer, mit denen sich Alexander trifft, tragen alle anständige Frisuren, gut sitzende Jeans und weiße oder karierte Hemden. Alle denselben Stil. Alle zwischen 21 und 26 Jahren. Schnell wird klar, dass sie sich überhaupt alle sehr ähnlich sind. Ihre einzige Leistung bisher? In die richtige Familie geboren worden zu sein. Der eine bestellt Thunfisch-Tartar, der andere entscheidet sich für das Kalbskotelett.

Während des Essens unterhalten sich die jungen Herren über das Thema Frauen. Alexander selbst hat keine Freundin. Frauen, die ihm gefallen, müssen schön sein, Humor und gute Manieren haben. Am liebsten sind ihm nordische Frauen. "Es ist klar, dass sie auch nicht Frisörin oder so sein darf. Das sind ganz eigene Typen. Das gefällt mir nicht so." Und überhaupt: Er hat zwar nichts gegen sozial schwächere Schichten oder Arbeiter, kennt aber nicht viele persönlich, weil er gar nicht so in Kontakt mit ihnen kommt.

Es wird bezahlt. Das Trinkgeld fällt gut aus. Die fünf Freunde trinken ihren Wein aus und ziehen kommentarlos ab.

Ganz schön okay

Die Fantasien jung, reich und berühmt zu sein, bleiben für die meisten jungen Menschen bloß Fantasien. Nicht für "Rich Kids". Sie wollen ständig noch mehr. Irgendwann gibt es aber kein "mehr" mehr und sie stehen vor einem Gefühl der Leere. Alexander erkennt diese Leere momentan selbst noch nicht.

Auch wenn viele seiner Aktionen unreflektiert scheinen, ist Alexander sicherlich kein böser Mensch. Lediglich das Verlangen dazuzugehören zu wollen, beschert ihm viele Unannehmlichkeiten und lässt ihn auf andere oft eingebildet und abgehoben wirken. Wenn man den 25-Jährigen aber besser kennenlernt, merkt man schnell, dass seine Freunde alles von ihm haben können – und das nicht nur aus materieller Sicht. "Wenn es sein müsste, würde ich für meine Freunde um die ganze Welt reisen. Die sind das Wichtigste in meinem ganzen Leben. Für sie würde ich auch auf alles andere verzichten." erklärt er. Ohne das ganze Geld und das damit verbundene Verhalten, ist Alexander also eigentlich ganz ein netter Kerl.

Die Namen aller Protagonisten wurden auf Wunsch geändert.

Dieser Beitrag ist im Rahmen eines Praxis-Seminars am Institut für Journalismus & Medienmanagement der FHWien der WKW entstanden.

Bild(er) © 1. richkids/Instagram, 2. mralexpod/Instagram, 3. maxleif/Instagram, 4. the_marcus_adolf/Instagram
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