Als gescheiterter Kulturpolitiker rechnet Klaus Werner-Lobo gerade mit der politischen Klasse ab. In seinem neuen Buch – einem Ratgeber – fragt er, ganz ohne Fragezeichen: "Was tun, wenn wählen nicht mehr reicht". Eine Art Nachruf auf einen Parteipolitiker, der als Autor und Aktivist wiedergeboren wurde.
Vorab: Klaus Werner-Lobo hat in sehr vielem Recht. Nicht nur mit dem, was er in seinem gerade publizierten Ratgeber "Nach der Empörung" schreibt. Auch mit dem, was er über Parteipolitik ganz generell und die Partei, aus der er vor Kurzem ausgetreten ist, sagt. Dass die Grünen, eine Partei wie die anderen auch geworden ist; dass es auch dort Machtspielchen gibt und mitunter die von den einen anerkennend, von anderen wiederum verächtlich als Realos Bezeichneten den Ton angeben; dass die Basisdemokratie eine Farce ist, und so weiter und so fort. Im Grunde ist das aber alles nichts Neues. Unzufriedene äußern diese Kritik mindestens seit den 90er Jahren. Es verdient Anerkennung, dass es Werner-Lobo als prominenter Quereinsteiger (aus seiner Sicht) besser machen wollte; und es verdient einigen Respekt, dass er sich nun eingesteht, am politischen System gescheitert zu sein. Das ist nicht nichts. Immerhin hat er fünf Jahre seines Lebens der aktiven Politik gewidmet und ist sich dabei einigermaßen treu geblieben.
Ein wenig wehleidig
Trotzdem wirkt es ein wenig wehleidig und berechnend, wenn er nun in Interviews zum Erscheinen seines neuen Buchs "Nach der Empörung" mit den "Basiswapplern", die sich nicht für seine Wiederwahl begeistern wollten, gleichermaßen abrechnet wie mit den machiavellistischen Machenschaften der Parteistrategen. Naiv wäre, wer glaubt, wo Menschen mit großen Egos in Parteien mit Geschichte und Apparat aufeinandertreffen, ginge es ganz ohne Intrige oder garstige Konfrontation. Selbst die neu gegründeten linken Wahlbündnisse Spaniens und Griechenlands, von denen er in seinem Buch schwärmt, sind davon nicht frei. Und Klaus Werner-Lobo, selbst kein kleines Ego, war und ist alles andere als naiv.
Überzeugend und überzeugt
Im persönlichen Gespräch immer überzeugend und in seinen Standpunkten überzeugt, ist er doch auch als Politiker eher Aktivist und vor allem Buchautor geblieben. Zweifellos hat er seine politische Funktion genutzt, um auf ihm wichtige Themen – allen voran das Flüchtlingsthema – aufmerksam zu machen. Darüberhinaus war ihm, und das merkte man mitunter, die Kulturpolitik nie ein wirkliches Herzensanliegen. Und das müsste sie beim Kultursprecher einer mitregierenden Stadtpartei sein. Glaubwürdig zwar, wenn es darum ging, Gelder umzuverteilen (etwa von den elitären Institutionen hin zu kleineren, prekären Initiativen), schien er an kulturpolitischen Themen oft eher aus Pflichtbewusstsein, nicht aus Leidenschaft interessiert. Und der offensichtlich aus Koalitionsraison abgeschlossene Nichtangriffspakt mit dem roten Kulturstadtrat führte dazu, dass es in Wiens Kulturpolitik seit Rot-Grün I kein wirkliches Korrektiv, keine ernstzunehmende Kritik mehr gab. Davor hatte die grüne Kulturpolitik, noch unter seiner Vorgängerin Marie Ringler, zumindest aus konstruktivem Reiben an der "offiziellen Kultur" bestanden. Auch 2016 gibt es in diesem Bereich keine wirklich ernstzunehmende Opposition. Denn die Wiener Volkspartei, aber auch die Neos reduzieren sich kulturpolitisch aufs Erbsenzählen. Wirklich Konstruktives kommt wenn, dann noch am ehesten von der SPÖ selbst.
Kulturpolitiker war er keiner
Gut vorstellbar, dass ein streitbarer Geist wie Werner-Lobo unter diesem verordneten Kuschelkurs gelitten hat. Kulturpolitiker war er trotzdem keiner, eher der personifizierte Kompromiss. Konsequenterweise hätte gerade er die Funktion eines Kultursprechers besser niemals angenommen. Vielleicht wollten ihn die gescholtenen "Basiswappler" ja wirklich nicht mehr wählen, weil er ihnen – wie er in einem Interview sarkastisch anmerkt – "nicht das Goderl gekratzt hat". Vielleicht wollten sie ihm aber auch deshalb keine zweite Chance geben, weil Werner-Lobo zwar ein wacher politischer Geist, aber eben kein leidenschaftlicher Politiker ist?
Sein neues Buch ist wohl nicht zufällig ein Plädoyer für die APO, eine Anleitung zur außerparlamentarischen Opposition, welche qua Zivilgesellschaft auf die Meinungsbildung und politische Entscheidungsprozesse einwirkt. In dieser Rolle – als Vorbild, Autor und Aktivist – wirkt Werner-Lobo gleich um ein Vielfaches überzeugender als in jener des Politikers. Nur ein Detail, aber insgesamt wohl auch kein Zufall: Kultur kommt darin nur als Mittel zum Zweck vor. "Kunst als Mittel zur gesellschaftlichen Transformation" nennt sich ein (kurzes) Kapitel in "Nach der Empörung« (Deuticke Verlag). Ein durchaus zeitgemäßer Ansatz – erläutert anhand von Beispielen wie dem "Zentrum für politische Schönheit" oder einem eindrucksvollen Flüchtlingsprojekt der "Wienwoche" –, aber im Kontext Kultur eben auch nur eine von vielen Herangehensweisen.
Immerhin: Klaus Werner-Lobo ist als Post-Parteipolitiker kein Verbitterter. Im Untertitel seines Buchs heißt es schließlich nicht "Was tun, wenn wählen nicht mehr nützt", sondern "Was tun, wenn wählen nicht mehr reicht". Seine Überzeugung: Wählen, meint er, müssten wir, um das Schlimmste zu verhindern. "Das Bessere müssen wir allerdings selber schaffen". Wie das geht, dazu liefert sein neues Buch reichlich Anregung. Und manche seiner Leser wird es vielleicht sogar in die aktive Parteipolitik bringen.
Thomas Weber, Herausgeber The Gap auf Twitter: @th_weber. Weiter zum Interview mit Klaus Werner-Lobo über "Nach der Empörung".