In einer Zeit, in der Sandkastenkinder behelmt werden, kommt Drehbuchautor Seiters Romanplot einem Entrüstungsaufruf gleich: Die getrennt lebende Mutter Jana lässt ihren fünfjährigen Sohn Jakob alleine mit der Wiener U-Bahn fahren (und verabscheut, vergisst ihn auch zuweilen). Eine Babysitterin bringt ihn zum Ausgangspunkt seiner Reise, während Jana an der elften Station wartet, an der auszusteigen […]
In einer Zeit, in der Sandkastenkinder behelmt werden, kommt Drehbuchautor Seiters Romanplot einem Entrüstungsaufruf gleich: Die getrennt lebende Mutter Jana lässt ihren fünfjährigen Sohn Jakob alleine mit der Wiener U-Bahn fahren (und verabscheut, vergisst ihn auch zuweilen). Eine Babysitterin bringt ihn zum Ausgangspunkt seiner Reise, während Jana an der elften Station wartet, an der auszusteigen sie ihm anhand seiner Finger erklärt. „Grell und schrecklich schattenlos ausgeleuchtet war, was sich zwischen Babysitterin und Mutter auftat.“ Seiter wechselt öfters die Erzählperspektiven, sodass man auch von Paul erfährt, wie er, seine Firma ad acta gelegt und sich isoliert tot gestellt habend, mit Jakob auf der Marswiese Fußball spielte, nachdem der Straßenkater Bruno (dessen Biografie ebenso menschlich wie mit lukullischen Einsprengseln geschildert wird) ihn wiedererweckt hatte. Jakobs Reise in einem erst leeren Zug wird in den mittleren Kapiteln erzählt, wo er ihn ängstigende Piktogramme, Fensterspiegelungen und Fußballfans zu bewältigen versucht: „Er schloss die Augen, tot, das war so ähnlich wie schlafen.“ Jana wiederum flüchtet sich, am Bahnsteig immer besorgter wartend, in sexuelle Fantasien, trifft Paul wieder – und Jakob ist überfällig… Seiter schafft mit seinen auf sich gestellten Protagonisten ein realitätsnahes Geschichtennetz, das deren Lebensläufen ähnlich immer wieder reißt und durch die assoziativen Knoten wie Seiters stilistisch plausible Varianz in Bann zieht.