Er ist ein stets abgründig-grausamer Schilderer des Bösen, dessen bisheriges Hauptwerk „Die Abendröte im Westen“ (1985) als moderner amerikanischer Klassiker gilt. Mit dem postapokalyptischen Jahrhundertwerk „Die Strasse“, hat der 73-jährige McCarthy nun seinen zweiten Klassiker geschrieben. Alt daran ist die Begegnung eines Knaben mit einer bösen Welt, neu ist, dass McCarthy es hier erstmals mit […]
Er ist ein stets abgründig-grausamer Schilderer des Bösen, dessen bisheriges Hauptwerk „Die Abendröte im Westen“ (1985) als moderner amerikanischer Klassiker gilt. Mit dem postapokalyptischen Jahrhundertwerk „Die Strasse“, hat der 73-jährige McCarthy nun seinen zweiten Klassiker geschrieben. Alt daran ist die Begegnung eines Knaben mit einer bösen Welt, neu ist, dass McCarthy es hier erstmals mit dem Guten zu halten scheint: Größte Teile der Welt sind verbrannt. Wo immer die wenigen noch lebenden Menschen hinkommen, waten sie knöcheltief durch Verkohltes. Asche verfinstert den Himmel. Die Nächte sind schwarz, ohne Mond und Sterne. An den Tagen wird es etwas heller, grau. Die Sonne zeigt sich nicht mehr, es wird immer kälter. Es ist eine Welt, in der fast alles fehlt, was man mit dem Menschlichen verbindet. Was bleibt, sind „der Mann“ und „der Junge“, ihre immer kargeren Worte und ihr zunehmend aussichtsloser Versuch, in der verbrannten Welt von Tag zu Tag zu überleben. Neu ist die bis zum Skelett abgemagerte Sprache McCarthys, die in Kürzestsätzen den öden Lebenslauf der beiden festhält: Wandern, frieren, essen, sich verstecken, schlafen. Alles, was das Leben und die Romane sonst trägt – Reden, Lebenspläne, Innenleben, Handeln – ist hier ziel- und sinnlos geworden. Erwartungsgemäß bleibt die Frage nach dem Lebenssinn unbeantwortet, doch sie bildet den bewegendsten Teil des Romans, wenn der Vater dem Knaben Reste eines Glaubens zu erhalten versucht, indem er ihm erklärt, sie seien die Guten, bewahrten das Feuer und würden niemals Menschenfleisch essen. „Die Strasse“ schildert nicht den Weltuntergang, es schildert die untergegangene Welt. Und das so gänzlich ohne Hollywood-Effekte, dass man es mit einer Verwunderung liest, die nichts Bekanntem gleicht.