Wenn das Debüt »Illmatic« als drittbestes HipHop-Album der 90er gilt, was soll man da noch erwarten? Und warum sind sich plötzlich alle einig, dass das jetzt Nas’ zweitbestes ist?
Ja, ist denn HipHop doch nicht tot? Nas selbst hatte das vor sechs Jahren behauptet. Damals hoben Crunk, Snap und Hyphy das Grab aus. Danach kamen andere Katastrophen, die alle weniger tödlich waren als ursprünglich angenommen. HipHop überlebt sie alle, nimmt das eine auf, spuckt anderes wieder aus. Rapping, das ist als Kulturtechnik offenbar so unerschöpflich, dass man heute so wie Nas sogar mit ganz klassischen Tracks alle Küsten aus dem Strandhäuschen jagen kann, von East Coast zur West Coast bis zur Europe Coast. Hat da jemand Nostalgie gesagt? Retro?
»Life Is Good« macht jedenfalls etwas, was nur ganz wenig andere überhaupt könnten, das Album blickt weit zurück, ohne Idealisierungen, sondern auf gute und schlechte Zeiten, auf die Jugend in einem chaotischen New York, auf die eigenen Fehler, auf den ganzen Bling, auf die Trennung von Kelis. Ihr Kleid trägt er am Cover auf dem Schoß. Wenn man etwas Liebgewonnenes verliert, ist das oft ein Grund, sich auf die Suche nach der verlorenen Zeit und mit knusprigen Reimen auf die Reise durch die eigene Vergangenheit zu machen. Das zehnte Album von Nas reitet zwar nicht auf der Retrowelle, sie schadet ihm aber definitiv auch nicht. Die Beats überspannen die letzten paar Jahrzehnte schwarzer Musik, vom Isaac Hayes-Sample aus den 70ern zu smoothem Soul, Boom Bap, hartem Deep Funk aus der Public Enemy-Schule, rohem Reggae bis hin zu flirrenden Club-Synths. In dieser Breite, mit dieser Geschichte, auf diesem Niveau ist auch traditioneller HipHop eine Ausnahme.
Pop ist nach einem Jahrzehnt voll immer neuer Hype-Acts an einem Punkt angekommen, in der die alten Meister auf Augenhöhe mit den neuen Rebellen Songs schreiben. Jay-Z, Raekwon, El-P, Big Boi, The Roots, Killer Mike spucken derzeit genauso aufregende Tracks aus wie Jeremiah Jay, Space Ghost Purrp, Frank Ocean, Asap Rocky, Action Bronson, Quakers, Hodgy Beats, Big Krit oder Kendrick Lamar. Da ist es höchst willkommen, dass jemand diese simple Wahrheit ausspricht – auch wenn sie nicht immer stimmt, selbst mit bitter Unterton: Life is good. Danke fürs Erinnern.