Wer Muse für Art Rock hält, hält auch Max Richter für einen genialen Komponisten. Seine Vivaldi-Versionen sind Gegenwartsklassik, die man aber hören kann.
Max Richter hat Vivaldi neu eingespielt, ziemlich effektvoll und ergreifend. Die Begründung warum man sich ausgerechnet den Italiener mit Puderperücke für die renommierte Recomposed-Serie herausgreift, ist jedenfalls bestechend: es ist Fahrstuhlmusik vom Feinsten. Kaufhauspassagen, Warteschleifen, Tourismus-Vorplätze werden damit veredelt, ein neuer Blick darauf könnte sich ja lohnen. Und ja, man kann sich dem nur schwer entziehen. Auch, weil sich Max Richter teilweise arg nahe am Original entlang bewegt und nur wenige Phrasen verschiebt. Er ist der erste in der, der seine Bearbeitungen mit Orchester neu einspielen hat lassen.
Wenn man sich andere Arbeiten von Max Richter anhört, Soundtracks zu „Waltz With Bashir“ oder „Perfect Sense“ etwa, ist diese Arbeitsweise nachvollziehbar, immerhin ist das für ihn alltäglich. Matthew Herbert, Carl Craig, Moritz von Oswald und Francesco Tristano haben das nicht anders gemacht. Er kommt damit näher an die harmonische und rhythmische Struktur des Originals heran, entfernt sich davon allerdings nur wenig. Der Gestus und Harmonien bleiben oft ident. Was nicht nur ein Vorteil ist. Vergleicht man etwa den mittleren Satz des Frühlings, geht einiges von der schläfrigen und dennoch luftigen Stimmung Vivaldis verloren, bei Richter klingt der müde bellende Hund des Originals nur noch nach den schweren Akustikeinbauten eines Aufnahmesaals. Das ist eine Schwäche der Neukomposition: Mischung und Mastering. Die Klangfarbe des Orchesters ist nicht sonderlich barock, der Raum klingt mit, er grummelt, die Bässe scheinen verstärkt. Als würde man versuchen aus Vivaldi einen Batman-Soundtrack zu zimmern.
Die Modernisierungsversuche bleiben zurückhaltend. Auch das ist eine Wahl, neu zu komponieren, nur mit einem Orchester zu arbeiten, die letzten 200 Jahre Instrumentengeschichte einfach weg zu lassen. Es ist ja nicht so, als wäre Max Richter elektronisches Sounddoping fremd. Andrerseits, wenn man sich die Mahler-Bearbeitungen von Fennesz anhört, staunt man, wie weit eine Bearbeitung auch gehen kann.
Egal, dieser Vivaldi ist furios eingespielt, er klingt vertraut, geizt nicht mit Special Effects und ist doch so weit verfremdet um als Neukomposition durchzugehen. Musikgeschichte wird so zwar nicht geschrieben, aber Erfolg.