Humanicity

Grundsolider Dub/ Reggae, nicht unbedingt aufgewertet durch die stimmlichen Beiträge eines mental nicht mehr so fitten älteren Herren.

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Lee „Scratch“ Perry hat sich seinen Legendenstatus hauptsächlich als Mischpult- und Effektezauberer erarbeitet. Schon seit geraumer Zeit wird er aber von anderen Produzenten als Vokalist durch eher mediokre Produktionen gezerrt und das ist eine – gelinde gesagt – zwiespältige Angelegenheit. Denn ein großer Sänger ist er nicht (mehr).

Nicht dass man ein großer Sänger sein müsste um interessant zu sein. Bei Johnny Cash war es am Ende gerade diese verlebte Brüchigkeit in der Stimme die die Menschen so enorm bewegt hat. Und auch bei Gangsta Rappern die sich (prä-Autotune) schief an Refrains versucht haben, ging das immer irgendwo zwischen „authentisch“ und witzig durch. Und natürlich lieben „wir“ es auch Menschen zuzusehen und zuzuhören, die offensichtlich ganz anders funktionieren als wir Durchschnittsbürger, deren Selbstwahrnehmung verzerrt ist, die das Irrationale einfach ungefiltert aus sich herauslassen, und die so faszinierende und kreative Dinge erschaffen. Es gibt aber den Punkt an dem das Ganze anfängt ein wenig tragisch zu wirken.

Perry wandelte schon immer irgendwo zwischen Exzentrik, Genie und Wahnsinn. Dub mitzuerfinden und groß zu machen ist eine Leistung, die nicht genug gewürdigt werden kann, spontan die eigenen Studios abzufackeln, ist großartiger Stoff für Legendenbildung und sich im Alter komplett aus der Realität auszuklinken, ist bei dem Lebenswandel konsequent und war wohl auch unvermeidlich. Zusammenhangloses, schwer verständliches Irgendwas sehr lose in einen rhythmischen Kontext hineinzubrabbeln, mag für die Mystiker, die Voyeure, die Fans des ganz Abseitigen und die, die sich in den Zustand der totalen Kritikunfähigkeit gekifft haben, passend sein – der Beigeschmack, dass hier eine Marke bis zuletzt ausgepresst wird ist aber schon sehr stark.

Die Dub/Reggaeinstrumentals sind grundsolide und hätten ohne Vocals vielleicht sogar mehr Sinn gehabt. Aber wer würde schon nein sagen, wenn er die Chance hat den Namen Lee Perry aufs Cover zu kriegen? Schwer zu sagen ob Perry ausgenutzt wird, oder ob es darum geht, ihm bei der Finanzierung seines Lebensabends beizustehen. Hoffentlich Zweiteres. Kaufen Sie dieses Album!

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