No Bullshit. Regisseur David O. Russell profiliert sich als Klassenprimus der gehobenen Hollywood-Unterhaltung. Sein Schmiergeld-Krimi »American Hustle« besticht durch herausragende Darsteller und trockenen Humor.
Befragt man die Internet Movie Database nach David O. Russells »American Hustle«, so stößt man in der Trivia-Sektion auf einen interessanten Eintrag. Russell lässt seinen Schauspielern erheblichen Spielraum für Improvisationen. Auf den Hinweis von Hauptdarsteller Christian Bale, dass die vom Skript abweichenden Dialoge den Handlungsverlauf des Film entscheidend verändern würden, soll der Regisseur Folgendes geantwortet haben: »Christian, ich hasse Plots. Mir geht es um die Charaktere.« Entspricht diese Anekdote nicht den Tatsachen, so ist sie vortrefflich erfunden. Russell investiert in seine Figuren wie kein Zweiter. Die Handlung von »American Bullshit« (wie der Film ursprünglich mal hieß) dient lediglich als Petrischale, in der die Protagonisten gedeihen und (über sich hinaus) wachsen wie Schimmelpilzkulturen.
Ende der 70er nimmt das FBI das Trickbetrügerpärchen Irving (Christian Bale) und Sydney (Amy Adams) hoch. Agent Richie DiMaso (Bradley Cooper) bietet den beiden einen Deal an. Um Strafverfolgung und Anklage zu verhindern, sollen sie ihm helfen, weitere Trickbetrüger einzusacken. Als die Ermittlung immer größere Kreise zieht und ein Bürgermeister (Jeremy Renner), ein Mafioso (Robert de Niro) und Irvings verrückte Ehefrau Rosalyn (Jennifer Lawrence) involviert sind, droht die Situation zu eskalieren.
Nach einer ausführlichen, charakterstudienartigen Einleitung erweist sich »American Hustle« als spannendes Katz-und-Maus-Spiel. Zu einem Must-See wird der Film aber durch seine herrlich absonderlichen, tragikomischen Figuren: Bales Irving mit formidabler Bierwampe und Zuhälter-Toupet, Coopers Richie mit Lockenwicklern und Größenwahn, Lawrences Rosalyn als Mischung aus durchgedrehter Hausfrau und manipulativer Femme Fatale. Hinzu kommen zahlreiche grandiose Nebencharaktere, die Russells neuesten Streich (nach Filmen wie »The Fighter« und »Silver Linings«) zu einem erstklassigen, überaus unterhaltsamen Ensemble-Werk machen. Besonders hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang der Comedian Louis C.K., der Richies Vorgesetzten Stoddard Thorsen spielt.
Der verbale Hickhack zwischen den FBI-Männern ist eines der vielen leisen Highlights des Films. Den absoluten Hingucker liefert freilich Christian Bale, der für seine Rolle knappe 20 Kilo zulegte. Laut anfangs genannter Datenbank soll ihn Co-Star Robert de Niro am Set von »American Hustle« nicht mal erkannt haben.