Ab 2017 übernimmt mit Angelika Fitz eine universalinteressierte Welten- und Gesellschaftsforscherin die Leitung des Wiener Architekturzentrums. A match made in heaven.
Angelika Fitz ist großzügig, wenn man zum Gespräch mit ihr eine halbe Stunde zu spät kommt, weil man sich im Gassengewirr der Leopoldstadt verirrt hat. Vielleicht unterdrückt sie einen Seufzer, nimmt Unveränderliches hin und konzentriert sich auf Dinge, auf die sie gestalterisch einwirken kann. Die 49-Jährige übernimmt ab Jänner 2017 die Leitung des Architekturzentrums Wien (Az W). Auf die neuen Herausforderungen angesprochen, zeigt sie sich gespannt und ein bisschen aufgeregt. Dabei war das Leben hinsichtlich beruflicher Abenteuer auch bisher nicht gerade geizig mit ihr.
Der Ort, an dem sie sein musste
Aufgewachsen in einem Vorarlberger Dorf nahe Hohenems, brach Fitz am Ende der 90er nach dem Kulturwissenschaftsstudium in Innsbruck aus der ihr bekannten Welt aus und setzte sich in einen Flieger nach Neu-Delhi. Eine Ausfallstraße der sogenannten New Capital Area hatte es ihr angetan. Hier versuchte man durch Sondersteuergesetze die Ansiedelung großer Firmen mit ihren Call-Centern voranzutreiben. Gleichzeitig war die Straße eine der Haupt-Trucker-Routen, inklusive entsprechender Infrastruktur, wie Imbissbuden und Straßenstrich und dazwischen schlängelten sich Bauern mit ihren Wägen durch. Und irgendwo an einer Tankstelle inmitten dieses entfesselten Stücks Stadtleben organisierte Fitz mit indischen Künstlern wechselnde Interventionen. Weil das eben für sie der Ort war, an dem sie damals sein musste.
Erzählt sie diese Szene ihrer Biografie eigentlich beinahe beiläufig, so beginnt sie beim Gedanken daran als Ganzes zu funkeln. Die Beschäftigung mit Urbanismus, der Transformation in Städten, den kleinen Geheimnissen im alltäglichen Raum und das tatsächliche Gefühl, in einer Stadt zu leben — es war Liebe. Denn hinter den Kulissen einer jeden Stadt lagen Schätze zu entdecken bereit, Dinge, von denen man herausfinden musste, warum sie so sind, wie sie sind. Es war beinahe, als legten sich die Metropolen bei Fitz auf die Couch und ließen sie in ihre Psyche ein.
Der Reality Check, der sie reizt
»Stadtgesellschaft ist sicher ein Thema, das mich sehr stark interessiert. Für mich kann man diese Dinge nicht trennen. Eine Stadt besteht aus dieser Vielfalt, aus den Gebäuden, den Dingen und aus den Menschen. Sie alle machen das Stadtleben aus«, erklärt Fitz die Beziehung dieses Ansatzes zur Architektur. Architektur sei Balance zwischen Dienstleistung, die Funktionen zu erfüllen habe und Kunst. Interessant daran sei, was Architektur kann, für wen sie da ist und von wem sie benutzt wird. Es ist der Reality Check, der sie reizt und die Schnittstellen zwischen der Architektur als Disziplin und ihrem Verstandenwerden im täglichen Leben.
Dieser Mission hilft Fitz bis Ende des Jahres auch noch im Beirat für Architektur und Design des Bundeskanzleramtes, ein Förderbeirat für Architekturvermittlungsprojekte auf allen Ebenen, etwa auch für Kinder. »Man könnte zynisch sagen: Wenn ich mich nicht für Kunst interessiere, brauche ich sie mir nicht anzuschauen, aber ohne Architektur und Stadt kommt man nicht aus, in der bewegen wir uns alle.« Es sei daher wichtig, sich mit der bebauten Welt auseinanderzusetzen und wenn nicht in den Schulen, dann eben auf vielen anderen Ebenen, zum Beispiel im Az W.
Das Az W selbst begreift sich als Ort, an dem die soziale Dimension von Architektur und Stadt einen Platz hat. Die Sammlung etwa beschäftigt sich zum Beispiel stark mit Entstehungskontexten. Man hebt dort also auch Zeitungsausschnitte auf, Konversationen zwischen Bauherren und Architekten, Beschwerdebriefe und beleuchtet so im Längsschnitt, wie Dinge entstehen und wieder zugrunde gehen können. Man denkt hier die Einzelgebäude mit der ganzen Stadt zusammen, mit den Bewohnern, dem Leben, das darin stattfindet. Der Beschreibung der beiden nach zumindest, sind Az W und Angelika Fitz ein match made in heaven.
Für Fitz ist das Zentrum auch ein Ort der Einmischung, eine Plattform, um heiße Eisen in der Stadt zu diskutieren. Dabei gehe es etwa um Fragen nach kultureller Diversität und dem Verständnis von Bürgerschaft. »Diese wird sich in nächster Zeit nicht mehr stark an die Nation binden lassen. So sind wir zwar seit dem 19. Jahrhundert sozialisiert worden, aber heute geht es mehr um Stadtbürgerschaft, egal wo jemand herkommt und welchen Pass er besitzt«, erklärt Fitz.
Weiter geht’s auf Seite 2: