Stelle dir das fast perfekte Festival vor, oder fahr’ einfach zur richtigen Zeit nach Kärnten. So klein, so fein – das Acoustic Lakeside.
Der Fan stürmt die Bühne von hinten. Doch schmeißt er sich weder kopfvoraus in die Menge, noch wird er von bulligen Securities abtransportiert. Er bleibt, um den singenden Faber auf die Schultern zu nehmen. Der singt einfach weiter und spielt das Lied zu Ende. Souverän und konsequent. Danach hagelt es gratis Umarmungen. Es waren kleine Überraschungen wie diese, die das Festival am Sonnegger See so besonders machten.
Vom Background Affen zum Main Act
Auch von hinten hatte man noch alles im Blick. Ein mit Gras bewachsenes Amphitheater, erhellt von Flutlicht und Lagerfeuer. Nur beim Ton müssen Abstriche gemacht werden: dieser drang aufgrund der schmalen, schwachen Boxen nicht ganz nach hinten. Besonders schade, da gelungene Texte vorgetragen wurden. Von Scheibsta & die Buben zum Beispiel. Jene spielten am Tag vor Faber und nützten ihre Zeit voll aus. „Wer war denn alles letztes Jahr schon da und hat Lola Marsh gesehen?“ Dutzende Hände gingen hoch. „Der Affe, der damals auf der Bühne herumgesprungen ist, das war ich!“ Vom Affen auf die kleine Bühne und nächstes Jahr auf die große – die Evolution österreichischer Musiker.
Wüstenrock meets Blasmusik und Adam Green
Ja, die Hauptbühne, ein nachvollziehbarer Wunsch. Auch wenn das Set der Steaming Satellites „akkustiziert“ nicht ganz so wuchtig daherkam wie gewohnt. Auch haben sich ein paar Covers eingeschlichen, die eine derart erprobte Band eigentlich nicht mehr nötig hat. Wie jedes Jahr hat das Acoustic Lakeside Team auch heuer mit Calexico und Adam Green internationale Top-Musiker gebucht. Calexico passten kurz vor Mitternacht ihren dunklen Wüstenrock an die Umgebung an. Zwischendurch wurde es aber auch heiterer, mit den schrillen Tönen der Blechbläser. Ein Buena Vista Social Club Cover war das I-Tüpfelchen, ein wunderbares Mitbringsel von der anderen Halbkugel.
Adam Green begeistert als Aladin
Deutlich weniger Leute standen mit Adam Green auf der Bühne. Trotzdem war die Show mindestens gleich unterhaltsam wie Adam Green selbst, der mit seinem Julius Meinl Hut zwar ungelenk, dafür beschwingt hin und her hüpfte. Die Musik trat in den Hintergrund, als er seine tiefgründig bösen, poetischen Texte fröhlich wie ein Troubadour ins Mikrofon trällerte. „There’s no wrong way to fuck a girl with no legs“ wird man sobald nicht auf Ö3 hören, auch wenn das einer der Liederwünsche aus dem Publikum war, die Adam bei seinen vier Zugaben mit Freude erfüllte.
Von schönen Menschen, sauberen Dixies und umgänglichen Securities
Grund zur Freude bot auch das Wetter: Fast zu warm, der See dafür kühl. Und all die schönen Menschen. Ausgefallener Kopfschmuck, kunstvoll getrimmte Gesichtshaare und gewagte bis eigentlich untragbare Körperbemalungen. Im Partyzelt vereinten sich alle zu einem farbenfrohen, schwitzenden Mob. Von der zum Bersten überfüllten Bühne – auf der eigentlich ein DJ stehen sollte – schallten zwar leider nur abgegriffene und totgehörte Indie-Pop-Nevergreens, die sauberen Klos machten dies aber wett. Sogar die Securities und Dixi-Putzkräfte waren nett. „Leben und leben lassen“ schien das Motto zu sein. Das geht bei nur 2000 Festivalbesuchern gut. Ob es tatsächlich weltweit Gerüchte über das Acoustic Lakeside gibt, sei dahingestellt. Fuzzmans „handvoll Gras“ traf allerdings genauso zu wie „ein bisschen Peace and Love“. Und wahrscheinlich hatte er recht, als er sagte: „Woodstock kann nicht besser gewesen sein!“
Das Acoustic Lakeside fand von 22.-23. Juli am Sonnegger See in Sittersdorf statt.