Wie hat 9/11 die Popkultur verändert?

Als die zwei Boeings am 11. September 2001 in das World Trade Center einschlugen, war damit die erste historische Zäsur seit dem Ende des Kalten Krieges markiert.

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Der deutsche Rapper Curse sang fünf Tage später: »Nichts wird mehr so sein wie es war« und wie recht sollte er behalten. Historische Ereignisse wie 9/11 hinterlassen ihr Profil tief in der Gesellschaft und damit in der Kultur – ganz besonders, wenn ein gefährlich kurzsichtiger Präsident wie George W. Bush mit einem Beraterstab aus Hardlinern die adäquate Antwort geben soll. Der Bürgerrechts-feindliche Patriot Act wurde abgesegnet, mit Begriffen wie »Achse des Bösen« und »Kampf der Kulturen« wurde das gesellschaftliche Klima wie in der McCarthy-Ära auf Eiszeit gleichgeschaltet. Die Militarisierung des Alltags ging eine Allianz mit dem Credo neoliberaler Wirtschaftspolitik ein.

Die Jahre nach 9/11 sind geprägt von Heldenmythen und beschwören mit Hilfe moderner Computerpower den Geist glorreicher, aber umkämpfter Imperien (»Königreich der Himmel«, »King Arthur«, »Troja«, »300«, »Spartacus«, »Alexander«, die Serie »Rome«, etc.). Aber auch eine Reihe chinesischer Martial Arts-Filme (»House Of The Flying Daggers«, »Hero«, »Curse Of The Golden Flower«, etc.) spielen in ähnlich verfassten Großreichen mit Fragen der Ehre und sind plötzlich in westlichen Blockbuster-Kinos zu sehen. Nicht zuletzt die »Herr der Ringe«-Trilogie, aber auch »Star Wars I-III« loten die moralischen Engpässe aus, die entstehen, wenn man mit einem namenlosen Bösen konfrontiert ist. Folter ist Thema in »The Hostel«. Immer sind es westliche Welt-Touristen, die sich als Beherrscher ihrer Umgebung fühlen und ihre Grenzen von einem archaischen Etwas blutig aufgezeigt bekommen. Horrorfilme zeigen die Kehrseite der ach so hehren „Operation Freedom“. Die lässt sich wiederum in einer Reihe von Computerspielen fast ohne jede Brechung durchspielen, während andrerseits investigative Dokumentationen gleichzeitig eine ungeahnte Blüte erleben (»Fahrenheit 9/11«, »Darwin’s Nightmare«, »Eine unbequeme Wahrheit«, »The Power Of Nightmares«, etc.).

Auch die Musik ist gekennzeichnet von einem restaurativen Schock. Plötzlich ist Rock wie aus den 60er Jahren der Sound der Zeit. Soul feiert ein Comeback. Währenddessen rollen brachiale Beats wie aus dem Zentrum der Kampfzone durch den HipHop. Aber auch die Kommerzialisierung wird dort auf die Spitze getrieben. Nach der Reaktion folgt jedoch Aktion. Nur selten gab es in der Popmusik eine Politisierungswelle wie Mitte der Nuller Jahre. Green Day und Eminem nehmen angriffslustigen Protest auf, aber auch von Ska- und Reggae-Artists, die Wiederentdeckung von Post-Punk und sogar Emo können als mehr oder weniger offene Ablehnung der Politik in den Jahren des »Kriegs gegen den Terror« verstanden werden.

Natürlich gab es daneben weiterhin alltägliche Ablenkungen und zeitlose Kunst. Doch 9/11 hinterließ einen tiefen Fußabdruck – im kollektiven Gedächtnis und in der Kultur.

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